Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das die FDP-Fraktion mit ihrem Antrag auf die Tagesordnung gesetzt hat, beschäftigt tatsächlich viele Menschen in diesem Land. Doch mit Blick auf den vorliegenden Antrag müssen wir feststellen: Nicht jedes Thema, das öffentlich diskutiert wird, eignet sich automatisch für einen Plenarantrag im Landtag NRW.
Denn weder steht in NRW eines der Kernkraftwerke, um deren Laufzeitverlängerung es bei der Diskussion geht, noch liegt die inhaltliche Zuständigkeit für einen Streckbetreib oder eine Laufzeitverlängerung bei der Landesregierung NRW, sondern ausschließlich bei der Bundesregierung, die sich mit diesem Thema seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine beschäftigt.
Wir müssen also konstatieren, dass wir es hier mit einem relativ durchsichtigen Versuch der FDP zu tun haben, trotz fehlender Zuständigkeit eine bundespolitische Debatte nach NRW zu tragen.
NRW ist nicht mehr betroffen, seit das AKW in Würgassen im Kreis Höxter im Jahr 1994 stillgelegt wurde – übrigens wegen Haarrissen im Reaktorkern. Und auch das AKW in Hamm-Uentrop produziert schon lange keinen Strom mehr. Nach gerade einmal 423 Tagen wurde der Betrieb beendet. In Jülich wurde schon ein Jahr vorher der Stecker gezogen. Der nächstgelegene Reaktor, der noch läuft, steht im belgischen Tihange und verbreitet von dort aus Furcht und Schrecken in NRW.
Wenn Sie, werte Damen und Herren der FDP, darüber hinaus weitere Nachhilfestunden in Geschichte, Geografie oder vor allem über die immense Gefahr haben wollen,
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
die schon viel zu lange von dieser Hochrisikotechnologie ausgeht, können Sie gerne in meinem Büro einen Termin vereinbaren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dieses Angebot gilt ausdrücklich nicht für die AfD. Sie wollen den Streckbetrieb bis ins Jahr 2034 laufen lassen, die Kernkraftwerke Grundremmingen, Grohnde und Brokdorf exhumieren und sogar neue AKW bauen. Gegen derart rückwärtsgewandte Gedanken und Rederundumschläge helfen allerdings weder Nachhilfestunden noch Jodtabletten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aus unserer Sicht ist der Antrag der FDP hier im Landtag NRW nicht nur fehlplatziert, sondern auch inhaltlich weitgehend obsolet. Kollege Dr. Heinisch nannte vorhin in seiner ersten Rede hier im Haus den Antrag der FDP auf die Aktuelle Stunde mit Recht blass und durchschaubar, und ich bin ganz bei meinem Grünenkollegen Herrn Michael Röls, der vorhin sagte: Hier sucht offenbar noch jemand seine Rolle in der Opposition. – Denn wir erwarten bereits in den nächsten Tagen das Ergebnis des vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Stresstests der Stromversorgung durch die Übertragungsnetzbetreiber.
Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verweisen zu Recht darauf, dass die Ergebnisse dieses Stresstests abzuwarten sind, bevor verantwortliche Entscheidungen getroffen werden können. Gleichlautend haben sich im Übrigen auch Ministerpräsident Wüst und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur geäußert.
Es ist schon interessant, mit welchem Selbstbewusstsein Sie als FDP-Landtagsfraktion meinen, die Lage am Strommarkt besser einschätzen zu können als die Übertragungsnetzbetreiber, deren originäre Aufgabe eine sichere Stromversorgung ist. Ich jedenfalls warte gerne auf die Ergebnisse des Stresstests und schaue dann sehr gespannt nach Berlin, zu welchen Schlussfolgerungen die Verantwortlichen in der Bundesregierung kommen werden.
Erheiternd beim Lesen des Antrags fand ich, dass eine der diversen Quellen, die Sie zitieren, Ihre Position nicht stützt, sondern ihr klar widerspricht. So heißt es in der von Ihnen verlinkten Pressemitteilung zu einer Studie von Energy Brainpool:
„,In der drohenden Gas-Krise auf längere Atomlaufzeiten als Gegenmittel zu setzen wäre nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein‘, kritisiert Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy. ,Aufwand, Kosten und Risiken einer Laufzeitverlängerung stehen in keinem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen.‘“
Gerade hier hat Ihr Antrag blinde Flecken. Die Risiken eines Weiterbetriebes werden mit Verweis auf ein TÜV-Kurzgutachten einfach weggewischt, obwohl längst klar ist, dass dieses keine adäquate Entscheidungsgrundlage darstellen kann. In diesem Sinne: Gedulden wir uns doch noch einige Tage und schauen dann, was aus der Sicht der Übertragungsnetzbetreiber notwendig ist. Anschließend sollten wir die Optionen, die wir haben, unter Würdigung aller damit verbundenen Vorteile und vor allem Risiken sorgsam gegeneinander abwägen. Wir werden Ihren Antrag demzufolge ablehnen.
(Beifall von den GRÜNEN)31