Monika Düker: „Wir halten es integrationspolitisch für verfehlt, die Familien nicht nachzuholen“

Antrag der Piraten zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen

###NEWS_VIDEO_1###
Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grünen teilen im Wesentlichen die Kritik am Asylpaket II. Ja, auch wir halten es für grundsätzlich falsch, diesen schwächeren Schutzstatus, diesen subsidiären Schutz damit zu verbinden, dass der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt wird; denn der Schutz von Familie muss auch für Flüchtlinge gelten, sodass sie ihre Kernfamilie nachholen können. Es ist ja auch richtig so. Diese haben sie zumeist in Elend oder in größter Not zurückgelassen, und sie sind zum Teil dort, wo sie leben, auch nicht versorgt.
Zum anderen halten wir es integrationspolitisch für verfehlt, die Familien nicht nachzuholen. Ich habe selbst im Gespräch mit Betroffenen erlebt, wie jemand seine Familie weiterhin in großer Not weiß. Hier wird jetzt der Anspruch formuliert: Gehe zu deinem Deutschkurs und sei ganz motiviert und integriere dich hier. – Derjenige hat seine Familie ein oder zwei Jahre nicht gesehen und weiß nicht, ob sie es überhaupt noch schafft, herzukommen und diese Situation durchsteht.
In der Analyse finden wir also diese Regelung falsch. Als sie verabschiedet war – welch Zufall –, stiegen dann auch die Zahlen derjenigen an, die den schwächeren Schutzstatus bekamen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Natürlich ist das BAMF bei dieser Entscheidungspraxis im Hintergrund verstärkt auf den subsidiären Schutz gegangen, um den Familiennachzug zu drosseln. Wie gesagt, aus den genannten Gründen finden wir das falsch.
Leider werden es die Gerichte entscheiden. Das sehe ich in der Tat so. Der Bundestag hat es entschieden. Im Bundesrat – der Kollege Körfges hat es gesagt – war es eben nicht zustimmungspflichtig. Wir hatten die Debatte hier auch schon einmal im Landtag. Es ist müßig, jetzt über den Bundesrat zu lamentieren. Er konnte am Ende dieses Gesetz nicht verhindern. Das war nun einmal so.
Wir Grünen hätten sicher, wenn es denn zustimmungspflichtig gewesen wäre, hier auch noch einmal alles in die Waagschale geworfen, um gerade diesen Passus hinauszubekommen. Das war es nicht, sodass jetzt am Ende die Gerichte an der Reihe sind. Leider haben die Verfahren auch nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichte sehr stark belastet. Wir sehen, dass das nach und nach jetzt bei den Oberverwaltungsgerichten landet. Das BAMF geht auch regelmäßig in Berufung, wenn das Verwaltungsgericht den Anspruch akzeptiert, Familie nachzuholen, und einen anderen Schutzstatus zuerkennt. Am Ende wird es beim Bundesverwaltungsgericht landen, und dann wissen wir mehr. Leider, das sage ich hier ganz ehrlich für meine Fraktion, ersetzen hier die Gerichte die Unfähigkeit von Politik, vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin.
Monika Düker (GRÜNE): Das haben wir häufig. Aber deswegen haben wir auch die dritte Gewalt. Wir hier im Landtag – Frau Brand, das ist jetzt hart, aber das muss ich Ihnen auch sagen – können an dieser Situation nichts mehr ändern.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin.
Monika Düker (GRÜNE): Sie ist so. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen, weil wir hier derzeit keinerlei Einflussmöglichkeit haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin Düker, würden Sie noch eine Zwischenfrage der von Ihnen soeben namentlich erwähnten Frau Kollegin Brand zulassen?
Monika Düker (GRÜNE): Bitte.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Bitte.
Simone Brand (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Düker, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben jetzt ganz deutlich gesagt: Das müssen die Gerichte klären, und wir haben hier keine Einflussnahme. – Können Sie mir dann bitte erklären, warum sich sowohl die Grünen auf Bundesebene als auch wie eben erwähnt die SPD und die Grünen gemeinsam in Schleswig-Holstein auch in Form eines Antrages für die Abschaffung des Paragrafen einsetzen, wenn das offensichtlich komplett sinnlos ist?
Monika Düker (GRÜNE): Ich habe hier für meine Fraktion erklärt, dass wir gegen diese Regelung sind. Herr Körfges hat hier die Position der SPD dargestellt. Daraus können Sie sich zusammenreimen, wie die Position von Rot-Grün aussieht. Ich glaube, das haben wir sehr deutlich gemacht. Kollege Körfges hat es etwas differenzierter ausgeführt, aber durchaus auch Kritik geäußert. Ich sage es etwas klarer. Also, das ist hier die Äußerung von Rot-Grün. Im Bundestag hat die Fraktion der Grünen dem Asylpaket nicht zugestimmt. Insofern sind die Grünen da sehr klar in der Aussage.
Ich teile aber Ihre Feststellung nicht. Sie sagen hier, dass umgehend zur Praxis des Jahres 2015 zurückgekehrt werden soll. Diese Schlussfolgerung halte ich für falsch. Denn im Jahre 2015 wurden Anerkennungen allein aufgrund eines schriftlichen Anhörungsverfahrens ausgesprochen, und dann eine 100-%-Quote. Das halte ich auch für falsch. Ein individuelles Anhörungsverfahren gehört nämlich für mich zu einer Entscheidung, ob jemand in unserem Land bleiben darf oder nicht, immer auch dazu. Also, eine Rückkehr zu diesem Verfahren lehnen auch wir ab.
Am Ende muss man auch sagen, dass über dieses schriftliche Anhörungsverfahren letztlich auch Missbrauch – der gehört auch nun einmal zur Wahrheit – Tür und Tor geöffnet wird. Wir wissen auch, dass Sicherheitsaspekte bei diesen Entscheidungen eine große Rolle spielen. Deswegen meine ich, dass eine Praxis wie 2015 abzulehnen ist.
Wir wollen ein vernünftiges, individuelles Anhörungsverfahren, ein rechtsstaatliches Verfahren, und dann bekommt jeder, der hier perspektivisch bleiben darf – ob subsidiären Schutz oder einen vollen GFK-Schutz oder sogar eine Asylanerkennung –, das Recht, seine Familie nachzuholen; denn nach unserem Grundgesetz gilt der Schutz von Ehe und Familie auch für Flüchtlinge und hilft auch der Integration. Unsere Position habe ich, denke ich, ausreichend klargemacht. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Geflüchtete Menschen