Norwich Rüße: „Die Auflösung der Stabsstelle durch Schwarz-Gelb war ausschließlich politisch motiviert und zu keiner Zeit inhaltlich begründet“

Zum Teil- und Schlussbericht des PUA II (Hackerangriff/Stabsstelle)

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Mangen, Sie haben recht: In der Tat lebt man anscheinend in verschiedenen Welten. Das muss ich wirklich sagen, nachdem ich Sie gerade gehört habe. Man kann ja in Nuancen auch zu verschiedenen Bewertungen kommen. Aber das, was Sie hier vorgetragen haben, entspricht einfach nicht den Tatsachen. Es ist einfach falsch.

Ich habe an den Sitzungen des Untersuchungsausschusses teilgenommen und dort auch eine Menge Fragen gestellt. Mein Eindruck war ein ganz anderer. Ich schildere Ihnen einmal meinen ersten Eindruck.

Mein erster Eindruck war: Diese Stabsstelle war bei den Staatsanwaltschaften sehr unbeliebt. Bei der Polizei war sie aber sehr beliebt. Die Zusammenarbeit in Richtung Polizei war so gut und so intensiv, dass dort tatsächlich ein großes Bedauern vorherrschte, als man die Stabsstelle gestrichen hat.

So, wie Sie beide, Herr Frieling und Herr Mangen, gerade hier vorgetragen haben, ist das Ganze – dieser PUA, und dann auch noch mit dem unrühmlichen Abschlussbericht – am Ende ein Beispiel dafür, wie man als Landesregierung und als regierungstragende Fraktionen mit Wahrheit umgehen kann und wie man seine Macht ausnutzen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Ausschussvorsitzende hat Ihnen gerade auch ein paar gute Worte dazu gesagt, dass sich Mehrheitsverhältnisse schnell ändern. CDU und FDP wissen ja auch, wie es ist, in der Opposition zu sein. Man sollte die Rechte von Oppositionen, von Minderheiten, auch immer achten, weil man schnell genug selbst wieder in dieser Situation sein kann.

Eines bleibt auf alle Fälle kritikwürdig. Man kann als neue Landesregierung jedes Ministerium umbauen. Man kann versuchen, Dinge zu verbessern. Das ist ja legitim. Das würde jeder von uns so machen. Aber die Geschwindigkeit, mit der das damals erfolgte, hat gezeigt – das ist im Untersuchungsausschuss deutlich geworden; auch das Gutachten, das Frau Heinen-Esser in Auftrag gegeben hat, hat das am Ende belegt –, dass es eben nicht eine wohlüberlegte Neuorganisation war. Vielmehr war es völlig überhastet. Die Stabsstelle sollte aufgelöst werden. Danach hat man dann mal geguckt: Wie sortieren wir es denn jetzt neu? – Das ist planlos.

An der Stelle entsteht dann auch erst einmal eine Lücke. Diese Lücke haben wir auch bei den Vernehmungen der Zeugen bestätigt bekommen. Darauf haben Sie selbst hingewiesen, Herr Mangen. Acht Monate später meldet sich da jemand und fragt, weil er das nicht so recht weiß: Sind Sie noch mein Ansprechpartner? – Das belegt ja genau diese zeitliche Lücke. Im eigenen Haus war den Mitarbeitern teilweise nicht klar: Bin ich jetzt zuständig? – Dann gibt es Nachfragen per E-Mail: Ist das jetzt meine Aufgabe? – Das findet auch eine deutliche Zeit später statt, nachdem die Stabsstelle längst aufgelöst war.

Als Hauptkritik bleibt erst einmal stehen, dass diese Umorganisation rein politisch motiviert war und nicht – dann wäre es okay gewesen – zum Ziel hatte, die Verfolgung von Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Wäre dies das Ziel gewesen, wäre es ja gut gewesen. Aber das war nicht das Ziel. Das Ziel war: Dieses Höhn’sche Erbe – so nenne ich es einmal – musste weg. – Das war rein politisch motiviert. Eckhard Uhlenberg hat die Stabsstelle damals noch belassen. Aber irgendetwas hat da gestört. Deshalb musste man dann eben so vorgehen und hat das auch getan.

Das ist enttäuschend. Denn damit hat man einen wichtigen Akteur weggenommen. Rot-Grün hätte in der Tat – das ist ein Stück weit Selbstkritik – diese Stabsstelle personell verstärken müssen. Das hätte vielleicht Eckhard Uhlenberg schon machen müssen. Das hätten wir in unserer Zeit tun müssen.

Aber das begründet nicht, dass man das Konstrukt zerschlägt. Denn die Konstruktion – das hat auch das Gutachten belegt – hat viele Vorteile. So eine Stabsstelle kann ganz anders agieren, als wenn man das Ganze in die Linie einsortiert. Sie haben das zwar so dargestellt, als wäre es von Vorteil. Ich glaube aber, dass es nicht von Vorteil ist.

Es ist vor allem nicht von Vorteil, wenn es um Vernetzungsarbeit geht. Denn diese hat danach kaum noch stattgefunden.

Es ist auch nicht von Vorteil, wenn man die Arbeit – auch das hat sich ja gezeigt – einfach anderen noch zusätzlich auflegt, die das nebenbei irgendwie auch noch machen sollen. Das funktioniert nicht.

Die Neuorganisation hat nicht funktioniert. Ich gebe zu, dass die Stabsstelle bei der Bekämpfung von Umweltkriminalität kein Gigant war. Das kann sie mit zwei Mitarbeitern auch gar nicht sein. Aber sie war ein wichtiger Baustein. Und wenn sie gar nicht mehr da ist, ist die Bekämpfung der Umweltkriminalität geschwächt.

Es ist schon interessant – das hat man gesehen, wenn man in die Akten geschaut hat –, dass die Stabsstelle bei den Fällen „Shell“ und „Envio“ sehr wohl gestochert hat, auch angepikst hat und angetrieben hat, damit etwas passiert.

Dass diese Stabsstelle nicht wie eine Staatsanwaltschaft gearbeitet hat, ist doch völlig klar. Das kann sie nicht. Aber sie hat sehr wohl Impulse gegeben, sodass Staatsanwaltschaften weiter etwas verfolgt haben.

Ich habe das Gutachten erwähnt. Das war ja eigentlich auch ein besonderes Ärgernis für unseren Untersuchungsausschuss. Nein, das Gutachten war gut, Frau Ministerin. Das ist keine Frage. Aber der Umgang mit dem Gutachten – es dauerte ja, bis wir es dann mal gehabt haben – war schon alles andere als glücklich, finde ich. Es hat uns ja auch bis heute, bis zum Abschlussbericht, geärgert, dass es so stark geschwärzt worden ist – aus meiner Sicht weit über das hinaus, was zum Schutz von persönlichen Rechten notwendig gewesen wäre.

Wir haben erlebt, dass die Landesregierung … Nachdem die Stabsstelle aufgelöst wurde, hat ja insbesondere ein WDR-Kollegen nachgebohrt: Warum ist das überhaupt passiert? – Er hat sich dann auch die Akten genau angesehen. Daraufhin ist das Ganze in Bewegung geraten. Dann gab es hier die Fragestunde im Plenum. Wir können uns daran noch gut erinnern. Dann hat man nämlich in Wirklichkeit – das hat auch der PUA ergeben – noch einmal genau darüber nachgedacht: Warum haben wir das eigentlich gemacht? – Man hat sich dann im Nachhinein die Begründungen zusammengesucht. Diese Begründungen haben in der Tat auch nicht überzeugen können.

Alles in allem kann man festhalten – auch zum Umgang mit dem Entwurf des Abschlussberichts des Vorsitzenden –: Sie haben sich hier als CDU und FDP Ihre eigene Wahrheit gebastelt. Ich würde auch so weit gehen, zu sagen, dass das, was Sie gemacht haben, ein Stück weit Machtmissbrauch war.

Für uns bleibt Fakt: Die Auflösung der Stabsstelle durch Schwarz-Gelb war erstens ausschließlich politisch motiviert und zu keiner Zeit inhaltlich begründet.

Die Auflösung der Stabsstelle hat zum Zweiten die Bekämpfung der Umweltkriminalität nicht gestärkt. Das wäre aber dringend nötig. Dieser Bereich von Kriminalität ist massiv und nicht zu unterschätzen. Da müssen wir in Zukunft deutlich mehr tun.

Drittens – das finde ich auch noch einmal wichtig –: Ich habe eben die Fragestunde erwähnt. Die damalige Ministerin hat die Öffentlichkeit und das Parlament in der Angelegenheit massiv getäuscht. Wenn sie nicht zurückgetreten wäre, müsste sie es spätestens heute tun, nachdem wir den Abschlussbericht und das Sondervotum vorliegen haben.

Fakt bleibt auch: Die Bekämpfung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen muss nach dem 15. Mai wieder auf eine solide Basis gestellt werden. – Genau das werden wir Grüne hoffentlich in der nächsten Legislaturperiode tun können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)