Monika Düker: „So wurde die Steuerfahndung massiv geschwächt.“

Antrag der SPD-Fraktion zu Cum-Ex-Geschäften

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte wieder zum Thema zurückkommen, Herr Witzel. Worum geht es? Es geht bei Cum-Ex um den größten Steuerraub nicht nur in der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern auch in der europäischen Geschichte. EU-weit hat es einen solchen Steuerraub – man schätzt ihn auf über 50 Milliarden Euro – bislang nicht gegeben.
Was verbirgt sich dahinter? Hinter Cum-Ex verbergen sich Leerverkäufe von Aktien, die zum Dividendenstichtag mehrfach hin und her geschoben werden, um sich die Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten zu lassen, obwohl sie nur einmal entrichtet wurde. Das ist mitnichten keine Steuerhinterziehung, wie ich kürzlich in einem Tweet des Ministerpräsidenten las – Herr Lienenkämper, Sie müssen das Herrn Laschet noch einmal erklären –, sondern das ist Steuerraub. Hier wurden öffentliche Kassen ausgeplündert. Für mich ist das eine Form der organisierten Kriminalität – mit hoher krimineller Energie von Bankern, Steuerberatern und Investoren.
Das alles konnte nur funktionieren, weil sich, wie in organisierten kriminellen Strukturen üblich, alle beteiligten Parteien hoch klandestin eng abgestimmt haben und eine gesetzliche Lücke missbraucht haben, sodass der Betrug schwer nachweisbar war.
Das alles – das gehört zur Geschichte ebenfalls dazu – konnte auch nur funktionieren, weil die Politik über Jahre weggeguckt hat. Denn bereits 2002 lagen dem Bundesfinanzministerium Hinweise vom Bankenverband vor, die auf die Cum-Ex-Praxis hingewiesen haben – nicht etwa, um die Täter hinter Schloss und Riegel zu bringen, sondern, um das Haftungsrisiko für Banken auszuschließen. Es waren gleich zwei Finanzminister in großen Koalitionen, die über Jahre weggeguckt haben. Finanzminister Peer Steinbrück
(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)
–  so viel gehört zur Ehrlichkeit dazu; es war auch ein SPD-Finanzminister, der weggeguckt hat – und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben nachweislich über viele Jahre – das hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Berlin ergeben – von diesen Dingen gewusst. Erst 2012 änderte die Bundesregierung die Rechtsgrundlage – 2016 dann für die Cum-Cum-Geschäfte –, damit das nicht mehr möglich war. – So viel zur Geschichte.
Um diese ganze Sache jetzt aufzuarbeiten und die Ermittlungen zu einem Erfolg zu führen, braucht es große Profis und hohen Sachverstand, sowohl bei der Staatsanwaltschaft und beim Landeskriminalamt als auch bei den Steuerfahnderinnen und Steuerfahndern.
NRW spielt, wie dargestellt, eine große Rolle, weil hier durch das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn die Verfahren gebündelt sind. Ich weiß, dass die Staatsanwaltschaft in Köln mit Hochdruck arbeitet und jetzt auch die Anklageschrift fertiggestellt ist. Ich hoffe, dass es auch zu einer Anklage kommen wird.
Jetzt stellt sich aber die Frage: Was macht der Finanzminister mit seiner Steuerfahndung, die für den Erfolg dieser Ermittlungen von wesentlicher Bedeutung ist? Er zentralisiert die Ermittlungen in der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Wuppertal.
Nun kann man sagen: Wir haben ja nicht mehr Personal, man muss halt zusammenkratzen, was geht. – Aber, Herr Lienenkämper, Sie haben die Steuerfahndung für Cum-Ex im Jahr 2018 zentralisiert. Im Jahr 2018 waren auch Sie es, der zwei der renommiertesten Steuerfahnder bei uns in NRW und sogar bundesweit so viele Steine in den Weg gelegt hat, dass sie die Finanzverwaltung in Wuppertal verlassen haben. So wurde die Steuerfahndung aufgrund Ihres Verhaltens massiv geschwächt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Im selben Jahr, 2018 – man höre und staune –, gab es immerhin – wenig genug – zehn Stellen mehr für die Steuerfahndung. Die Anzahl der Stellen wurde von 651 auf 661 erhöht. Man könnte glauben, dass der Finanzminister auf die Idee gekommen ist, diese Ressourcen in die zentralen Ermittlungen zu geben. Weit gefehlt! Die zehn Stellen gingen in eine öffentlichkeitswirksame Taskforce, die vom Finanzminister, Justizminister und Innenminister vorgestellt wurde. Ich will gar nichts dagegen sagen, dass dort unter Umständen auch Bedarf besteht.
Aber fragen wir doch mal nach, was die Taskforce macht, die diese zehn Steuerfahnder bekommen hat. Ich zitiere aus der Vorlage 17/1586:
„Aktuell beschäftigt sich die Task Force beispielsweise bereits mit Projekten zur Clankriminalität sowie zum organisierten Sozialleistungsmissbrauch.“
All das sind zwar wichtige Dinge, um die man sich kümmern kann, aber wenn von den 58 neuen Stellen für diese Taskforce 22 aus der Finanzverwaltung kommen und Sie die zehn neuen Stellen für die Steuerfahndung auch dort verorten, dann frage ich mich, Herr Finanzminister, wie Sie die Prioritäten hier in diesem Land setzen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Horst Becker [GRÜNE]: So ist es!)
Vielleicht hätte man für die Bekämpfung des organisierten Sozialleistungsmissbrauchs auch ein paar Stellen bündeln und zentralisieren können. Allerdings hätte man die neuen Stellen dort ansiedeln müssen, wo sie dringender gebraucht werden, zumal Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, vorrechnet, dass die Steuerfahndungen bundesweit zu 25 % unterbesetzt sind und es in der Finanzverwaltung insgesamt 6.000 unbesetzte Stellen gibt; allein bei uns in NRW sind es 1.000. Das heißt, die Decke ist ohnehin schon zu kurz.
Dann muss man sich, Herr Finanzminister, die Frage stellen: Wo stecke ich die Kräfte hin, und wo priorisiere ich? Besser wäre es, wenn man für alles unheimlich viel Personal und Ressourcen hätte. An dieser Stelle aber haben Sie die Prioritäten nachweislich falsch gesetzt.
Den Fahnderinnen und Fahndern, den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim LKA möchte ich meinen ausdrücklichen Dank aussprechen für ihre engagierte Arbeit, die sie trotz Ihrer fehlenden Unterstützung leisten. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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