Norwich Rüße: „Es geht darum, mehr Kies fördern zu können“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Landeswasserecht - zweite Lesung

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Diekhoff, ich habe eine etwas andere Wahrnehmung, wie das Gesetz hier beraten wird. Es ist zu sehr später Stunde auf die Tagesordnung gesetzt worden, eigentlich wäre es um 20:45 Uhr diskutiert worden. Je später, desto besser.

(Markus Diekhoff [FDP]: Weil wir der Opposition Raum geben wollten!)

Das Einzige, Herr Diekhoff, was das zeigt, ist, dass Sie ein verdammt schlechtes Gewissen bei diesem Gesetz haben. Das ist der Punkt, Sie konnten es gar nicht weit genug nach hinten schieben,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

möglichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit, dass es keiner mitbekommt und die Medienvertreter es nicht wahrnehmen. Nur ist der Schuss nach hinten losgegangen. Wir haben ohne Ende Zuschriften, Mails und Nachfragen von Menschen bekommen, die wissen wollten: Was passiert da eigentlich? Was machen die da eigentlich gerade beim Kiesabbau?

(Zurufe von der FDP)

Warum passiert das? – Zu der Frage, warum das passiert, hat Frau Ministerin gegenüber dem WDR deutliche Worte gefunden. Sie hat gesagt: Wir bekommen Anschreiben aus der Baustoffindustrie, die beklagt, dass das Material langsam knapp wird.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigen Sie, …

Norwich Rüße (GRÜNE): So, und damit ist doch die Katze aus dem Sack gelassen, worum es geht. Es geht darum, mehr Kies fördern zu können. Darum geht es.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Herr Kollege Rüße, der Kollege Höne würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, das freut mich.

(Heiterkeit)

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege Rüße, das freut mich auch. Wären Sie bereit, mir einen Gefallen zu tun und mit dem Kollegen Mostofizadeh aus Ihrer Fraktion noch einmal zu besprechen, wie die Tagesordnungen für unsere Plenartage so entstehen?

(Beifall – Josefine Paul [GRÜNE]: Das war aber eine ganz starke inhaltliche Frage!)

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, das mache ich sehr gerne. Wenn Sie sich das wünschen, mache ich das sehr gerne. Aber es war sicherlich Ihr Wunsch, dass dieser Tagesordnungspunkt an diese Stelle gekommen ist und nicht Wunsch der grünen Landtagsfraktion. Da bin ich mir sehr sicher.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Höne [FDP]: Sprechen Sie mal mit ihm!)

Die gesamte Beratung dieses Gesetzes war ja schon ein bisschen merkwürdig. Der Kollege Stinka hat es ja auch angesprochen. Wir haben im Ausschuss ausdrücklich noch einmal nachgefragt: Was kommt denn noch? Können Sie uns was sagen? Welche Punkte wollen Sie noch mit aufnehmen? – Dann kommen Sie einen Tag vorher mit einem Änderungsantrag, und wir sollen dann noch angemessen damit umgehen. Was soll denn das? Das wussten Sie doch auch schon länger. Dann kann man einen solchen Änderungsantrag auch ein bisschen eher einreichen, damit sich die Fraktionen noch mal ordentlich damit beschäftigen können. Aber auch da gilt: Sie wollen dadurch die Debatte verhindern. Sie wollen ja gar nicht, dass wir darüber wirklich beraten können.

(Zuruf von der CDU: Tun wir doch!)

Das ist doch der Punkt,

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU] – Zurufe von der FDP)

weil Sie nämlich tatsächlich an dieses Landeswassergesetz mit Ihrem Entfesselungsmantra herangegangen sind. Ihnen geht es nicht darum, Wasser zu schützen. Ihnen geht es darum, Rohstoffe fördern zu können. Ihnen geht es darum, dass die Landwirtschaft wieder bis an die Gewässer heran kann. Das sind doch die Punkte.

Ökonomie vor Ökologie. Das ist Ihre Strategie. Darum geht es, und das halten wir für falsch.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf: Unglaublich!)

Was finden wir vor allem falsch? 2017 hätte ich Sie noch verstehen können, als Sie das in den Koalitionsvertrag reingebracht haben. Alles gut. Aber seit 2017 hat sich einiges verändert.

Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass Wasser in Nordrhein-Westfalen, in Mitteleuropa zu einem knappen Gut wird. Das hätte ich nie gedacht. Aber daraus muss man doch Schlüsse ziehen, und da reicht es doch nicht, an einer Stelle zu sagen: Ja, wir haben der Trinkwasserversorgung den Vorrang eingeräumt.

Das hatten wir in puncto Grundwasser sowieso schon. Sie haben es jetzt erweitert. Das reicht doch nicht. Sie sagen ja noch nicht mal, wie Sie es machen wollen, wie Sie es umsetzen wollen. Sie haben die Kritik der Wasserversorger, der Verbände an der Stelle überhaupt nicht ernst genommen. Da fragt man sich: Wofür machen wir eigentlich Anhörungen im Ausschuss, wenn am Ende kaum etwas rausgezogen wird, um so ein Gesetz zu verbessern? – Für die Verbände ist das doch enttäuschend, wenn wir so vorgehen.

Wir haben 2018, 2019, 2020 Dürren gehabt. Wir hätten erwartet, dass wir den Punkt „Wassermanagement“ endlich in so ein Gesetz bekommen.

Jetzt hat ganz aktuell die Bezirksregierung Münster den Zustand der Gewässer für den Regierungsbezirk Münster dargestellt. Sie schreibt in einer Vorlage für den Regionalrat – ich zitiere daraus –: Derzeit weisen unter 10 % der Gewässer im Regierungsbezirk Münster einen guten Zustand auf. – Das ist doch dramatisch!

Wir haben die Wasserrahmenrichtlinie kaum umgesetzt. Keine 10 % sind in einem guten ökologischen Zustand. Das kann man doch nicht damit beantworten, dass man das Vorkaufsrecht abschafft. Man müsste es stärken. Man müsste sagen: „Jetzt wollen wir erst recht gucken: Wie kriegen wir es umgesetzt?“, anstatt zu sagen: „Na ja, das hat ja nicht gezogen, jetzt nutzen wir das nicht.“ – Das ist an der Stelle völlig, völlig unverständlich.

Ein weiterer Punkt für mich ist, Frau Ministerin: Sie sind in diesem Land für den Schutz zuständig. Das verbindet man mit Ihrem Ministerium. Sie sind dafür zuständig, dass an den Schlachthöfen der Tierschutz eingehalten wird. Sie sind dafür zuständig, dass der Verbraucherschutz eingehalten wird. Sie sind dafür zuständig, dass Artenvielfalt in diesem Land eine Chance hat und Natur geschützt wird, und Sie sind zuständig für den Schutz des Wassers.

Ich habe leider den Eindruck, dass Sie diese Aufgabe – das ist Ihre ureigenste Aufgabe – nicht ernst genug gegenüber Ihrem Wirtschaftsminister nehmen, der hier auch ein Wort mitgeredet hat. Sie haben nicht mehr Wasserschutz erreicht. Sie schwächen mit diesem Gesetz den Wasserschutz in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist ein riesiger, riesiger Fehler.

Deshalb sage ich Ihnen abschließend: Wir werden dem Antrag der SPD zustimmen. Ihre Gesetzesvorlage werden wir ablehnen. Ich sage Ihnen, bei nächstbester Gelegenheit, wenn wir das wieder anpacken können, werden wir dieses Gesetz auch wieder anpacken und es wieder auf einen Stand bringen, der dem Wort „Wasserschutz“ gerecht wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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