Norika Creuzmann: „Kinder sind Grundrechtsträger“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Kinderschutz

Portrait Norika Creuzmann

Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Kinder sind Grundrechtsträger. Sie haben ein Recht auf Schutz, auf Förderung, auf Beteiligung und darauf, dass wir als Politik und Gesellschaft ihre Bedürfnisse und Lebenslagen ernst nehmen.

Wir als Grüne setzen uns seit Jahren dafür ein, dass Kinderschutz nicht als Randthema behandelt wird, sondern als zentrale politische Aufgabe. Ja, dafür braucht es Struktur, Haltung und Mut zur Veränderung. Deshalb sollten wir es wohl begrüßen, dass die SPD mit ihrem Antrag den Kinderschutz erneut ins Zentrum parlamentarischer Aufmerksamkeit rückt. Denn die Intention ist ja richtig: ressortübergreifende Zusammenarbeit verbessern, Wissen bündeln, Handlungsfähigkeit stärken. – Aber gleichzeitig müssen wir uns auch ehrlich fragen: Was hilft den Kindern in unserem Land denn am meisten? Noch ein neues Lagebild oder konkrete sichtbare Veränderungen im Alltag?

Denn die Herausforderungen im Kinderschutz sind nicht neu. Wir wissen, dass die Zusammenarbeit zwischen Behörden oft lückenhaft ist, wir wissen, dass Hinweise auf Kindeswohlgefährdung nicht immer konsequent verfolgt werden, und wir wissen, dass viele Kinder durch das Raster fallen, weil niemand genau hinschaut oder weil sich niemand zuständig fühlt.

Gerade deshalb war die Einführung des unabhängigen Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte ein wichtiger und richtiger Schritt. Er soll genau das leisten, was jetzt nötig ist: kinderschutzpolitische Entwicklungen sichtbar machen, ressortübergreifend agieren, Lücken benennen, Betroffene verteidigen und Missstände öffentlich machen.

Ein neues landesweites Lagebild darf diesen Prozess nicht duplizieren oder verzögern. Es kann sinnvoll sein, aber nur dann, wenn es in bestehende Strukturen klug eingebunden wird, wenn es Erkenntnisse konkretisiert, statt nur zusammenzutragen, und wenn es in konkrete Maßnahmen mündet.

Wir wollen, dass Kinder spürbar besser geschützt werden – in der Schule, in der Kita, in der Pflegefamilie, aber auch im Netz. Dazu gehört auch, dass Kinder selbst beteiligt werden, dass ihre Perspektive gehört und ernst genommen wird – nicht nur bei Schutzkonzepten, sondern grundsätzlich. Beteiligung ist kein Luxus, sie ist demokratische Notwendigkeit, gerade im Kinderschutz.

Wir müssen endlich begreifen, Kinderschutz ist nicht die Aufgabe einzelner Jugendämter. Es ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Ressorts betrifft, von der Bildung über Gesundheit bis zur Justiz. Und wir brauchen Strukturen, die dieser Realität gerecht werden.

Daher sagen wir: Der SPD-Antrag enthält sinnvolle Punkte, aber er hat auch Fragen aufgeworfen: Was bewirkt ein Lagebild bei einem Problem, wenn das Dunkelfeld so groß ist? Was meinen Sie in Ihrem Antrag, wenn Sie von einer Aufklärungskommission sprechen? Wenn Sie die Aufarbeitungskommission, genau gesagt, die Landeskommission zur Etablierung von Standards zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche meinen: Konterkarieren Sie dann nicht deren Arbeit, wenn der damals hier im Plenum von den demokratischen Fraktionen beschlossene Antrag bereits bestimmte Aufträge der Kommission erteilt hat?

Aus unserer Sicht steht der Fokus auf einem neuen Lagebild in einem fragwürdigen Verhältnis zum eigentlichen Ziel, nämlich dem Schutz der Kinder selbst. Wir sollten jetzt alles daransetzen, die neuen Strukturen, die wir mit den Beauftragten geschaffen haben, mit Leben zu füllen, sie wirksam und verbindlich zu gestalten und dabei immer wieder auf die Perspektive der Kinder selbst zu hören.

Der Kinderschutz steht auf vielen Füßen. Prävention ist ein Baustein, die Sensibilisierung ist ebenso wichtig. Ob ein aktuelles Lagebild wirklich ein wichtiger Beitrag für einen besseren Kinderschutz ist, davon bin ich nicht zu 100 % überzeugt. Aber lassen Sie uns das gemeinsam im Fachausschuss diskutieren. Wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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