Norwich Rüße: „Ein Thema, das zeigt, dass politische Entscheidungen viele Interessen gegeneinander abwägen müssen.“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Zuckerproduktion

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist wieder ein Antrag bzw. ein Thema, das zeigt, dass politische Entscheidungen viele Interessen gegeneinander abwägen und miteinander austarieren müssen.

Insofern, lieber Kollege Schneider, bin ich etwas enttäuscht,

(Lachen von René Schneider [SPD])

dass die SPD ein Positionspapier der Zuckerindustrie eins zu eins übernimmt und diese Forderungen hier als Antrag stellt. Ich glaube nämlich, dass man sich die unterschiedlichen Facetten genau angucken muss.

Wir alle haben in den vergangenen 30 Jahren viel zusammen über Landwirtschaft und Energieerzeugung diskutiert und haben festgestellt, dass es in der Energieerzeugung, bei Biogas, Möglichkeiten gibt, dass es aber auch Grenzen gibt. Wir müssen sehr genau schauen, wo diese Grenzen liegen und warum es die Vorgaben gibt. Das müssen wir an der Stelle mitdiskutieren, da sich diese Vorgaben ja nicht irgendjemand aus Jux und Tollerei ausgedacht hat, vielmehr geht es im Prinzip um die Debatte „Teller, Trog, Tank“. Die Zuckerrübenschnitzel werden bisher schließlich in einem erheblichen Maße als wertvolle Futterstoffe eingesetzt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass sie nicht mehr als Futtermittel zur Verfügung stehen, wenn wir sie verbrennen.

Im Positionspapier heißt es, dass es nur um 2 % der gesamten eingesetzten Futtermittel gehe, das also nicht so schlimm sei. Allerdings muss man genau schauen, wo die Zuckerrübenschnitzel hingehen. Sie sind insbesondere in der Pferdehaltung als wertvolles Futtermittel sehr beliebt, weshalb man im Blick behalten muss, ob man so einer bestimmten Branche Futtermittel entzieht. Wollen wir das?

In welchem Umfang ist das möglich? Sind es zwei Drittel? Ein Drittel wird ja nicht als Futtermittel verwendet. Vielleicht verwendet man nur dieses eine Drittel. Ich finde es wichtig, dass wir die Debatte sehr differenziert führen.

Beim Wort „verbrennen“ werde ich immer hellhörig. Insgesamt wollen wir uns ja vom Verbrennen wegbewegen.

Die Biogasanlage erlaubt den Einsatz von Zuckerrübenschnitzeln. Man könnte die Zuckerrübenschnitzel also – teilweise wird für unsere landwirtschaftlichen Biogasanlagen händeringend nach Input gesucht – auch in Biogasanlagen verwerten und sie so nutzen.

Das liegt nun nicht im Interesse der Zuckerrübenindustrie, was ich sehr wohl verstehe. Es geht da um steuerliche Aspekte. Das ist okay. Trotzdem müssen wir nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich denken. Was ist im Gesamtinteresse der Gesellschaft der sinnvolle Weg, um die Zuckerrübenschnitzel zu verwerten?

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wenn es um Energie geht und darum, etwas für die Landwirtschaft zu tun, vergesse ich nicht so schnell. Ich war sehr traurig, als die Zuckerrübenfabrik in Warburg geschlossen wurde. Zuckerrüben kann man nämlich nicht unendlich weit transportieren. Diese Schließung hat einer ganzen Region geschadet, weil viele Zuckerrübenbauern aus der Produktion aussteigen mussten.

Daher frage ich die Zuckerindustrie, wie sie rechtfertigen kann, dass Zuckerrüben teilweise über enorme Distanzen transportiert werden müssen. Wenn die Zuckerindustrie es mit klimaneutraler Produktion und damit, ökologischer zu werden, ernst meint, hätte diese Schließung damals nicht passieren dürfen. Sie war eindeutig ein Fehler.

Der letzte Aspekt: Sind Zuckerrübenschnitzel nicht vielleicht viel zu schade zum Verbrennen und gegebenenfalls auch zu schade zum Verfüttern? Die Landwirtschaft der Zukunft wird für unsere Industrie im Grundstoffbereich Rohstoffe ohne Ende zur Verfügung stellen müssen. Da geht es um Stroh und vielleicht auch um Zuckerrübenschnitzel.

Daher kann das, worüber wir diskutieren, vielleicht eine kurze Übergangsphase sein. Das müssen wir im Ausschuss tiefergehend besprechen. Lieber Kollege, ich bin froh, dass der Antrag überwiesen wird, wir noch einmal gemeinsam diskutieren und das Für und Wider abwägen können. Das ist nämlich notwendig, wenn man am Ende eine gute und sinnvolle Entscheidung darüber, ob man diesen Weg mitgehen will oder sich dagegen entscheidet, fällen will. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)