Norwich Rüße: „Die Ablehnung der Volksinitiative Artenvielfalt in dieser schnöden Art und Weise spiegelt sich auch in diesem Gesetzentwurf wider“

Zum Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP für Naturschutzgesetz - zweite Lesung

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Diekhoff, ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie selbst glauben, was Sie uns da gerade vorgetragen haben.

Ich finde es unredlich, Bundesländer miteinander zu vergleichen, die man so nicht vergleichen kann. Es passt nicht, das dichtbesiedelste Flächenland Nordrhein-Westfalen mit seinen besonderen Problemen mit Bayern zu vergleichen. So funktioniert es einfach nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es macht auch keinen Spaß, auf dem Niveau zu diskutieren. Aber so ist die FDP.

(Markus Diekhoff [FDP]: Oh! Das musste doch wohl nicht sein!)

– Das müssen Sie sich jetzt anhören.

Bei der Debatte zum Kiesabbau heute Morgen haben wir ja schon Ihren Minister erlebt. Wir haben alle miteinander ganz klar vor Augen geführt bekommen, was wirklich zählt, und das ist Ihre Entfesselungspolitik,

(Markus Diekhoff [FDP]: Bezahlbarer Wohnraum!)

Ihr „Im Zweifelsfall hat die Wirtschaft Vorrang“, und Umwelt- und Naturschutz haben hintenanzustehen. Das ist der entscheidende Punkt.

(Zuruf von der FDP: Und Windräder! – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Bezahlbar wie im Ahrtal? Das ist wieder dieses Scheuklappendenken! Man, man, man!)

Genauso sind Sie mit dem Landesnaturschutzgesetz umgegangen. Was mich schon ein Stück weit ärgert, ist, dass es nicht in die Zeit passt.

Im Jahr 2017 haben Sie den Koalitionsvertrag beschlossen. Okay. Aber man darf unterwegs dazulernen. Dass Sie das nicht getan haben, dass Sie all die Probleme, die wir im Bereich Artenvielfalt in der Zwischenzeit entdeckt haben, nicht angegangen sind, dass Sie Ihren eigenen Kongress, der auf den Rheinterrassen mit guten Beiträgen stattgefunden hat, nicht ernst genommen haben und stattdessen an diesem Landesnaturschutzgesetz so herumoperiert und nicht wirklich für den Naturschutz etwas gemacht haben, zeigt, dass Ihnen das nicht so wichtig ist. Ihr wichtigstes Ziel war ja, unter dem Mantra „Bürokratieabbau/Entfesselung“ die Fristverkürzung. Das war für Sie das Allerwichtigste. Das haben Sie gemacht. Damit haben Sie dem Ehrenamt im Naturschutz vor den Kopf gestoßen.

Dann führen wir hier Anhörungen durch. Sie bekommen Zuschriften genauso wie wir Zuschriften von den Naturschutzbeiräten bekommen haben, die sehr eindrücklich geschildert haben, dass es in den Fristen so nicht zu schaffen ist, dass die Unterlagen so umfangreich sind – die werden ja nicht weniger –, dass es einfach eine Überforderung ist.

Sie machen damit eines: In dem Bereich sind ungefähr 1.500 Menschen tätig, die zutiefst verärgert und frustriert sind, und am Ende dient es noch nicht mal dem Bürokratieabbau. Am Ende werden wir demnächst häufigere Sitzungen erleben, damit man die Fristen irgendwie wahren kann. Das kommt dabei heraus. Ich bin gespannt darauf – Sie haben ja alle einen Draht zu den Kreisverwaltungen –, wie die zuständigen Behörden das finden. Denn jede Sitzung, die Sie als Verwaltung vorbereiten müssen, ist mit Zeit- und Personalaufwand verbunden. Das muss alles gemacht werden. Eine Begeisterung für Ihre neue Regelung habe ich an der Stelle nicht hören können.

Die Ablehnung der Volksinitiative Artenvielfalt in dieser schnöden Art und Weise,

(Bianca Winkelmann [CDU]: Keine schnöde Art und Weise!)

wie Sie mit den Naturschützern umgegangen sind, spiegelt sich auch in diesem Gesetzentwurf wider. Aus meiner Sicht kann man damit so nicht umgehen.

Herr Nolten hat eben aus der Anhörung berichtet. Ich habe die Anhörung etwas anders wahrgenommen als Sie. Ich habe da viel Frust gehört.

(Rainer Deppe [CDU]: Selektiv!)

Es ist vielleicht auch der Gang der Dinge, dass wir es unterschiedlich wahrnehmen. Aber das, was Sie als ausgewogen dargestellt haben, kann ich nicht bestätigen. Die Seite der Nutzer war durchaus relativ zufrieden, wobei die Landwirtschaftsverbände die Eins-zu-eins-Kompensation auch nicht so wirklich mittragen, weil sie auch nicht daran glauben, dass es wirklich funktioniert.

Herr Nolten, Sie haben einen positiven Punkt erwähnt, und zwar die Frage des Straßenbegleitgrüns. Ja, das ist positiv. Aber das ist doch im Rahmen eines Landesnaturschutzgesetzes insgesamt in der Summe viel zu wenig.

Ich finde, bei der Frage des Eins-zu-eins-Ausgleichs versprechen Sie jetzt etwas, was Sie überhaupt nicht werden einhalten können. Sie werden an der Bundeskompensationsverordnung scheitern. Das ist doch ärgerlich, wenn man in ein Gesetz etwas hineinschreibt, was man sich wünscht, aber heute schon weiß, dass es nie so kommen wird.

Am meisten ärgert mich aber, dass Sie sich für das Kataster so loben. Dieses Kataster gab es bereits. Sie haben es im Jahr 2017 nicht in Funktion treten lassen. Sie hätten es einfach übernehmen können; es hätte schon fünf Jahr lang laufen können. Stattdessen haben Sie es blockiert. Das ist nie in Kraft gesetzt worden. Sie haben es blockiert, und heute loben Sie sich dafür, dass Sie erstmals ein Kataster einführen. Das ist an der Stelle unredlich. So macht man es nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Frage – das ist damit eng verbunden –, wie man Naturschutz in Nordrhein-Westfalen voranbringt, geht einher mit der Personalentwicklung und damit, wie die Unteren Naturschutzbehörden ausgestattet sind. An der Stelle haben Sie in den letzten fünf Jahren aus meiner Sicht wenig geleistet. Sie haben viele Themen auf die Landwirtschaftskammer verlagert, Sie haben die Biologischen Stationen null gestärkt,

(Bianca Winkelmann [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

und da wird man in Zukunft erheblich nachbessern müssen.

Ihr Gesetz springt deutlich zu kurz, und deshalb lehnen wir es ab.

(Beifall von den GRÜNEN und René Schneider [SPD])

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