Norwich Rüße: „Auch die von Ihnen als neue Züchtungsmethode bezeichnete neue Gentechnik ist Gentechnik“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu "Pflanzenzüchtungsmethoden"

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich für den Antrag bedanken, weil wir damit in eine Debatte kommen, die notwendig und richtig ist.
(Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es wirklich gut ist, dass wir diese Diskussion getrennt von der Enquetekommission führen, in der diese Frage sicherlich auch noch einmal Thema sein wird. Wir werden uns in der Enquetekommission zur Zukunft der Landwirtschaft natürlich überlegen müssen, ob das ein Baustein ist. Dem greifen wir mit diesem Antrag ein Stück weit vor. Aber das können wir gerne machen.
Es hat mich ein bisschen überrascht – ich zitiere Sie, Herr Diekhoff –, dass Sie davon sprachen, dieses neue Instrument könne ganz präzise und ganz gezielt Veränderungen hervorrufen. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir Grüne diese Ansicht nicht ganz teilen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Diese Annahme ist richtig!)
Wir erkennen sehr wohl, dass es erste Bewertungen gibt, dass dieses Instrument die ihm am Anfang bescheinigte Präzision nicht hat. Das ist auch schon ein Indiz dafür, dass die Entwicklung noch lange nicht an ihrem Ende angekommen ist. Deshalb müssen wir gemeinsam sehr genau hinschauen, was diese Methode am Ende wirklich kann und worin möglicherweise auch Risiken bestehen.
Den in Ihrem Antrag formulierten Optimismus, dass man quasi alle Probleme, die im Zuge des Klimawandels auf uns zukommen werden oder damit zu tun haben, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, damit lösen könne, teilen wir nicht. Aber das wird Sie sicher nicht überraschen.
An dieser Stelle hilft ein Blick zurück zur klassischen Gentechnik. Auch in dieser Hinsicht war die FDP immer ganz offen und die CDU eigentlich auch. Betrachtet man die letzten drei Jahrzehnte einmal rückblickend, kann man aber festhalten, dass die europäische Landwirtschaft nichts dadurch verloren hat, dass sie an dieser Technologie weitestgehend nicht teilgenommen hat.
Wir unterhalten uns oft darüber, welche Märkte unsere Landwirte in Zukunft bedienen sollen. Ein Aspekt betrifft die Frage von Gentechnikfreiheit auf dem heimischen Markt. Unsere Molkereien machen das. Natürlich ist dies eine Chance, sich gegenüber Importware abzugrenzen. Daher müssen wir uns auch gut überlegen, inwieweit wir so etwas aufgeben wollen.
Denn eines ist für uns Grüne klar: Sie können noch hundertmal sagen, es handele sich um neue Züchtungsmethoden. Wenn ein Instrument „Genschere“ heißt, ist doch klar, dass es Gentechnik ist. Dann sollte man es auch „Gentechnik“ nennen. Wir können darüber diskutieren, ob das gefährlich ist oder nicht. Man sollte jedoch nicht versuchen, das irgendwie wegzuschwurbeln, indem man es umbenennt.
(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Hoch lebe die Ideologie! – Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
Eine weitere Frage ist: Wie garantieren wir in Zukunft die Koexistenz? Viele Bäuerinnen und Bauern wollen gentechnikfrei wirtschaften. Das sind längst nicht nur Ökobetriebe.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Deswegen brauchen Sie ja auch den Begriff! Deswegen müssen Sie krampfhaft an dem Begriff festhalten!)
Viele konventionelle Betriebe und Vermarktungsprogramme tun das auch. Ich habe die Molkereien als Beispiel angeführt.
Wie gehen wir mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern um, die zu über 90 % – dieser Wert ist stabil – immer wieder sagen, dass sie gentechnikfreie Lebensmittel auf ihren Tellern haben wollen? Wie gehen wir damit um? Wie ermöglichen wir das in Zukunft?
Ich sage noch einmal: Dieser Punkt wird im Wettbewerb zukünftig wichtig sein. Das ist eine Chance für unsere Bäuerinnen und Bauern, und das sollten wir nicht außer Acht lassen.
Wenn wir uns mit der Technik beschäftigen, ist es meiner Meinung nach aber auch wichtig, dass wir parallel zur Erforschung der Möglichkeiten auch immer hinterfragen, wo die Risiken bestehen.
Gestern gab es die Antwort auf die Anfrage der grünen Bundestagsfraktion, wohin die Forschungsgelder in diesem Bereich fließen. Es kann doch nicht richtig sein, dass 27 Millionen Euro in die Forschung zur Ermöglichung von CRISPR/Cas fließen, aber nur 2 Millionen Euro in den Bereich, in dem man sich mit möglichen Risiken beschäftigt.
(Dr. Ralf Nolten [CDU]: Das ist doch nicht eine Frage der Summe!)
An dieser Stelle schließe ich mich Herrn Stinka ein Stück weit an. Man muss diese Debatte ehrlich führen und intensiv hinterfragen, ob es Risiken gibt und, wenn ja, worin diese möglicherweise bestehen. Dann muss man das auch entsprechend ausfinanzieren.
Die Unternehmen, die diese Technologie betreiben wollen, werden sich natürlich um die Frage kümmern – das ist auch deren gutes Recht –: Wie nutzen wir es? Wie entwickeln wir es voran?
Der Staat hat die Aufgabe, diesen eher unangenehmen Part auszufinanzieren. Wenn dann die Mittel so ungleichmäßig verteilt werden, ist das eine Schieflage, die nicht richtig ist. Diese Schieflage wird genau das zur Folge haben, was Herr Stinka gesagt hat, nämlich, dass es an dieser Stelle Misstrauen geben wird. Deshalb sollten wir gemeinsam für eine hinreichende Finanzierung in diesem Bereich sorgen.
(Zuruf von Markus Diekhoff [FDP])
In Bezug auf die Risiken möchte ich noch einen bestimmten Punkt ansprechen. Die sogenannten Gene Drives gehören zur Wahrheit dazu. Damit besteht die Möglichkeit, tief in die Natur einzugreifen. Der große Traum ist ja, Malaria zu bekämpfen, indem man die Mücke mittels Gene Drives auslöscht. Wir müssen uns gut überlegen, ob es der richtige Weg ist, solche tiefgreifenden Eingriffe in die Natur vorzunehmen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Dr. Peill. Wollen Sie sie zulassen?
Norwich Rüße (GRÜNE): Immer. Gerne.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist sehr freundlich von Ihnen. – Bitte schön, Frau Dr. Peill.
Dr. Patricia Peill (CDU): Vielen Dank, Herr Rüße, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Dass Sie Gene Drives ansprechen würden, hatte ich mir schon gedacht. Schließlich wird das auch in dem Papier Ihrer Bundestagsfraktion thematisiert.
Können Sie mir einmal den Unterschied zwischen CRISPR/Cas9, das wir in unserem Antrag beschrieben haben, und den Gene Drives erklären, die Sie gerade damit gleichsetzen?
Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Dr. Peill, ich glaube, Sie machen hier den Fehler, dass Sie versuchen, CRISPR/Cas9 auf die Anwendung in der Züchtung von neuen Weizensorten usw. zu begrenzen. Bei Ihnen geht es eigentlich immer um Pflanzenzüchtung. Aber diese Methode kann man sehr wohl auch anwenden, um sogenannte Gene Drives hervorzurufen. Das heißt: Genau das, was Sie in der Züchtung von Nutzpflanzen machen wollen, können Sie mit dieser Methode auch in der Natur machen.
Darum geht es an dieser Stelle. Deshalb sind wir als Grüne der Meinung: Wir müssen das ausführlich miteinander diskutieren und können es nicht so eng begrenzen.
(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])
Ich sage abschließend noch einmal: Auch die von Ihnen als neue Züchtungsmethode bezeichnete neue Gentechnik ist Gentechnik. Daher muss sie auch im Gesamtkontext von Gentechnik bewertet werden.
(Markus Diekhoff [FDP]: Züchtung ist auch Gentechnik!)
Anschließend müssen wir gemeinsam entscheiden, ob das okay ist oder nicht. Das können wir dann tun. Es ist gut, dass wir die Möglichkeit haben, hier im Ausschuss weiter über diesen Antrag zu diskutieren. Wir Grüne würden eine Anhörung dazu im Ausschuss, vielleicht gemeinsam mit anderen Ausschüssen, in der Tat sehr befürworten. Am Ende werden wir dann gemeinsam entscheiden, was richtig ist. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)