Monika Düker: „Wir alle tun gut daran, sie hier schnell zu integrieren und ihnen eine echte, faire Chance in unserem Land zu geben“

Antrag zur Verpflichtungserklärung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die dramatische Situation in Syrien, in diesem Bürgerkriegsland, kann man hinreichend in der Tagesschau verfolgen. An die 10 Millionen Syrer sind auf der Flucht, der größte Teil noch im eigenen Land, aber eben auch viele außerhalb des Landes.
Aufgrund dieser enormen Notsituation hat der Bund mehrere Aufnahmeprogramme, Kontingente entschieden.
Aber auch das Land hat gehandelt. Denn das, was der Bund machte, reichte dem Land nicht aus. Nur im Rahmen seiner Kompetenzen, sprich: mit Zustimmung des Bundesinnenministers, kann das Land ein eigenes Aufnahmeprogramm machen. Voraussetzung für einen Familiennachzug war, dass die hier lebenden Familienangehörigen den Lebensunter-halt für die aufzunehmenden Verwandten aus den Bürgerkriegsregionen finanzieren.
Nun ist es gutes Recht von jedem und jeder, der hier ankommt, auch einen Asylantrag zu stellen. Das haben viele dieser Menschen getan. Der Asylantrag wird in der Regel auch positiv beschieden, und die Menschen dürfen bleiben.
Jetzt kommt der Bundesinnenminister und sagt: Liebe Kollegen und Kolleginnen in den Ländern, so haben wir nicht gerechnet. Wir haben nicht damit gerechnet, dass ihr die Menschen über ein Familiennachzugsprogramm nach Deutschland holt und die Asylanträge genehmigt werden. – Man hat beim Bundesinnenminister – ich formuliere das in der nötigen diplomatischen Art – übrigens öfter den Eindruck, dass für ihn der Flüchtling ein Kostenfaktor ist. –
Im Rahmen dieser Denke – jeder Flüchtling ist ein Kostenfaktor – erklärt er – nicht wörtlich, aber sinngemäß –, die Verpflichtungserklärung der hier schon lebenden Verwandten gelte fort, auch wenn es sich um hier anerkannte Asylbewerber handle. Die gilt fort, da – das sagt er nicht, aber das sage ich dazu – der SGB-II-Status, den die Flüchtlinge nach Anerkennung haben, zu seinen Lasten geht. Er will für diese Menschen nicht zahlen. Also gilt die Verpflichtungserklärung fort.
Welche Konsequenzen das für die Familien hat, wird hier nicht gesehen. Denn es gibt Dinge, die der Bund dabei nicht berücksichtigt.
Zum einen berücksichtigt er nicht, in welche Situation er damit die Verwandten bringt, die das unter Umständen über die Jahre nicht mehr stemmen können und es nicht mehr schaffen, dieser Verpflichtung nachzukommen. Es gibt Situationen in den Familien, die zu großen Verwerfungen führen, weil Familien, die sich in dem Druck, der Not gerecht zu werden und ihre Familien nachzuholen, übernommen haben. Das ist selbstverständlich der Fall. Solche persönlichen Situationen, die ich auch vorgetragen bekommen habe, sind wirklich erschütternd.
Dann wird diesem Mensch der Asylantrag genehmigt. Trotzdem sagt das Jobcenter: Nein, SGB II ist nicht; wende dich an deine Verwandten. – Ich finde das inhuman.
Es ist aber auch eine falsche Denke des Bundesinnenministers; denn damit werden Chancen vertan. Jeder syrische Flüchtling, der hier einen festen asylrechtlichen Status bekommt, ist doch eine Chance für unser Land. Bei ihnen besteht eine hohe Motivation. Wir haben viele Menschen mit guten Abschlüssen, die sich hier integrieren wollen und bei uns arbeiten wollen. Mit dem Status des SGB II bekommen sie auch eine verbesserte, echte Integrationsmöglichkeit. Diese Chancen sollen wir nutzen.
Nein, Flüchtlinge sind für uns kein Kostenfaktor. In dem Geschacher darum, wer für den syrischen Flüchtling zahlt, gehen menschliche Belange unter. Es gehen aber auch die Chancen unter, die diese Flüchtlinge für unser Land mitbringen. Daher ist dieses Schwarze-Peter-Spiel – „Wer zahlt jetzt für die Menschen, die im Rahmen des Familiennachzugs zu uns gekommen sind?“ – unwürdig.
Ich finde es deswegen gut, dass der Landtag hier noch einmal dem Innenminister den Rücken stärkt; denn dieser Punkt steht gerade – deswegen ist unser Innenminister auch nicht hier – bei der Innenministerkonferenz auf der Tagesordnung. Andere Länder haben sich dieser Rechtsauffassung auch angeschlossen. Ja, es ist ein neuer Aufenthaltszweck, wenn ein Mensch anerkannter Asylbewerber ist; dann gelten auch die Bestimmungen des SGB II für ihn.
Dass der Bundesinnenminister das nicht akzeptiert, halte ich für erbärmlich. Ich hoffe, dass die Innenminister ihn in ihrer Mehrheit jetzt auf der Innenministerkonferenz überzeugen können. Niedersachsen und Hessen haben sich inzwischen auch der Meinung von NRW angeschlossen. Insofern hoffe ich, dass es auf der Innenministerkonferenz gelingt, den Bundesinnenminister zu überzeugen.
Ich finde dieses finanzielle Geschacher inhuman. Damit verkennt man aber auch die Chancen, die diese Menschen mitbringen. Wir alle tun gut daran, sie hier schnell zu integrieren und ihnen eine echte, faire Chance in unserem Land zu geben. Deswegen bitte ich um Unterstützung unseres Antrags.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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