Norwich Rüße: „Am Ende muss hier stärker das Verursacherprinzip greifen.“

Antrag von CDU und FDP zu Wirtschaftswegen

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr Antrag zu den Wirtschaftswegen im ländlichen Raum greift in der Tat ein Problem auf, das in allen ländlichen Kommunen intensiv diskutiert wird. Von daher finde ich es erst einmal gut, dass wir hier darüber debattieren.
Gemein ist allen ländlichen Kommunen, dass in der Diskussion der Zustand der Wirtschaftswege als erschreckend, als sehr schlecht bezeichnet wird.
Wichtig ist aus unserer Sicht, dass man dabei zwei Problemkreise klar voneinander trennt, auf der einen Seite die fehlenden Mittel für die Unterhaltung und auf der anderen Seite die deutlich veränderte Belastung der Wege, die auch zu neuen Ansprüchen führt.
Wir stellen seit Jahren eine klare Unterfinanzierung in der Unterhaltung fest. Ich möchte ein Beispiel dafür anführen. Das ist Telgte im Münsterland. Telgte hat 220 km Wirtschaftswege. Die Stadt gibt an, dass sie etwa eine halbe Million jährlich einsetzen müsste, um diese Wege zu unterhalten. Es werden aber nur 100.000 € dafür angesetzt.
Um auch noch einmal auf die Grundsteuer A zu sprechen zu kommen: Die Möglichkeiten, hier wirklich noch erhebliche Mittel dafür vielleicht zu rekrutieren, sind begrenzt. Denn in Telgte wären es nur 100.000 € im Jahr, die gerade dafür zur Verfügung stehen. Das entspricht dem, was man im Moment einsetzt, was aber viel zu wenig ist.
Das zeigt ganz eindeutig, es reicht nicht aus. Die Mittel sind zu gering. Aber das ist ja nur der Bereich fehlende Unterhaltungsmittel für das, was da ist. Das viel größere Problem, das wir haben, ist, dass es einen Ausbau geben muss, dass es Veränderungen im Wirtschaftswegenetz geben muss.
Wir hören immer wieder die Klagen – das haben wir eben auch von den verschiedenen Rednern gehört –, dass die Wirtschaftswege veränderten Ansprüchen genügen müssen, dass die Maschinen größer geworden sind, dass sie vor allem schneller und schwerer geworden sind. In der Tat: Gebaut worden sind die Wege für 5-Tonnen-Fahrzeuge. Befahren werden sie heute von 40-Tonnen-Fahrzeugen.
Wir hören auch oft, das sei ja nicht so schlimm. Denn die Reifen seien ja Niederdruckreifen. Die Belastung wäre dadurch gar nicht so viel höher geworden. Wenn man aber mal hinter so einem Fahrzeug fährt, hinter einem Güllefass, und mal guckt, wo denn die Räder laufen, dann muss man aber feststellen: Die laufen eben nicht mehr auf dem Weg, sondern sie laufen zur Hälfte auf dem Weg und zur Hälfte auf den Banketten. Die Straßen brechen ab. Das ist ein ernstes Problem.
Ganz wichtig – darauf will ich noch mal deutlich hinweisen – ist aus meiner Sicht die veränderte Art, wie Landwirtschaft heute betrieben wird. Wir haben eine erhebliche Zunahme an Lkw-Verkehr auf den Wirtschaftswegen. Landwirtschaft sei ein Transportgewerbe wider Willen. Das hat man Anfang des 20. Jahrhunderts mal gesagt. Das hat ein Agrarwissenschaftler damals so festgestellt. 100 Jahre später können wir sagen: So ist es. Heute werden unglaubliche Massen an Futtermitteln, an Tieren, an Gülle, an Düngemitteln hin- und hertransportiert.
Ich will eine Zahl nennen. 56.000 t Mischfutter werden jeden Tag in Deutschland von Hühnern, Schweinen, Bullen und Kühen gefressen. Wenn man das in Lastkraftwagen umrechnet, heißt das, dass 2.500 Lkw jeden Tag in Deutschland einen Bauernhof anfahren müssen, um diese Versorgung mit Mischfutter bereitzustellen.
Das Entscheidende ist: Diese Lkw wiegen 40 t. Wenn sie aus den Niederlanden kommen, wiegen sie noch 10 t mehr. – Ganz entscheidend ist: Der Reifendruck bei Lkw-Reifen beträgt bis zu 10 bar. Dort wirken ganz andere Kräfte. Dieser Problematik muss man sich annehmen.
Es gibt noch ein ganz großes Problem, das uns auch betrifft. Wir haben natürlich eine starke regionale Belastung. Dort, wo wir intensive Landwirtschaft haben, wo wir viel Viehhaltung haben, wo auch viele Biogasanlagen sind, gibt es mehr Transporte als in anderen Regionen. Deshalb hören wir auch besonders starke Klagen aus diesen Räumen.
Die Frage ist am Ende: Wie geht es weiter? – Wir glauben, dass der vorgeschlagene Weg, dass das Land massiv mit Mitteln eingreifen soll, unterstützend tätig sein soll, nicht sinnvoll ist. Konzepte zu unterstützen, Wegkonzepte zu erstellen, das halten wir für richtig. Das ist bereits dargestellt worden.
Aber noch mal: Mit ELER-Mitteln hier hineinzugehen, halten wir für nicht sinnvoll. Die Straßen sind in den 60er- und 70er-Jahren bereits einmal mit öffentlichen Mitteln stark gefördert worden. Am Ende muss hier stärker das Verursacherprinzip greifen. Ich glaube, es ist genauso wie bei Autobahnen und anderen Straßen dringend notwendig, dass sich in den Transportkosten unserer Güter ein ehrlicher Kostenanteil für die Straßenerhaltung wiederfindet. Das gilt für alle Straßen.
Darüber würde ich gerne, wenn wir dann im Ausschuss diskutieren, mit Ihnen gemeinsam eine ehrliche Debatte führen. Wie muss man die Kosten verteilen? Wer muss sie am Ende tragen? Ich glaube, dass wir da im Moment ein bisschen unterschiedlicher Meinung sind, aber vielleicht nähern wir uns da ja an. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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