Monika Düker:“Videoüberwachung ist kein Selbstzweck, kein Allheilmittel“

Antrag der CDU zur polizeilichen Videoüberwachung

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Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die polizeiliche Videobeobachtung im öffentlichen Raum ist ein Hilfsmittel zur polizeilichen Gefahrenabwehr – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das heißt: Wo und wie sie eingesetzt wird, orientiert sich zumindest für unsere Fraktion an ihrer Wirkung, also daran, ob und wie sie tatsächlich geeignet ist, Kriminalität zu verhindern bzw. Gewalt zu reduzieren.
Und – das wird ja relativ oft bei der CDU vergessen, inzwischen auch manchmal bei der FDP – wir müssen hier abwägen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil Videoüberwachung letztlich ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Herr Sieveke, das findet sich nicht in Ihrem Antrag – aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und genießt Verfassungsrang. Jeder Gesetzgeber muss hier abwägen.
Der Sicherheitsgewinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, besteht deswegen nicht darin, durch möglichst viele Kameras den öffentlichen Raum zu überwachen. Videoüberwachung ist kein Selbstzweck, kein Allheilmittel. Die Gleichung, die Sie in Ihrem Antrag aufmachen – mehr Kameras gleich mehr Sicherheit – lässt sich vielleicht gut in Überschriften verkaufen, stimmt aber nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Monika Düker (GRÜNE): Ja, klar.
Vizepräsident Oliver Keymis: Der Herr Sieveke hat eine Frage. Bitte schön.
Daniel Sieveke (CDU): Frau Düker, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich bin auch weiterhin auf Ihre Ausführungen gespannt. Sie haben gerade auf die Verfassung abgestellt. Unterstellen Sie, dass die Bundesländer, die eine weiter gehende Videobeobachtung ermöglichen, wie Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, nicht auf der Grundlage der Verfassung stehen? Das wäre ja der Umkehrschluss, wenn Sie sagen, wir hätten die Verfassung zu beachten. Wir fordern ja nichts anderes, als dass wir es genauso machen wie andere Bundesländer.
Monika Düker (GRÜNE): Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass das verfassungskonform ist. Nur, was Sie da hineininterpretieren und was Sie politisch wollen, ist auch durch andere Gesetze nicht gedeckt, nämlich eine flächendeckende anlasslose Videoüberwachung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Von daher hätte ein Hinweis auf die Verfassung meines Erachtens auch der CDU gut angestanden. Aber das findet sich ja mit keinem Wort in Ihrem Antrag. Das ist das, was ich kritisiere.
Was ist denn nun unser Maßstab? Unser Maßstab ist, Videoüberwachung nicht als Selbstzweck oder für ein vermeintlich subjektiv vermitteltes Sicherheitsgefühl – auch das steht in Ihrem Antrag als Ziel – zu installieren. Das reicht uns nicht aus. Wenn etwas passiert, muss der Gesetzgeber, muss die Polizei dann auch gewährleisten, dass eingegriffen wird. Das heißt, es muss kurze Interventionszeiten geben. Das heißt auch, dass jemand dauernd hinter dem Bildschirm sitzt und auch eine Wache in der Nähe ist, um schnell vor Ort zu sein und einzugreifen.
In der Düsseldorfer Altstadt funktioniert das sehr gut. Die Wache ist um die Ecke, und es gibt Interventionszeiten von unter eine Minute. Aber Düsseldorf zeigt auch, Herr Sieveke – und deswegen zieht auch Ihr Beispiel Köln nicht –, dass hier zwar die Interventionszeiten kurz sind, dass man auch schnell vor Ort ist, wenn etwas passiert, und dass eine Eskalation verhindert wird, aber die Kameras – das zeigen die Zahlen der Kriminalitätsbelastung – schrecken nicht ab, insbesondere nicht bei Gewaltdelikten. Das wissen wir aus den Zahlen der Düsseldorfer Altstadt.
Und Köln hier als Beispiel zu nehmen für mehr Videobeobachtung: Ich weiß nicht, wie viele Kameras im Kölner Hauptbahnhof hängen; ich glaube, es sind 80. Die haben doch diese schrecklichen Taten nicht verhindert. Wie können Sie das denn hier als Begründung für mehr Kameras anführen? Sie verkaufen doch den Leuten hier einen Sicherheitsgewinn, den es überhaupt nicht gibt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Und auch die hohen Umfragewerte sind doch kein Beleg dafür. Die Menschen wollen mehr Sicherheit, sie wollen keine Scheinsicherheit.
Zweitens. Kriminalität – das ist unser Maßstab – muss an den Ort gebunden sein, da wo Videobeobachtung eingesetzt wird. Verdrängung bringt insgesamt nicht mehr Sicherheit und muss ausgeschlossen werden.
Drittens. Wir brauchen Gesamtkonzepte. Das heißt, das muss mit Polizeipräsenz auf der Straße und auch mit kommunalen Maßnahmen verknüpft werden.
Viertens. Wir wollen auch, dass die positive Wirkung auf Kriminalitätsentwicklung nachweisbar ist. Deswegen steht ja auch im Gesetz, dass bis 2018 endlich einmal wissenschaftlich unabhängig evaluiert wird, um einfach diesen Sicherheitsgewinn tatsächlich nachweisen zu können.
Mein Fazit: So richtig schlüssig, Herr Sieveke, haben Sie heute keine Begründung dafür angeführt, warum § 15a in unserem Gesetz nicht ausreicht und man mehr Kameras haben möchte.
Im Übrigen – und das finde ich auch wichtig zu erwähnen; Kollege Stotko hat auch darauf hingewiesen –: Selbst, wenn wir diesen Begriff „Kriminalitätsbrennpunkt“ irgendwie ersetzen würden … Im Übrigen steht der auch so im Bayerischen Gesetz; Sie zitieren doch immer die Bayern und sagen, dass das alles besser sei. Im bayerischen Gesetz steht: „Kriminalitätsbelastete Örtlichkeiten (Kriminalitätsschwerpunkte)“. Egal. Nehmen wir einen anderen Gefahrenbegriff – ich glaube nicht, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen mehr Videobeobachtung bekommen wollen, bekommen werden.
(Daniel Sieveke [CDU]: „Wollen“ war genau richtig!)
Bekommen werden! Und ich möchte es auch nicht. Aber warum nicht? Das finde ich beruhigend: weil nicht wir hier im Parlament die Videokameras beschließen, sondern der Behördenleiter vor Ort.
(Daniel Sieveke [CDU]: Ja!)
Die Behördenleiter, die am Ende entscheiden, sind da viel pragmatischer und rationaler,
(Daniel Sieveke [CDU]: Weil sie die Paragrafen kennen!)
als es Ihre ideologischen Ausführungen hier sind, und weil auch Sie wissen, dass sie mit Präsenzkonzepten auf der Straße viel mehr erreichen, als wenn Polizisten hinter dem Bildschirm sitzen und den Menschen nicht wirklich mehr Sicherheit bringen.
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Deswegen ist das in NRW gut geregelt, und ich sehe keinen Anlass, daran etwas zu ändern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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