Norwich Rüße: „Einmal mehr fällt mir auf, dass Sie immer noch die Gesundheit der Menschen deutlich unterhalb der Freiheit, zu fahren, einordnen“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Luftreinhalteplänen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Deppe und Herr Diekhoff, Sie haben hier einen Antrag vorgelegt, den man, wenn man guten Willens ist, als „Schaufensterantrag“ bezeichnen kann. Was Sie sich bei dem Antrag gedacht haben, erschließt sich mir und meiner Fraktion überhaupt nicht. Denn alles, was Sie da fordern, sind Maßnahmen, bei denen ich mich frage, wann Sie dazu etwas vorlegen und damit starten.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Das hat der Kollege Stinka schon gesagt.
Zu dem allerersten Punkt, den Sie anführen, die Luftreinhaltepläne zügig zu überarbeiten und aktuelle Forschungsergebnisse einzubauen usw.: Die Überarbeitung der Luftreinhaltepläne können Sie ja dann getrost den Bezirksregierungen und den zuständigen Kommunen überlassen. Die machen das schon. Ich glaube nicht, dass wir dafür hier Ihren Antrag brauchen.
Einmal mehr fällt mir bei diesem Antrag und bei Ihren Reden auf, dass Sie in der Tat immer noch die Gesundheit der Menschen deutlich unterhalb der Freiheit, zu fahren, einordnen. Die Vermeidung von Fahrverboten hat für Sie immer noch oberste Priorität. Darüber, dass Sie überhaupt mittlerweile anerkennen, dass das ein gesundheitliches Problem ist, kann man ja schon einmal glücklich sein. Aber trotzdem finde ich, dass Sie das immer noch falsch einsortieren.
Warum Sie diesen Antrag hier eingebracht haben, bevor das Urteil überhaupt gefällt worden ist, erschließt sich mir auch nicht. Ich halte das auch ein bisschen für ein merkwürdiges Verhalten gegenüber einem Gericht. Meiner Meinung nach wartet man erst einmal das Urteil ab, und danach, wenn das gefällt ist, kann man ja mit einem Antrag kommen. Dass man diesen Antrag so zwischendurch reinschießt, erschließt sich mir überhaupt nicht. Ich glaube auch nicht, dass das korrekt von Ihnen war.
Eines ist aber natürlich klar. Das, was da jetzt passiert, ist genau das, was nach Aussage Ihres Ministerpräsidenten nicht passieren wird. Es wird zu Fahrverboten kommen. Das hat das letzte Urteil zu Köln noch einmal deutlich gemacht, nicht flächendeckend, aber eben in einzelnen Straßen.
(Rainer Deppe [CDU]: Darum geht es! Sie wollen die ganze Stadt lahmlegen!)
– Nein. Das ist genau falsch!
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])
Herr Deppe, Sie sind zutiefst von einer Ideologie getragen. Das ist völliger Blödsinn!
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir sagen: Wir wollen die Maßnahmen haben, die dafür sorgen, dass die Menschen in der Stadt leben können mit einer guten, intakten Umwelt und guter Luft. Das wollen wir. Wenn dazu flächendeckend oder großflächig Fahrverbote nötig wären,
(Rainer Deppe [CDU]: Aha!)
müsste man das vielleicht akzeptieren. Wenn es aber so zu erreichen ist, ist das auch okay.
Ihr Ansatz war immer: Wir wollen überhaupt keine Fahrverbote, an keiner Stelle, nirgendwo. Wir sind bereit, im Zweifelsfall sogar Messeinrichtungen an anderer Stelle aufzubauen, um das zu verhindern. Genau das waren damals Ihre Vorschläge. Dem werden wir immer widersprechen. Denn die Gesundheit von Menschen, die Gesundheit von Kindern, die Gesundheit von älteren Menschen hat für uns absolut Vorrang.
Natürlich trifft das jetzt Menschen, die Besitzer von Autos mit älteren Euro-Normen, Euro-4-, Euro-5-Norm sind. Natürlich trifft die das. Wir könnten da auch schon viel, viel weiter sein. Die Nachrüstungssätze sind ja da. Wenn das Ihre Bundesregierung mal vorangetrieben hätte, die Automobilindustrie gezwungen hätte, diese Nachrüstungen zu finanzieren, dafür gesorgt hätte, dass die Nachrüstsätze schnell für die Fahrzeuge anerkannt werden, dann hätten diese Menschen dieses Problem vielleicht gar nicht. Dann hätten wir einen effektiven Beitrag für bessere Luft, weil ja dann diese Nachrüstsätze in den Autos arbeiten würden. Aber das haben Sie, das hat Ihre Partei, Ihre Fraktion im Bundestag verhindert. Das ist doch Fakt an der Stelle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist, finde ich, eine Riesensauerei gewesen. Da hätten Sie an unserer Seite stehen und mit uns gemeinsam die Automobilindustrie in die richtige Richtung stoßen sollen.
Zu den Luftreinhalteplänen habe ich schon gesagt: Lassen Sie das die Bezirksregierungen mit den Kommunen zusammen machen.
Sie könnten aber dafür sorgen, dass wir in den betroffenen Städten und in unseren Städten überhaupt deutlich mehr Umstieg vom automobilen Verkehr zum automobilfreien Verkehr hinkriegen. Das wäre doch der Punkt, dass es endlich bei den Kurzstrecken, die immer noch mit dem Auto gefahren werden, zu einer Selbstverständlichkeit für uns alle wird, dass wir das zu Fuß machen, dass wir das mit dem Fahrrad machen, dass wir das mit Lastenrädern machen. Das wäre ein guter Beitrag, dafür zu sorgen, dass in den Städten die Radwege so gut ausgebaut sind, wie wir es vom Straßenverkehrsnetz für Autos gewohnt sind. Da könnten Sie etwas tun.
Das tun Sie aber nicht, im Gegenteil. Beim Ausbau der Radwege – das zeigt ein Blick in den aktuellen Haushaltsplan – passiert das Gegenteil.
(Zurufe von Henning Höne [FDP] und Rainer Deppe [CDU])
An der Stelle könnten Sie deutlich mehr machen.
Kommen Sie uns nicht immer mit dem Vorwurf, Sie hätten da ja jetzt so viel mehr gemacht als wir. Da muss man auch die unterschiedlichen Haushaltssituationen miteinander vergleichen.
(Zurufe von der FDP: Ah!)
Ich sage Ihnen noch einmal deutlich: Diesen Antrag hätte es wirklich nicht gebraucht, ein reiner Schaufensterantrag, den wir deshalb auch ablehnen werden. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rüße. – Schnell hat es die CDU-Fraktion geschafft, noch eine Kurzintervention anzumelden. Herr Deppe hat sich dafür zu Wort gemeldet. Sie können vom Platz aus sprechen oder nach vorne zu kommen. Herr Rüße hat die gleiche Gelegenheit, entweder vom Pult aus oder vom seinem Platz aus, zu antworten. Bitte schön, 1:30 Minuten.
Rainer Deppe (CDU): Lieber Herr Rüße, 2013 war hier ein Umweltminister Remmel am Werk, und unter dessen Verantwortung wurde der Luftreinhalteplan für die Stadt Düsseldorf erlassen. Dieser Luftreinhalteplan – ich habe es eben erwähnt – ist beklagt worden von der Deutschen Umwelthilfe – keine Organisation, die der CDU zuzurechnen ist. Sie haben den Prozess mit Baden-Württemberg zusammen bis zum Bundesverwaltungsgericht geführt. 2018 wurde die Klage verloren aufgrund Ihres Luftreinhalteplans, den Sie gemacht haben, weil Sie sonst keine anderen Maßnahmen ergriffen haben.
Alles, was Sie heute hier erzählt haben, ist Unsinn. Es hat noch keinen Landeshaushalt gegeben, in dem mehr Geld für den Radverkehr ausgegeben wurde als jetzt. Sie hätten vielleicht da etwas investieren können. Hendrik Wüst tut es. Wir sehen auch, dass immer mehr vom Pkw aufs Fahrrad und auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wo denn?)
– Das findet doch statt. Reden Sie doch mal mit den Busunternehmen! Reden Sie doch mal mit den Nahverkehrsunternehmen! Offenbar haben Sie inzwischen überhaupt keine Leute mehr, mit denen Sie reden. Die berichten uns doch davon, wie Ihre Angebote im Leihfahrradbereich angenommen werden,
(Beifall von der CDU und der FDP)
wie die Busse voll sind, wie immer mehr Leute mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren.
Vizepräsident Oliver Keymis: So, Herr Deppe, eine Minute dreißig Sekunden sind um.
Rainer Deppe (CDU): Das ist doch in unserer Zeit passiert und nicht in Ihrer. Sie haben nichts getan, weil Sie flächendeckende Fahrverbote wollten. Herr Rüße hat es hier noch einmal wiederholt.
(Beifall von der CDU und der FDP)
Vizepräsident Oliver Keymis: So, jetzt hat Herr Rüße Gelegenheit, zu reagieren. – Bitte schön, Herr Rüße.
Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Deppe, das kann ich vom Platz aus. Sie leben ein Stück weit in Ihrer eigenen Welt, wenn Sie davon reden, dass sich der ÖPNV-Verkehr permanent ausdehnt und ausweitet. Im Gegenteil: Wir haben große Probleme beim ÖPNV an der Stelle. Der ÖPNV ist eben nicht so strukturiert, dass er den Menschen tatsächlich ein wirklich gutes Angebot zum Umstieg macht. In dem Bereich ist noch eine Menge zu tun.
Für die Radwege gilt das Gleiche. Radschnellverkehrswege kriegen wir doch gar nicht hin. Das ist doch Quatsch, was Sie an der Stelle erzählen.
Und kommen Sie mir nicht immer damit, Sie würden so unendlich viel mehr machen. Sie haben extrem viel mehr Mittel, als wir in jedem Haushalt hatten. Sie kriegen es weder hin, in diesem Bereich vernünftig zu investieren, noch kriegen Sie es hin, Ihr Hauptversprechen, das Sie den Menschen im Land NRW gegeben haben, nämlich deutlich Schulden zu tilgen, einzuhalten. An der Stelle kriegen Sie gar nichts hin.
(Beifall von den GRÜNEN)
Von daher müssen wir uns den Schuh überhaupt nicht anziehen.
Herr Deppe, ich sage es Ihnen noch einmal: Was Sie hier heute als Antrag abgegeben haben, ist vollkommen überflüssig und in der Sache überhaupt nicht dienlich.
(Beifall von den GRÜNEN)

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