Monika Düker: „Wir werden uns einbringen und nicht mit solchen Plattheiten wie Sie damals einfach alles ablehnen“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Flüchtlingsaufnahmegesetz - erste Lesung

Monika Düker (GRÜNE): Danke sehr. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich noch gut, Herr Minister, an die zweite Lesung zur Reform des Flüchtlingsaufnahmegesetzes im Mai 2016, mit der wir damals die Jahrespauschale auf eine Monatspauschale umgestellt haben, sie um 30 % erhöht und damit die Finanzierung der kommunalen Flüchtlingsunterbringung auf komplett neue Füße gestellt haben.

Sie haben diese Reform damals abgelehnt. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an den Grund erinnern. Sie haben gesagt, das alles gehe Ihnen nicht schnell genug.

2016 hatten wir, Rot-Grün, ein Übergangsjahr, bevor 2017 die strukturelle Umstellung erfolgen sollte. Das alles ging Ihnen nicht schnell genug, das hätte man schon 2016 schaffen können. – Das war Ablehnungsgrund eins.

Ablehnungsgrund zwei war, dass Ihnen die Erstattung der Kosten von Krankenbehandlungen über 35.000 Euro zu wenig war. Gemeinsam mit der CDU forderten Sie eine Grenze ab 10.000 Euro.

Herr Minister, wenn Sie diese Messlatte heute noch anlegen würden, müssten Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf eigentlich ablehnen.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Nein!)

Sie setzen erst mit dreijähriger Verspätung – keine Eile – die Vereinbarung mit den Kommunen um. Schon Ende 2015 einigte sich Rot-Grün mit den kommunalen Spitzenverbänden auf eine grundlegende Reform der Flüchtlingsfinanzierung, die angesichts der damaligen hohen Flüchtlingszahlen – ich brauche das hier nicht auszuführen – nicht mehr funktional und kostendeckend war.

Bestandteile der Vereinbarung waren im Wesentlichen erstens die Umstellung auf die Monatspauschale inklusive einer Dynamisierung, die der Bund damals geflissentlich unterlassen hat, und zweitens damit einhergehend eine 30%ige Erhöhung der Pauschalen.

Angesichts der finanziell enorm angespannten Lage, in der wir damals waren, war dies ein enormer Kraftakt, der im damaligen Haushaltsjahr zu Zuweisungen an die Kommunen von fast 2 Milliarden Euro führte.

Drittens. Wir haben die Aufnahme der Geduldeten erstmals in die Erstattung aufgenommen.

Viertens – jetzt kommt es, Herr Minister –: Damals wurde vereinbart, dass es im Jahr 2017 eine Istkostenerhebung gibt, die dann zu einer neuen Vereinbarung über eine entsprechende Anpassung der Pauschalen im Jahr 2018 führen sollte. Davon sind die kommunalen Spitzenverbände damals ausgegangen.

Diese Vereinbarung wurde nach Regierungsübernahme von Ihnen überhaupt nicht infrage gestellt, was gut war, aber leider nicht umgesetzt. Es verging das Jahr 2018; eine Anpassung erfolgte nicht. Es verging das Jahr 2019; die Steuereinnahmen sprudelten, Sie hätten Geld gehabt, 2 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen jedes Jahr. Die Jahre 2019 und auch 2020 gingen dahin, ohne dass eine Anpassung erfolgte.

Erst nach massivem Druck aus den Kommunen und nach ungezählten Anträgen und Anfragen der Opposition kommen Sie jetzt, im Sommer 2021, kurz vor Ende der Legislaturperiode mit diesem Gesetz.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration)

Hier muss man den Hintergrund noch einmal deutlich nennen: Im Jahr 2016, als Ihnen die Umstellung nicht schnell genug ging, gab es 2 Milliarden Euro Zuweisungen im Rahmen der Flüchtlingsaufnahme. Im Gegensatz dazu hatten Sie im Jahr 2020 – als Beispiel aus den letzten Jahren – mit 547 Millionen Euro gerade mal ein Viertel der Ausgaben. Diese Erhöhung wäre locker zu finanzieren gewesen, und zwar schon vor dem Jahre 2021, denn damals sprudelten die Steuern noch enorm.

Sie, Herr Minister, haben das gepflegt ausgesessen und die Kommunen hingehalten.

Kommen wir noch einmal zum zweiten Ablehnungsgrund. Hier ist ein Blick in die Plenarprotokolle interessant. Sie haben gesagt, dass Ihnen die Erstattung oberhalb von 35.000 Euro pro Jahr und Geflüchteten bei Krankenkosten viel zu wenig war und forderten 10.000 Euro.

Ich frage Sie: Warum haben Sie Ihre Forderung nicht einfach umgesetzt? Das war 2016 Ihr Ablehnungsgrund. Jetzt übernehmen Sie diese Regelung. – So viel zum Thema „Glaubwürdigkeit“.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Gegensatz zu Ihnen gehen wir heute konstruktiver mit Ihren Gesetzentwurf um, als Sie es damals getan haben. Wir werden uns mit Nachfragen und Anregungen im Verfahren einbringen. Insbesondere ist uns nicht ersichtlich, warum Sie die Finanzierung der Geduldeten – die richtig ist, das muss jetzt passieren – außerhalb der Monatspauschalen implementieren.

Das und anderes werden wir im Verfahren klären. Wir werden uns einbringen und nicht mit solchen Plattheiten wie Sie damals einfach alles ablehnen.

(Lachen von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration)

Ihr Gesetzentwurf kommt spät, aber immerhin kommt er. Frau Wermer, Herr Lenzen, Herr Stamp, das ist noch lange kein Grund für Selbstlob und Ihre Selbstbeweihräucherung, die Sie heute hier an den Tag gelegt haben. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)