Norika Creuzmann: „Einmal mehr kennen die Liberalen von allem den Preis, aber von nichts den Wert“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Nationalparken

Portrait Norika Creuzmann

Norika Creuzmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schneider, ich rede hier heute, weil ich seit vielen, vielen Jahren für den Nationalpark streite, für den Nationalpark stehe. Ich habe mit der SPD eine lange Geschichte, was den Nationalpark angeht, und ich möchte Sie daran erinnern, warum wir 2014 keinen Nationalpark gekriegt haben, an welcher Partei das gescheitert ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der vorliegende Antrag der FDP ist mal wieder ein Lehrstück dafür, wie man Naturschutz nicht machen sollte. Sie können oder Sie wollen nicht verstehen, dass der wertvollste Wald der ist, den wir nicht nutzen. Wald wird für die Artenvielfalt erst richtig kostbar, wenn man ihm die Chance gibt, die natürlichen Zerfallsphasen zu erreichen.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich muss Sie unterbrechen. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der SPD.

Norika Creuzmann (GRÜNE): Ja, gerne.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Jetzt meldet sich der Richtige!)

Präsident André Kuper: Bitte.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Vielen Dank, Frau Creuzmann, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Damit Sie klar darstellen können, an wem der Nationalpark seinerzeit gescheitert ist: Würden Sie mir recht geben, dass es die entscheidende Abstimmung im Landesverband Lippe war, als eine konservative Mehrheit gegen Rot-Grün entschieden hat

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

und damit die CDU die Entscheidung getroffen hat, dass wir keine Mehrheit für einen Nationalpark bekommen?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist doch feige! Das ist ja erbärmlich! – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich habe da gestanden und Plakate hochgehalten! – Weitere Zurufe)

Norika Creuzmann (GRÜNE): Ich kann dazu sagen …

(Unruhe – Glocke)

Präsident André Kuper: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie alle bitten, den Lärmpegel etwas herunterzufahren, damit die Kollegin Creuzmann weitersprechen kann.

(Unruhe)

Sollte jetzt keine Ruhe eintreten, unterbreche ich die Sitzung.

(Unruhe – Dr. Günther Bergmann [CDU]: Hallo! Da vorne ist die Rednerin! – Marc Lürbke [FDP]: Auf das Protokoll bin ich gespannt!)

Werte Kolleginnen und Kollegen,

(Unruhe – Glocke)

hören Sie bitte der Rednerin hier vorne zu. Dann können wir unsere Sitzung fortsetzen.

Norika Creuzmann (GRÜNE): Es mutet von hier vorne wie ein Kasperstück an, was da gerade passiert.

Herr Maelzer, Sie wissen, dass es damals in Lippe eine schwarz-grüne Koalition gab und dass die SPD keine Gelegenheit ausgelassen hat, gegen dieses Prestigeprojekt des Landes anzugehen.

Für die Biodiversität …

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit!)

– Ich würde gerne zum Thema zurück.

Für die Biodiversität ist stehendes und liegendes Totholz sehr wichtig, und nichts ist so lebendig wie ein toter Baum. Für die FDP aber ist eine starke Buche nichts anderes als ein Bündel Geldscheine, das es einzusammeln gilt.

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

Einmal mehr kennen die Liberalen von allem den Preis, aber von nichts den Wert.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Unverschämtheit!)

Ein Nationalpark ist ein Zukunftsprojekt. Er ist für alle Menschen und für die Natur von herausragender Bedeutung. Seine Ausweisung ist keine Ökoromantik, sondern in mehrfacher Hinsicht eine zwingende Notwendigkeit.

Wir haben beispielsweise die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt. Sie ist die zentrale Naturschutzstrategie des Bundes und wesentliches Instrument zur Umsetzung internationaler Vereinbarungen zum Schutz der Biodiversität in Deutschland. Dort werden 5 % der Waldflächen aus der Nutzung genommen.

Wir haben den Beschluss der Weltnaturkonferenz von Montreal, wonach 30 % der Landfläche unter Schutz gestellt werden sollen. Uns erschüttern die Bilder von gerodetem Regenwald, und wir fordern, die Finger von diesem einmaligen, überlebenswichtigen Naturerbe zu lassen. Wenn uns aber ein Brasilianer fragen würde, wie viel wir zum Schutz unseres Naturerbes tun und wie viele Wälder wir künftig unangetastet lassen wollen, sollte uns die Antwort die Schamesröte ins Gesicht treiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle 16 Nationalparke in Deutschland bilden zusammen gerade einmal 0,6 % der Landfläche – 0,6 %. In NRW schützen wir gerade mal 1,86 % der Landeswaldfläche. Das heißt im Umkehrschluss: Über 98 % der Wälder in NRW stehen der Holznutzung zur Verfügung.

An dieser Stelle habe ich zu den aufgebauschten und faktenlosen Protesten gegen den Nationalpark von verschiedenen Menschen keine Fragen mehr.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Mit Fakten hast du es heute auch nicht so!)

Sie fordern in Ihrem Antrag die Stärkung der Naturparke und suggerieren damit, dass Naturparke und Nationalparke zueinander in Konkurrenz stehen, dabei ist das Gegenteil der Fall. In einem Fachgespräch zu Beginn des Jahres mit dem Umweltminister, dem Präsidenten des Verbands Deutscher Naturparke und vielen weiteren Akteuren wurde deutlich, dass beide Formen einander ganz wunderbar ergänzen und geradezu – der Ausdruck ist hier besonders gut – eine Symbiose bilden.

Man sieht in der Praxis, wie viele Nationalparke in Naturparke eingebettet sind. Der Nationalpark ist das Label und bietet erlebbare geschützte Natur. Der Naturpark ist der Motor des naturverträglichen Tourismus.

(Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Obwohl wir ein unglaubliches Engagement der Bürgerschaft haben, die per kreisweiter Entscheide die Bewerbung um einen Nationalpark nach vorne bringen will, fordern Sie einen Stopp des Verfahrens. Obwohl Sie wissen, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide Zeit brauchen, wollen Sie dieses Engagement zu einem viel zu frühen Zeitpunkt abwürgen. Dabei läuft die ursprüngliche Frist noch, und sie wurde aus gutem Grund ausgesetzt.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Der Antrag zeugt für mich von einem sehr merkwürdigen Demokratieverständnis.

(Marc Lürbke [FDP]: Nee!)

Wie wohltuend sind da die Worte des Ehrenvorsitzenden der FDP Siegen-Wittgenstein. Ganz anders als die FDP hier im Landtag schwärmt er geradezu von den Vorzügen eines Nationalparks.

(Simon Rock [GRÜNE]: Hört, hört!)

Er erwartet keinerlei Störungen der wirtschaftlichen Stärke der Region, und auch die FDP-Fraktion im Kreistag steht den Landesplänen positiv gegenüber. Man will Gründlichkeit vor Aktionismus und Bedenken rasch ausräumen.

(Simon Rock [GRÜNE]: Das ist interessant!)

Darüber hinaus …

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich muss noch einmal stören. Es gibt von Herrn Brockes den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Norika Creuzmann (GRÜNE): Ich würde gerne zu Ende ausführen.

Präsident André Kuper: Okay, gerne.

Norika Creuzmann (GRÜNE): Darüber hinaus fordern die Liberalen eine attraktive Heimat, die der Anwerbung externer Fachkräfte dient – wohltuende Worte, die sich jeder Natur- und Heimatfreund und auch jeder lokale Wirtschaftsförderer hinter die Ohren schreiben sollte.

Wir werden in wenigen Wochen Nachrichten über die ersten Bürgerentscheide lesen, und es werden sich noch viele Menschen auf den Weg machen, um diesen urdemokratischen Prozess einzuleiten.

Dem Prozess räumen wir natürlich die nötige Zeit ein; das ist doch selbstverständlich. Ich sehe den Bewerbungen um einen zweiten Nationalpark in NRW mit Spannung entgegen, ganz gleich, wo am Ende das Großschutzgebiet entstehen wird.

Die Anwohner der jeweiligen Region sind ebenso zu beglückwünschen wie alle Einwohner in Nordrhein-Westfalen. Denn zu guter Letzt werden alle Menschen verstehen, dass wir unsere Natur weiter schützen müssen und dass wir späteren Generationen unseren wertvollsten Schatz bewahren und vererben wollen. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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