Norwich Rüße: „Alles in allem habe ich den Eindruck, Sie stellen diesen Antrag, weil der Wahlkampf kommt“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur LEADER-Förderung

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das letzte Mal, als wir hier einen Antrag zu LEADER hatten – das war vor zweieinhalb Jahren, im Jahre 2018 –, haben wir das als Grüne sehr begrüßt. Wir haben den Antrag ja auch mitgetragen. Das kann ich diesmal in der Form nicht wieder machen.

Denn ich will deutlich sagen: 2018 haben Sie einen Antrag gestellt, in dem Sie vor allem darauf abzielten, es sei zu viel Bürokratie da, die abgebaut werden müsse; das gehe so nicht, weil die Regionen mit der Antragstellung überfordert seien. Jetzt machen Sie eigentlich genau das Gleiche; das ist ja wieder der Kern des Antrags.

Da frage ich mich schon: Was soll dieser Antrag? Ist er im Wesentlichen eine Gelbe Karte für Ihre Umweltministerin, dass sie zweieinhalb Jahre lang nicht genug gemacht hat?

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ey! Ey!)

Reicht Ihnen das nicht? So verstehe ich den Antrag. Eigentlich brauchen wir ihn in dieser Form nicht. Das kann ich wirklich nicht verstehen. Denn Sie sagen damit: Frau Ministerin, Sie haben uns damals anscheinend nicht richtig verstanden. Sie haben zweieinhalb Jahre lang nicht genug gemacht. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht erledigt.

Dass wir uns einig sind, dass LEADER ein gutes Programm ist, steht, glaube ich, außer Frage. Deshalb ist es auch schön, wenn wir hier noch einmal reden und alle noch einmal ein Bekenntnis zu LEADER abgeben.

Ich finde es auch immer gut, sich noch einmal daran zu erinnern, wer sich eigentlich früher wie zu LEADER positioniert hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir da die Debatten geführt haben. Gerade aus Ihren Reihen der CDU wurde LEADER nämlich immer total kritisch gesehen und als Diebstahl von Bauerngeldern bezeichnet. Da wurde gesagt: Das kommt doch aus der ersten Säule. Das ist den Bauern ja weggenommen worden. Dann packt ihr das in die zweite Säule – gerade den SPD-Kollegen wurde das immer vorgeworfen – und macht damit irgendwelche Dorfverschönerungen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Herr Kollege Rüße, dass ich Sie unterbreche.

Norwich Rüße (GRÜNE): Es ist ja gut, dass wir jetzt einer Meinung sind, dass LEADER sinnvoll ist. – Ja.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage bei Frau Dr. Peill.

Norwich Rüße (GRÜNE): Gerne. Ja, natürlich.

Dr. Patricia Peill (CDU): Danke, Frau Präsidentin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Herr Rüße, wir stellen hier einen Antrag zu einem laufenden Programm und gehen da einer Verbesserung nach, die die LEADER-Manager uns mitgegeben haben. Jetzt geht es um einen Antrag für die nächste Förderperiode, also eine neue Periode, in der die Karten neu gemischt werden. Sagen Sie, dass das etwas ist, was man nicht hätte tun sollen? Sagen Sie, dass man es in der neuen Periode genauso lassen sollte, wie es in der alten war? Sagen Sie also, dass es keine Verbesserung für die neue Periode von LEADER geben soll?

Norwich Rüße (GRÜNE): Nein, Frau Peill. Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich erwarte, dass das, was Sie 2018 schon angemahnt haben – nämlich, dass LEADER in der Beantragung und Umsetzung zu bürokratisch ist; das haben wir auch unterstützt –, bearbeitet wird und dann selbstverständlich in die nächste Förderperiode übertragen wird.

(Bianca Winkelmann [CDU]: Das sagt der Antrag!)

Wenn Sie diesen Antrag so stellen, zeigt das, dass bislang anscheinend nicht genug passiert ist – wenn das Ihre Auffassung ist.

Ich frage mich allerdings – dazu komme ich gleich noch einmal –, ob man dann nicht einmal hingucken muss: Was passiert denn bei VITAL.NRW, und was passiert bei LEADER? Wo sind denn die Unterschiede in der Bearbeitung der Anträge?

VITAL.NRW ist ein reines Landesprogramm. Da können wir bestimmen, wie zu beantragen ist, also wie wir es durchführen. Da wäre einmal interessant und spannend … Ich hätte es ja besser gefunden, Sie hätten erst einmal einen Bericht im Ausschuss angefordert, und wir hätten darüber diskutiert, ob es denn wirklich einfacher geht. Dann hätten wir ja mit dem Ministerium zusammen schauen können: Läuft es bei VITAL.NRW so viel anders als bei LEADER?

(Bianca Winkelmann [CDU]: Stimmen Sie dem Antrag einfach zu!)

– Hören Sie mir erst einmal zu. – Ich habe nämlich einen Verdacht. Ich habe einmal in die VITAL.NRW-Durchführungsbestimmungen hineingeschaut. Ganz so einfach ist es nämlich nicht, auch im landeseigenen Programm nicht.

Es ist einfach so. Solche Programme stellen einfach bestimmte Anforderungen. Das LEADER-Programm stellt die eben auch. Wir müssen mal gemeinsam gucken, ob die so viel höher sind. Ich glaube das nicht.

Ich will aber auch noch einmal sagen – ich habe das gerade schon gesagt –: 2007 in der vorletzten LEADER-Periode haben Sie damals gestartet mit zwölf LEADER-Regionen und 25 Millionen. Wir haben es dann aufgestockt unter Minister Remmel: 28 LEADER-Regionen, 75 Millionen plus noch mal 15 Millionen für die VITAL.NRW-Regionen, 90 Millionen in der Summe.

Jetzt sagen Sie in Ihrem Antrag, Sie wollen darum kämpfen, dass das irgendwie so bleibt. Das ist mir ein bisschen zu wenig.

Ich finde, wir sollten endlich dazu kommen, dass das, was wir aufgebaut haben, nämlich von einem Flickenteppich 2007 zu immerhin schon einmal wirklich sichtbar etwas in NRW … Aber da gibt es noch so einen Korridor durch NRW zwischen Münsterland und Sauerland. Dazwischen, wo sehr wenig passiert, und auch in Ostwestfalen, wo wir noch einmal wieder LEADER-Regionen quasi reaktivieren müssten, da müssen wir uns doch dafür einsetzen, dass es wieder mehr wird,

(Bianca Winkelmann [CDU]: Genau!)

und nicht noch auf die Idee kommen, zu sagen: Wir wollen, dass die VITAL.NRW-Regionen auch noch LEADER-Regionen werden.

Dann sagen Sie, die Mittel sollen so bleiben, wie sie sind. Nein, wenn Sie das wollen, müssen die Mittel deutlich mehr werden.

(Dr. Patricia Peill [CDU]: Schauen Sie doch mal in den Antrag!)

– Nein, das sagen Sie so nicht. Das sagen Sie so nicht. Sie sagen, die Mittel sollen so bleiben, wie sie sind. Sie sagen aber, die VITAL.NRW-Regionen sollen mehr werden.

(Zuruf von Dr. Patricia Peill [CDU])

Alles in allem habe ich den Eindruck, Sie stellen diesen Antrag, weil der Wahlkampf kommt. Sie wollen sozusagen eine saubere Aktenlage: Wir haben uns ja noch einmal dafür eingesetzt, die Bürokratie abzubauen. – Das ist ja immer gut, wenn man das tut.

In Wirklichkeit geben Sie mit dem Antrag zu: Sie haben es nicht geschafft. – Ich finde es auch nachvollziehbar, dass Sie es nicht geschafft haben. Ich habe es Ihnen damals schon gesagt: Ich bin gespannt, was Sie tatsächlich umgesetzt kriegen vom Bürokratieabbau, den Sie bei LEADER wollen.

Ich habe Ihnen damals auch schon gesagt: Ich glaube nicht, dass Sie da viel schaffen werden, weil die Bestimmungen so sind, wie sie halt sind. Diese Vereinfachung hat einfach ihre Grenzen.

Es gibt Regionalmanager. Die sind auch genau dafür zuständig. Wenn die gute Arbeit machen, dann helfen die in den Regionen auch, dass die einzelnen Projekte vernünftig beantragt und durchgeführt werden können.

Von daher: Weil ich Ihren Antrag wirklich als Wahlkampfantrag ansehe – er ist nicht falsch –, werden wir uns diesmal enthalten. Diesmal werden wir ihm nicht zustimmen. Aber dagegen zu stimmen, Frau Winkelmann, macht keinen Sinn.

(Bianca Winkelmann [CDU]: Gut!)

Aber notwendig wäre dieser Antrag wirklich nicht gewesen.

(Dr. Patricia Peill [CDU]: Doch!)

Ich bin ja jemand, der die Dinge auch gerne im Ausschuss diskutiert. Was mich richtig ärgert, ist, dass Anträge zu so einem Thema zur direkten Abstimmung gestellt werden. So ein Thema gehört in den Ausschuss. Wir haben den ELER-Begleitausschuss. Da machen wir das ja auch. Aber so etwas gehört auch in den Umweltausschuss.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dann diskutieren wir es da mal. Hier direkt abzustimmen, …

(Zuruf von Dr. Patricia Peill [CDU])

Norwich Rüße (GRÜNE): … dann nach Hause zu gehen und zu sagen: „Super, wir haben uns für LEADER eingesetzt“, finde ich falsch.

Deshalb kriegen Sie von uns diesmal nur eine Enthaltung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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