Norwich Rüße: „Die Bäuerinnen und Bauern machen im Moment keinen Gewinn“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Ernährungswirtschaft

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin und mein Vorredner von CDU und FDP haben auf „mein-ei.nrw“ hingewiesen. Ich wollte natürlich wissen, was da genau passiert, ob das die Lösung ist.

Wir haben es dann in der Fraktion ausprobiert.

Wir haben geguckt, was passiert, wenn man das eingibt. Man kann es googeln. Dann wird man auf die Webseite weitergeleitet, und da ist das blanke Nichts: Diese Webseite ist nicht verfügbar. Das zeigt zumindest: Wir müssen noch erheblich an der regionalen Vermarktung in NRW arbeiten.

Grundsätzlich begrüßen wir den Antrag von CDU und FDP, er ist grundsätzlich richtig. Aber wir fragen uns zugleich, wieso Sie diesen Antrag so kurz vor Ende der Legislatur einreichen.

(Markus Diekhoff [FDP]: Das ist doch gar nicht das Ende! Wir arbeiten doch noch!)

– Das ist ja nun kein neues Thema, Herr Diekhoff. Das ist ja nicht gerade vor einer Woche bei Ihnen auf den Teller gefallen, sondern ich kann mich gut daran erinnern, dass Bärbel Höhn viel dazu gemacht hat. Das ist 20 Jahre her.

(Markus Diekhoff [FDP]: Ja!)

Ich muss leider an die Phase 2005 bis 2010 erinnern. Frau Watermann-Krass war da im Landtag; sie wird sich gut daran erinnern. Da haben sich Ihre Fraktionen eher darum gekümmert, dass die Schwellenwerte nach oben gesetzt worden sind, um die Schweinestallbauten zu erleichtern.

Auch in dieser Legislatur war die erste Agrarministerin nicht so besonders dabei, die regionale Vermarktung zu stärken. Ich freue mich, dass es jetzt, so glaube ich, ein Stück weit anders ist.

(Zuruf von Lorenz Deutsch [FDP])

Vielleicht ist das jetzt auch das Eingeständnis – und das können wir doch alle zusammen festhalten –: Wir brauchen andere Vermarktungswege. – Das ist doch völlig klar. Wenn ich 1,20 Euro bis 1,25 Euro für ein Kilogramm Schweinefleisch sehe, frage ich mich: Wer soll denn dafür produzieren?

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Das kann ja keiner. Das zeigt auch noch mal deutlich, worum es gehen muss. Es muss darum gehen, die Wertschöpfung tatsächlich wieder ein Stück weit in die Landwirtschaft zu integrieren.

Es ist doch so: Die Landwirte produzieren etwas. Bis es den Hof verlässt, hat es irgendwie keinen Wert, aber sobald es in andere Hände kommt, fängt die Wertschöpfung an. Dann wird ein Produkt daraus gemacht, das tatsächlich Gewinn ermöglicht. Die Landwirte, die Bäuerinnen und Bauern machen im Moment keinen Gewinn.

Ich will an der Stelle auch noch mal sagen; Es gibt immer die Gegenüberstellung „Weltmarkt – Wochenmarkt“. Tatsächlich ist das eine Fragestellung, die uns seit 20 Jahren bewegt: Wohin muss sich Landwirtschaft entwickeln? Wo ist mehr Wertschöpfung möglich?

Ich finde, wir können auch miteinander einfach mal sagen: Ja, am Weltmarkt ist vielleicht etwas mit Spezialitäten wie dem Westfälischen Knochenschinken möglich. Warum soll man das dann nicht nach China exportieren? Warum nicht?

Aber mit einem reinen Rohstoff können wir das, glaube ich, knicken. Das funktioniert nicht.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, es gibt den Wunsch der Kollegin Winkelmann nach einer Zwischenfrage.

Norwich Rüße (GRÜNE): Immer.

Präsident André Kuper: Denn man tau!

Bianca Winkelmann (CDU): Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wir waren gerade etwas irritiert. Sie sagten, unter „mein-ei.nrw“ gäbe es keine Seite, da würde man nichts finden. Ich versuche das jetzt mal hochzuhalten.

(Bianca Winkelmann [CDU] hält einen Laptop in Richtung des Redepults.)

Das ist eine Homepage, die ganz wunderbar aufgebaut ist. Sie enthält Erklärungen, was die Kennzeichnungspflicht von Eiern angeht, Rezepte und alle möglichen Mitgliederhinweise.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich sage Ihnen noch mal kurz die Adresse: mein-ei.nrw.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, jetzt die Frage.

Bianca Winkelmann (CDU): Auf der Homepage findet man ganz viele Informationen. Ist Ihnen das bekannt?

Norwich Rüße (GRÜNE): Es ist jetzt natürlich schwierig für mich, Frau Winkelmann, auf Ihre Frage zu antworten, weil Sie keine gestellt haben. Aber ich bedanke mich für den Hinweis.

(Beifall und Zurufe von der SPD)

Ich habe es eben ausprobiert und bin nicht auf die Seite gekommen. Eintippen konnte ich sie auch nicht.

(Weitere Zurufe)

Der Punkt ist aber, glaube ich, ein anderer. Es ist doch schön, wenn wir uns jetzt einig sind, dass 18 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Haustür tatsächlich ein spannender Markt sind, dass wir uns darum kümmern und ihn bearbeiten müssen, um dort mit Produkten Wertschöpfung zu erzielen. Aber wir haben in den letzten 20 Jahren jede Menge an Verarbeitern, an Kleinschlachtern, die wir bräuchten, um regional agieren zu können, verloren. Das ist doch eine entscheidende Frage. Wo nehmen wir die denn her? Wo kriegen wir die her?

Ich frage mich bei Ihnen auch, wenn es um regionale Vermarktung geht: Was genau meinen Sie? Wir diskutieren ja im Ausschuss, aber Sie lassen das wirklich verdammt offen.

(Annette Watermann-Krass [SPD]: Ja!)

Sie sagen, es geht um die Vermarktung regionaler Produkte, es geht um regionale Vermarktung. Was genau ist ein regionales Produkt? Sie schreiben: Das ist etwas, was in NRW erzeugt wurde und/oder hergestellt wurde. – Man weiß gar nicht genau, was Sie an der Stelle meinen. Was soll das genau sein?

Ich stelle die Frage an Sie: Ist ein Schinken, der aus Schweinen hergestellt wird, die in Niedersachsen gemästet wurden, noch ein NRW-Produkt, oder ist das kein NRW-Produkt?

Gehen wir noch ein Stück weiter: Was ist mit einem landwirtschaftlichen Betrieb in Westfalen – das ist ja nicht so selten –, der Soja aus Übersee zukauft, der Roggen aus der Ukraine als Futter kauft und der die Ferkel mit 30 kg Gewicht aus Dänemark bezieht? Dann sind die Tiere zwar eine gewisse Zeit auf dem Hof, aber wie regional ist das Ganze dann? Darüber müssen wir uns doch mal unterhalten.

Sie wollen den Begriff „Qualität“ definieren. Das will ich auch. Dann müssen wir das auch zusammen tun, denn sonst werden die Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende kein Vertrauen in die regionale Vermarktung haben. Ich glaube, wir müssen gemeinsam daran arbeiten, wie das genau aussehen soll und wie man es umsetzen kann.

Mein Hinweis ist: Ich denke, wir müssen uns intensiv um die öffentlichen Kantinen und Mensen kümmern, denn das ist der Haupteinsatzort, an dem wir Lebensmittel aus der Region absetzen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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