Norwich Rüße: „Es gibt keinen Hackerangriff – den hat es auch nie gegeben“

Zum Teilbericht des PUA II "Hackerangriff"

Portrait Norwich Rüße

Der Teilbericht als PDF (12MB)

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon einigermaßen überrascht, wie CDU und FDP sich hier ihre eigene Welt zusammenschustern. Das hat sich dann auch in der Bewertung von Teil A gezeigt. Der doch sehr sachlich gehaltene Bewertungsteil des Ausschussvorsitzenden wurde komplett durch eine andere Version ersetzt. Das war eine verpasste Gelegenheit. Das war eine Chance, den Bewertungsteil vielleicht an der einen oder anderen Stelle etwas zu überarbeiten. Insgesamt hätte man das gut gemeinsam hinkriegen können, aber das war gar nicht gewollt.

„Verpasste Gelegenheit“ ist ein gutes Stichwort. Der gesamte PUA ist eigentlich von verpassten Gelegenheiten gekennzeichnet.

Eine verpasste Gelegenheit war schon die Pressemeldung, die die Landesregierung gemacht hat, die sie derart aufgebauscht hat.

Sie hat dann die Gelegenheit verpasst, die tatsächlichen Fakten darzustellen, dass es möglicherweise einen Hackerangriff gegeben hat.

Das Spannende ist ja auch, dass Sie, Herr Mangen, uns gerade noch einmal erzählt haben, dass die WE-Meldung schon den Hackerangriff dargestellt hat. In der WE-Meldung ist das Wort „Hackerangriff“ überhaupt nicht vorhanden. Das gibt es da gar nicht. Die WE-Meldung spricht nicht davon.

Sie haben auch betont – ebenso Ihr Kollege von der CDU, Herr Frieling –, man habe im Nachhinein gar nichts mehr korrigieren können, weil ja die Pressehoheit bei der Staatsanwaltschaft gelegen habe. Ja, aber bei der Presseerklärung am 16. März war das sehr wohl möglich. Da konnte die Staatskanzlei vorpreschen, da konnte Herr Wiermer das in Absprache mit der Ministerin ganz leicht machen, ohne dass man vielleicht Rücksprache mit dem Justizministerium hält, ob man die Pressemitteilung so herausgibt. Auch das eine verpasste Gelegenheit, eine fundierte, eine korrekte Pressemitteilung herauszugeben.

Aber darum ging es ja gar nicht. Mit dieser Pressemitteilung sollte eine angeschlagene Ministerin aus der Schusslinie genommen werden. Genau das war damals beabsichtigt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Spannende ist ja, dass das ganze Kartenhaus „Hackerangriff“ schon eine Woche später, am 23. März, in sich zusammenbricht. Denn da kommt der Ermittler schon zu der Erkenntnis: Es gibt keinen Hackerangriff. Den hat es auch nie gegeben.

Interessanterweise hat die Ministerin selbst gesagt, der Fernseher sei gar nicht mit dem Internet verbunden. Allein das hätte schon ein Hinweis sein können. Wie soll man denn so einen Fernseher ansteuern, wenn man über das WLAN gar nicht zu diesem Fernseher kommen kann, wenn der gar nicht im Netz ist?

Am 23. März also die klare Erkenntnis des Ermittlers: Es gibt keinen Hackerangriff, hat es nie gegeben.

Dann kommt es am 29. März zu der denkwürdigen Zusammenkunft auf dem Hof Schulze Föcking in Steinfurt. Es gibt bereits eine Einstellungsverfügung der Ermittlungen. Es ist völlig klar – Sperrfrist 18 Uhr –, dass die Ermittlungen nicht mehr fortgeführt werden sollen, weil nämlich den Ermittlern und der Staatsanwaltschaft eindeutig klar ist, dass es keinen Hackerangriff gegeben hat.

Dann wird das alles auf dem Hof simuliert. Die Ministerin – wieder eine verpasste Gelegenheit – hätte spätestens da die Chance ergreifen und sagen müssen: Ja, ich erkenne die Erkenntnisse an. Ich mache jetzt reinen Tisch, gehe raus in die Öffentlichkeit und sage, wie es tatsächlich war, dass es eben ein Bedienfehler war. – Das wäre in dem Moment vielleicht peinlich gewesen. Das ist aber völlig egal, denn damit wäre es vom Tisch gewesen.

Wie soll man den 29. März eigentlich nennen?

(Zuruf von der CDU: Donnerstag!)

Es ist ein bisschen der Peter-Biesenbach-Tag, würde ich sagen

(Lachen von Christian Dahm [SPD])

oder der Tag der dubiosen Telefonate.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Der Kollege Bialas hat eben dargestellt, was da alles so passiert ist.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass wir hier saßen und in einer Fragestunde gefragt haben, wie Sie das mit Ihrem Telefon so handhaben. Dann haben wir Ihre Virtuosität an den Handys bewundern können, wie sie mal hier und mal da in die Jacketttasche gepackt und die diversen Handys hervorgezogen haben.

(Zuruf von der SPD)

Schauen wir uns dann die Verbindungsdateien an, die es da gegeben hat. Sie haben das alles damit erklärt, Sie hätten ja nur mal wissen wollen, wie sich das Ganze zugetragen habe. Es überrascht schon, dass es mehrere Verbindungen gegeben hat. Es überrascht schon, dass das ausgerechnet in dem Moment passiert – es gibt ja Zufälle, an die man kaum glauben kann –, an dem Tag, an dem die Ermittlungen eingestellt werden sollen, man es der Ministerin erklären will. Genau an dem Tag wollen Sie erklärt haben, wie sich das alles zugetragen haben konnte. Das überrascht.

Dann gibt es noch diese merkwürdige einminütige Verbindung, bei der Sie uns weismachen wollen, das habe nur in Ihrer Hosentasche stattgefunden, da seien Sie aus Versehen drangekommen, und das sei so passiert.

(Lachen von der SPD)

Ich sage Ihnen: In einer Minute kann ich jede Menge erklären. In einer Minute führe ich ein kurzes präzises Gespräch, wie Dinge weiter gehandhabt werden sollen, wie es weitergehen soll. Vielleicht ist es ja auch so gewesen.

Der Untersuchungsausschuss kann das nicht beweisen, das ist so. Aber ich sage Ihnen: Wären Sie ein Minister von Format – denn dieser Vorwurf steht im Raum, dass Sie sich in die Ermittlungen eingemischt haben –, dann hätten Sie freiwillig Verantwortung übernommen und wären zurückgetreten.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Aber Sie, Herr Minister, haben Pattex unterm Hosenboden. Sie kleben fest an Ihrem Stuhl.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, ja?

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, Herr Kollege, ich komme zum Schluss.

Eine Menge Fragen bleiben offen. In dem gesamten Komplex bleiben viele Ungereimtheiten offen. Die Begrenztheit von Untersuchungsausschüssen ist uns klargeworden. Wir können das Handeln von Regierenden nicht komplett erfassen. Viele Dinge, die in WhatsApp-Gruppen, Telegram-Gruppen passieren, kriegen wir gar nicht mit, können wir nicht erfassen.

Aber wir wissen: Aufseiten der Landesregierung ist viel schiefgelaufen. Wir wissen nicht, ob es Mitleid mit der Ministerin war, ob es politisches Kalkül war. Das werden wir nicht mehr erfahren. Aber die Öffentlichkeit in diesem Land hat sehr wohl mitbekommen, dass es diese Ungereimtheiten gab. Ich denke, das wird sich nächstes Jahr im Mai bemerkbar machen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Christian Dahm [SPD] und Andreas Bialas [SPD])