Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Lebensmittelverschwendung“ bzw. „Lebensmittelabfälle“ bewegt uns alle und hat uns in der Tat auch in der Enquetekommission in der vergangenen Legislaturperiode bewegt.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihr Antrag eigentlich eine Replik auf unseren Antrag ist. Wir haben gesagt, wir wollen eine ganzheitliche Ernährungsstrategie, und wir haben fünf Punkte benannt, unter anderem „Bildung“, aber auch das Thema „Lebensmittelverschwendung“.
Entweder hätten wir Ihnen heute einen zehn- bis zwölfseitigen Antrag mit allen Facetten vorgelegt haben können – dann hätten Sie gesagt: „Wieso kommen Sie mit so einem elendig langen Antrag daher?“ –, oder wir umreißen die Punkte. Der Punkt „Lebensmittelverschwendung“ ist in dem Antrag hinreichend erwähnt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium sehr wohl dazu in der Lage sind, die Ergebnisse der Enquetekommission selbst zu lesen, und dass sie selbst viele Vorstellungen darüber haben, was man bei diesem Thema berücksichtigen muss. Das ist nämlich der Arbeitsauftrag an das Ministerium. Insofern hat sich Ihr Antrag fast ein Stück weit erledigt.
Allerdings ist es ohne Frage ein spannendes Thema. Sie haben die Zahlen benannt, Frau Blask. 78 Kilo sind schon eine Hausnummer. Der überwiegende Teil fällt tatsächlich im Haushalt an, also nicht in der Außer-Haus-Verpflegung und nicht bei den landwirtschaftlichen Erzeugern.
Wobei: Ab wann ist Lebensmittelabfall überhaupt Lebensmittelabfall? Darüber muss man auch sprechen. Alles, was beim Kartoffelroden schon vom Kartoffelroder aussortiert und überhaupt nicht geerntet wird, weil die Kartoffeln zu klein sind, und somit auf dem Acker bleibt, wird ja nicht mitgezählt.
Wieso ist es so, wie es ist? Das ist sicherlich eine Frage der Wertschätzung. Frau Winkelmann hat das auch gesagt. Wertschätzen wir unsere Lebensmittel genug? Oder sind wir den Überfluss so sehr gewohnt? Ist es so normal, zu sagen: „Ich hätte heute gerne wieder eine andere Marmelade und riskiere es, dass die vorgestern angebrochene Marmelade in den nächsten drei Tagen nicht gegessen wird und dann verschimmelt“? Jeder von uns muss sich, glaube ich, so ein bisschen an die eigene Nase fassen. Genau das ist die Frage der Wertschätzung von Lebensmitteln, dass man also tatsächlich sagt: Ich muss anders mit Lebensmitteln umgeht.
Ein Punkt ist auch das Mindesthaltbarkeitsdatum. Ich finde die Frage total spannend, wie wir mit Lebensmitteln umgehen sollten, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben. Wie viel Angst steckt dahinter?
Eine uns allen bekannte Konditorei aus Mönchengladbach hat auf ihre Verpackungen geschrieben, dass eine Ware zwar bis zu einem bestimmten Datum haltbar, aber ab diesem Zeitpunkt nicht sofort tödlich ist. Ich finde das total wichtig, weil dadurch so ein bisschen angedeutet wird, dass wir glauben, wenn das MHD überschritten ist, dann seien die Sachen am nächsten Tag nicht mehr zu verzehren.
Stattdessen sind, glaube ich, im Umgang mit Lebensmitteln gesunder Menschenverstand, eine gute Nase und ein gutes Auge sehr wichtig, sodass wir uns trauen, die Sachen auch noch zwei Wochen später zu essen. So ein Joghurt hält schon ein bisschen länger als bis zu dem Datum, das auf der Packung draufsteht.
Was mich aber wirklich ein bisschen stört: Wir werden uns in den nächsten Jahren alle zusammen darum kümmern, dass der Lebensmittelabfall reduziert wird, ja, aber zur Wahrheit gehört dazu, dass dies nur begrenzt möglich ist. Wir werden es vielleicht um 20 % reduzieren können, vielleicht auch um ein Drittel. Ich weiß nicht, was da möglich ist, aber ein erheblicher Teil wird bestehen bleiben.
Das eigentliche, echte Problem bei Lebensmittelabfällen ist doch – darüber finde ich in Ihrem Antrag auch nichts –, die Abfälle doch zumindest so zu nutzen, wie man sie noch nutzen könnte. Das wäre doch das Mindeste. Wir könnten sie doch energetisch nutzen. Diese Abfälle könnten in die Biogasanlage gehen.
Ich sehe es in der Statistik: Im Kreis Coesfeld wird das gemacht. Das ist der Kreis, der bei der Abfallverwertung am besten abschneidet. Fast alles landet dort in der Biotonne. Dann kann man es kompostieren und es in die Biogasanlage eintragen.
In unseren Großstädten – Herr Zimkeit, ich muss es leider erwähnen: Duisburg ist das schlechteste Beispiel – hat nicht einmal jeder zehnte Bürger die Möglichkeit, den Müll in einer Biotonne zu separieren.
(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])
Daran müssen wir noch arbeiten.
Wir leisten es uns, feuchten Abfall – Bananenschalen, Gurken, alles Mögliche mit einem hohen Wasseranteil – energetisch nicht zu nutzen, also Energie daraus zu ziehen. Nein, wir bringen es in die Müllverbrennungsanlage und setzen zusätzlich noch teures Erdgas ein, um diesen Müll dann zu verbrennen. Das ist ein Punkt, über den wir noch viel stärker diskutieren und bei dem wir noch viel mehr machen müssen. Dann hätten wir zumindest diese Fraktion so weit genutzt, wie wir sie nutzen könnten.
Der Antrag ist insgesamt ein Stück weit überflüssig.
Das Thema wird bei der Frage nach der Ernährungsstrategie mit aufgegriffen. Wir werden die Antworten aus dem Ministerium bekommen. Dann bin ich guter Hoffnung, dass die Lebensmittelabfälle hier in Nordrhein-Westfalen tatsächlich ein Stück weit reduziert werden können. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)