Norwich Rüße: „Den Weg wollen wir perspektivisch gemeinsam beschreiten“

Zum Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Landwirtschaft"

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist schon eine Menge zu dem Thema gesagt worden. Immer dann, wenn man etwas sehr einstimmig miteinander bespricht, kann es auch fast ein bisschen langweilig werden. Es fällt mir somit einigermaßen schwer, an dieser Stelle wieder Spannung aufzubauen.

Andererseits hat mich das aber auch sehr gefreut. Der Kollege Ralf Nolten hat gerade gesagt, dass er nicht erwartet hat, dass wir am Ende einen Bericht so konsensual erstellen. Ich habe das auch nicht erwartet.

Daher möchte ich mich als Allererstes bei all denen bedanken, die dazu beigetragen haben, dass wir, obwohl wir miteinander in der Sache durchaus auch gestritten und viel diskutiert haben, am Ende eigentlich immer einen Weg gefunden haben, das Ganze dennoch zusammenzubinden und zu sagen: Lasst uns alle noch kleine Zugeständnisse machen. Eigentlich wollen wir doch im Kern dasselbe. In Wirklichkeit liegen wir ja gar nicht so weit auseinander.

Für mich ist der eigentliche Gewinn dieser Enquetekommission, dass wir bei diesem sehr emotionalen Thema – ich mache bei den emotionalen Diskussionen immer gerne mit; denn es ist ein wichtiges politisches Thema – trotzdem miteinander gesagt haben: Wir wissen, wie die Richtung sein muss. Wir haben eine Vorstellung davon, wohin wir mit unserer Landwirtschaft und unserer Ernährung kommen wollen. Den Weg dahin wollen wir perspektivisch auch gemeinsam beschreiten.

Es ist gut, dass es hier im Landtag vier Fraktionen gibt, die auch bereit sind, nach dem 15. Mai die Ergebnisse der Enquetekommission umzusetzen. Vielleicht gilt das nicht für jede einzelne Fraktion bei jedem einzelnen Punkt; wir alle gewichten unterschiedlich. Aber ich glaube schon, dass wir an vielen Punkten sehr viel Übereinstimmung hatten. Das ist ein absoluter Gewinn.

Wir haben das Thema sehr ernst genommen. Auch mit der Auswahl der Sachverständigen haben wir einen wirklich guten Griff getan. Durch sie ist viel Sachverstand aus sehr unterschiedlichen Richtungen eingebracht worden. Ich meine, das hat uns allen gutgetan. Jeder konnte sich vor Augen führen, dass es auch etwas anders gesehen werden kann, als man es selbst sieht.

So entwickelt man auch ein Verständnis dafür, wie unterschiedlich man Landwirtschaft betrachten kann. Als Landschaftsökologe wie unser Sachverständiger, Herr Professor Buttschardt, hat man eben einen anderen Blick als als ehemaliger Bauernpräsident wie Herr Born, der eine etwas andere Sichtweise eingebracht hat. Trotzdem hat es am Ende immer einen guten Kompromiss gegeben.

Wenn wir diesen Bericht in den kommenden Jahren nach und nach umsetzen, werden wir dadurch auch in der Lage sein, hier in Nordrhein-Westfalen eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu entwickeln.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Was ebenfalls schon von dem einen oder der anderen hier angesprochen wurde, ist die Frage stabiler Versorgungsketten vor Ort und in der Region. In den vergangenen Wochen ist uns sehr deutlich vor Augen geführt worden, welchen Wert es hat, sich zu großen Teilen selbst ernähren zu können.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir alle können sicherlich mal ein Jahr lang auf Kaffee verzichten. Das würden wir schaffen – ich zumindest.

(Henning Höne [FDP]: Herausforderung der Grünen! – Heiterkeit)

Was wir aber nicht schaffen, ist, ein Jahr lang ohne Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Brot auszukommen. Bei diesen Grundnahrungsmitteln sind wir in der Pflicht, auch in Zukunft eine gesicherte Versorgung herzustellen. Das muss ganz klar sein. Dafür brauchen wir eine starke heimische Lebensmittelproduktion.

Ich will an dieser Stelle aber auch sagen, dass diese Krise, der Ukraine-Krieg, sich gleichzeitig mit anderen Krisen abspielt. Die Krise der Artenvielfalt und die Klimakrise sind deshalb ja nicht beendet. Es ist ebenfalls ein Wert dieser Enquetekommission, dass wir dies auch so festgestellt haben und sagen: Wir tragen das als gemeinsame Basis.

Wie auch immer jeder Einzelne kurzfristige Ereignisse bewertet – das werden wir in der Aktuellen Stunde sehen –: Wir werden dafür eintreten, dass wir diese anderen Krisen weiterhin im Blick haben und lösen müssen. Ich habe im Plenum schon oft über den Verlust der Artenvielfalt gesprochen und verdeutlicht, welche Dynamik und welches Ausmaß das angenommen hat. Es ist auch unsere zukünftige Aufgabe, dies so aufzulösen, dass Landwirtschaft in Zukunft einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten kann und nicht in Konkurrenz zu Natur und Artenvielfalt steht.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Das hinzubekommen, ist ein Ausbalancieren der landwirtschaftlichen Produktion, auch in ihrer Intensität, bei gleichzeitiger Rücksichtnahme auf Umwelt und Natur. Darum geht es. Es geht darum, wieder zu einem möglichst großen Gleichgewicht zu kommen.

Wenn wir das in den nächsten Jahren hinbekommen – ich finde, dass diese Enquetekommission mit ihren Handlungsempfehlungen viele Hinweise geliefert hat –, dann sind wir einen großen Schritt weiter.

So wird außerdem die Frage bezüglich der Wertschätzung gelöst, welche die Bäuerinnen und Bauern erwarten. Sie wurde schon ein paarmal angesprochen. Wertschätzung äußert sich in zwei Dingen, denke ich.

Erstens muss ich für das, was ich tue, anständig bezahlt werden. Das ist das A und O. Wenn ich für meine Produkte nicht ordentlich bezahlt werde, fühle ich mich nicht wertgeschätzt. In einer Marktwirtschaft und im Kapitalismus ist das einfach so. Das ist auch zu Recht so. Wenn ich für einen erzeugten Liter Milch nur 25 Cent bekomme, passt das vorne und hinten nicht. In unseren Handlungsempfehlungen finden sich einige Vorschläge dazu, wie wir es über regionale Vermarktung erreichen wollen, höhere Preise umzusetzen.

Zweitens. Wenn wir es hinbekommen, dieses Gleichgewicht herzustellen, wird auch die Wertschätzung größer werden. Denn damit wird das Dilemma „Landwirtschaft gegen Naturschutz“ aufgebrochen. Auch dann kommen wir einen großen Schritt weiter.

Viele Punkte, die wir in den nächsten Monaten und Jahren umzusetzen haben, sind von meinen Vorrednern und meiner Vorrednerin angesprochen worden. Für uns Grüne sind Ernährung, Ernährungspolitik und regionale Vermarktung ganz wichtige Fragen. Hier geht es auch darum, in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen und Kitas einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Herr Haupt, Sie haben eben sehr schön die Anonymität des Lebensmittelmarkts beschrieben, die zu Entfremdung führt. Dies ein Stück weit zurückzudrehen und die Verbindung von uns Verbraucherinnen und Verbrauchern zu dem, wo es ursprünglich herkommt, wiederherzustellen, ist ein Wert an sich. Weil das wichtig ist, werde ich es auch zukünftig in meine Reden aufnehmen.

Ich glaube, dass regionale Vermarktung und Ernährung in Kitas, Mensen usw. vor allem für die Natur gut sind, weil wir dann eine sehr vielfältige Produktion in den Regionen haben. Dieser Aspekt ist außerdem gut, weil er Landwirtschaft und Gesellschaft deutlich näher zueinander bringt.

Wir haben so viele Handlungsempfehlungen erarbeitet, ob zu den Schlachthöfen oder zu dem Umbau von Ställen. Diese Frage beschäftigt uns ja auch: Wie kann das so ablaufen, dass es nicht noch zu zusätzlichen Umweltbelastungen kommt, sondern dass der Umbau so funktioniert, dass tatsächlich alle zufriedengestellt werden können und nicht gleich der nächste Streit ausgelöst wird?

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Zum Schluss möchte ich mich noch bei allen bedanken. Mir hat diese Enquetekommission sehr viel Spaß gemacht. Herr Dr. Nolten, Sie sitzen mir gegenüber. Aber ich möchte auch Frau Watermann-Krass erwähnen, für die es mir wirklich leidtut, dass sie heute nicht dabei sein kann. Ich finde, dass wir eine gute und schöne Arbeit gemacht haben,

(Das Ende der Redezeit wird erneut signalisiert.)

die uns allen Spaß gemacht hat. Vielen Dank dafür. Dann geht es jetzt ans gemeinsame Umsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)