Norwich Rüße: „Die Verordnung ist gegen die Umwelt, wird aber gegen jede Expertenmeinung durchgeboxt“

Entwurf einer "Selbstüberwachungsverordnung Abwasser"

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein ganz besonderer Tag. Denn heute beschließen wir endgültig die Kai-Abruszat-Gedächtnisverordnung.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Dass man dies mit einem Namen verbinden kann, sagt schon so einiges aus, nämlich dass hier einer an einer Stelle so lange geprockelt und mithilfe einer BI vor Ort ganz viel Stunk gemacht hat, bis es funktioniert hat.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Sie – damit meine ich gerade die FDP – haben sich da draufgesetzt, weil Sie 2017 mit dem Thema in den Wahlkampf ziehen wollten. Das war der eigentliche Grund.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Diese Verordnung – das hat die Anhörung noch einmal sehr deutlich ergeben – wird jetzt gegen jeden Verstand und gegen die Expertise, die wir hatten – ich schließe Haus & Grund aus; ich bin nicht sicher, ob die wirklich viel Ahnung davon hatten –, zum Beispiel der Kölner Abwasserbetriebe – die werden schon wissen, was mit ihren Kanälen ist –, durchgesetzt. Sie setzen das gegen die kommunalen Spitzenverbände durch. Die sind nicht immer an der Seite der Grünen, aber sie haben zu dem, was Sie jetzt machen, glasklar und deutlich gesagt: Sie lösen endlich gefundene Rechtssicherheit auf und schaffen jetzt Rechtsunsicherheit. – Mehr Kritik kann man an der Stelle doch gar nicht bekommen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Also, Sie setzen ein Wahlkampfversprechen um. Das kann man tun, das kann man so machen, ja. Aber Sie haben sich damit aus unserer Sicht endgültig davon verabschiedet, ambitionierten Umweltschutz in Nordrhein-Westfalen betreiben zu wollen.
Worum ging es denn im Kern? Es ging darum, dass jemand verpflichtet werden sollte, alle 30 Jahre seinen privaten Kanalanschluss überprüfen zu lassen. Es motzt keiner rum, wenn der Schornsteinfeger zweimal im Jahr kommt. Das akzeptieren wir alle.
Mich erinnert das an meinen Streit mit Herrn Deppe über den Kormoran. Herr Deppe hat immer argumentiert: Die Rechte der Fische seht ihr nicht. Die wollt ihr gar nicht sehen, weil das unter der Wasseroberfläche passiert.
Hier ist es so: Sie werden dieses Risiko eingehen, weil es unterhalb des Erdbodens passiert. Es ist schön weit unten, und man sieht nicht wirklich, was da versickert. Das ist etwas, was ich Ihnen wirklich übel nehme.
(Bernd Krückel [CDU]: Gibt es einen Beleg von Ihnen?)
Wir hatten das Ganze damals aufgrund der Proteste auf Wasserschutzgebiete beschränkt, also auf Gebiete, wo aus unserer Sicht tatsächlich das Besorgnisprinzip gelten sollte. Es macht auch Sinn, wenigstens in diesen Gebieten so vorzugehen. Es gab in der Anhörung Stimmen, die deutlich gesagt haben: Wir sind dafür, das zu machen. Dann muss man es aber aus Gerechtigkeitsgründen landesweit machen. – Darüber könnte man diskutieren. Aber es ganz abzuschaffen, finde ich absolut kläglich, gerade angesichts der Debatten, die wir über Waser, Wasserschutz und die zunehmende Knappheit von Wasser, die wir wahrnehmen, führen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Angesichts der Phasen von Trockenheit und Dürre, die jetzt herrschen, müsste doch allen klar sein, was der Wasserschutz wert ist.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mein Eindruck ist, dass der Wasserschutz Sie nicht wirklich interessiert. Das haben Sie auch dadurch bestätigt, dass Sie im Entwurf zum Landeswassergesetz, den wir jetzt vorgelegt bekommen haben, sogar bereit sind – und das passt zu dem, was Sie hier machen –, in den Wasserschutzzonen wieder Abgrabungen zu erlauben. Sie fallen hinter den Zustand zurück, der bereits unter Schwarz-Gelb herrschte. Auch das ist eine große Enttäuschung für uns. Damit erweisen Sie dem Wasserschutz in NRW einen Bärendienst.
Sie haben immer wieder argumentiert, man könne nicht 100%ig nachweisen, dass diese Funktionsprüfung funktioniert.
(Zuruf von der FDP: Es gibt gar keinen Nachweis!)
– Ja, genau.
Wir sind eindeutig der Meinung, dass wir uns hier im Umweltrecht befinden, und im Umweltrecht sollte das Vorsorgeprinzip einen besonders hohen Stellenwert haben. Man sollte eben nicht – und das tun Sie leider – nachsorgend und somit erst dann handeln, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sondern man sollte präventiv handeln. Man sollte rechtzeitig handeln, und das tun Sie nicht.
Wer das Vorsorgeprinzip nicht zur Grundlage seiner Umweltpolitik macht – und das haben Sie wieder einmal eindrucksvoll belegt –, der hat aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion ein falsches Verständnis von Umweltschutz. Hier schließe ich Sie, Frau Ministerin Heinen-Esser, ausdrücklich ein.
Die Anhörung war so dermaßen eindeutig, dass ich mich an Ihrer Stelle tatsächlich schämen würde,
(Zurufe von der FDP: Oh! – Weitere Zurufe von der FDP)
das heute so durchzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ihre Einschränkung auf die sogenannten begründeten Verdachtsfälle ist in der Anhörung in der Luft zerrissen worden. Dass das alles nicht funktioniert, hat man Ihnen dort sehr deutlich gesagt. Was Sie heute beschließen wollen, ist Teil 1 Ihres Offenbarungseides zum Wasserschutz. Teil 2 werden wir dann erleben, wenn wir über das neue Landeswassergesetz diskutieren. Auch darin steckt so einiges.
Ihre Verordnung lehnen wir in vollem Umfang ab, denn Sie ist falsch. Sie ist gegen die Umwelt, wird aber gegen jede Expertenmeinung durchgeboxt. Eine solche Umweltpolitik lehnen wir ab. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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