Norwich Rüße: „Es geht es jetzt darum, wie wir das ermöglichte Anbauverbot von GVO-Pflanzen umsetzen“

Antrag zur bundesweiten Gentechnikfreiheit

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Sundermann hat es bereits gesagt: Nach ungefähr einem Jahr diskutieren wir im Landtag von Nordrhein-Westfalen erneut über Agro-Gentechnik. Wenn man die Diskussion in den letzten Monaten verfolgt hat, dann kann man eigentlich nur sagen: Was sich da entwickelt hat, ist ein Trauerspiel. Und in diesem Trauerspiel spielt der Bundeslandwirtschaftsminister leider eine einsame Hauptrolle. Manchmal fragt man sich aber, ob das Ganze wirklich ein Trauerspiel ist oder nicht doch ein Marionettentheater, was uns dort aufgeführt wird. Fakt ist: Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen, in der deutschen Landwirtschaft Gentechnik einzusetzen. Fakt ist ebenfalls, dass auch im Bundestag, aus dem heraus diese Bundesregierung eigentlich getragen wird, eine Mehrheit eine nationale Lösung möchte und nicht das, was der Bundeslandwirtschaftsminister vorschlägt. Fakt ist überdies, dass sich die Bundesländer geschlossen gegen Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt stellen.
Mit seinem Ansatz, dass jedes Land selbst begründen möge, warum eine GVO-Pflanze nicht angebaut werden solle, und dass das besonders rechtssicher sei, steht er in Deutschland mittlerweile völlig alleine da.
Mehrere Gutachten stützen die Auffassung der Bundesumweltministerin Hendricks und der Bundesländer, dass ein GVO-Anbauverbot sehr wohl auf Bundesebene rechtssicher möglich ist, ja, auf dieser Ebene sogar deutlich besser angesiedelt ist.
Konkret: Es geht es jetzt darum – und das ist eine wichtige Frage –, wie wir das ermöglichte Anbauverbot von GVO-Pflanzen umsetzen. Wir haben bereits in unserem Antrag „Nord-rhein-Westfalen muss gentechnikfrei bleiben“ zum Ausdruck gebracht, dass wir zum Schutz unserer heimischen Landwirtschaft und zum Schutz unserer Verbraucherinnen und Verbraucher eine strikte nationale Anbauregelung wünschen.
Wir wollen diese Regelung, weil wir fest davon überzeugt sind, dass gerade hier in Deutschland, in Mitteleuropa, aufgrund der geografischen Bedingungen, aufgrund der Verteilung der Äcker – wir haben eine kleinstrukturierte Landwirtschaft – überhaupt keine Vorteile aus dem Anbau von GVO-Pflanzen entstehen werden, sondern dass mit Sicherheit die Nachteile überwiegen werden.
Volkswirtschaftlich wird man vermutlich ausrechnen können, dass der einzelbetriebliche Vorteil, der eventuell gegeben sein kann, am Ende aber von den Nachteilen, den viele andere beim Anbau dieser Pflanzen haben werden, überwogen wird. Dem stehen erhebliche Kosten gegenüber, die aus zusätzlichen Kontrollkosten entstehen. Man muss die Waren-ströme deutlich voneinander trennen. Die Frage ist, ob es das am Ende überhaupt gelingen kann.
Entscheidend aus unserer Sicht ist aber auch, dass der Bundeslandwirtschaftsminister mit seiner Position die sehr guten Perspektiven, die für gentechnikfreie Produkte vorhanden sind, wenn nicht zunichtemacht, so doch zumindest gefährdet. Wir haben es im letzten Jahr erlebt, wie die großen Geflügelfleischproduzenten aus der gentechnikfreien Fütterung aus-gestiegen sind. Dann haben wir aber auch gesehen, wie zügig sie den Ausstieg vom Ausstieg hinbekommen haben, nachdem sie bemerkt haben, dass ihr Markt erheblich gefährdet ist.
Wer die Tageszeitung liest, hat sicher festgestellt, dass seit Wochen eine größere bayerische Molkerei ausdrücklich für ihre Produkte aus dem Naturraum Bayern wirbt und auch damit wirbt, dass ihre Molkereiprodukte gentechnikfrei sind.
Ganz aktuell weise ich auf das Beispiel der beiden Discounter Lidl und Aldi hin, die beide angekündigt haben, im Bereich der Molkereiprodukte den gentechnikfreien Anteil deutlich ausbauen zu wollen. Lidl hat darüber hinaus angekündigt, das Label „Ohne Gentechnik“ ab dem 1. September 2015 bundesweit für alle Frischeier und für das gesamte und Geflügelfleisch einzusetzen. Wir sehen also: Es gibt eine klare Nachfrage, die man auf keinen Fall gefährden sollte.
Es ist schon ärgerlich und unverständlich, dass der Bundesminister sich hier weigert, eine ambitionierte, gute Regelung zu erlassen und dass er versucht, das Ganze den Ländern aufzudrücken.
Auch das neueste Gutachten, das unter anderem Landwirtschaftsminister Johannes Remmel mit in Auftrag gegeben hat, belegt, dass es sinnvoll ist, diese Regelungen auf Bundesebene vorzunehmen. Wenn man sich dieses Gutachten durchliest, erkennt man, dass die Argumentation von Minister Schmidt einfach nicht richtig ist.
Wenn wir mit gesundem Menschenverstand an die Sache herangehen, können wir uns leicht vorstellen, dass eine solch kleinteilige Trennung – Gentechnikanbaugebiet, Nichtgentechnik, dann wieder Gentechnikanbaugebiet – nicht funktionieren kann. Am Ende wird dieser Flickenteppich nur Probleme machen, die Kontaminationsgefahr wird immer größer, und der Kontrollaufwand für die Betriebe und auch für die Nahrungsmittelindustrie wird weiter ansteigen.
Meine Damen und Herren, auch der Kollege Sundermann hat es gesagt: In Wirklichkeit geht es gar nicht darum, die Gentechnikfreiheit zu sichern, sondern es geht darum, die Türen für Gentechnikproduktion zu öffnen. Das lehnen wir ab, und deshalb haben wir auch diesen Antrag gestellt.
Ich bin gespannt, wie sich die CDU-Fraktion hier gleich im Landtag verhält, wie sie sich positioniert, ob sie diesen Antrag mitträgt oder sich irgendwie mit einer Enthaltung wegwindet. Ich kann da nur an die Position Ihrer Kolleginnen und Kollegen aus Baden-Württemberg erinnern, die gemeinsam mit SPD und Grünen den Wunsch mittragen, hier zu einer bundeseinheitlichen Regelung zu kommen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!
Norwich Rüße (GRÜNE): Von daher fordere ich Sie auf: Wenn Sie gemeinsam mit uns etwas für den ländlichen Raum tun wollen, stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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