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Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stamp und Herr Kuper, die Ausgangslage und Analyse, die Sie hier in Ihrem Antrag und auch in Ihrem Redebeitrag, Herr Kuper, beschreiben, ist schlicht falsch, nämlich die Feststellung – ich komme gleich auch zu den datenbasierten Belegen –, die Sie in Ihrem Antrag stellen, dass die Anzahl der Asylbewerber aus den Balkanstaaten im Laufe des Jahres kontinuierlich zurückging, weil die Balkanstaaten als sicher kategorisiert wurden. Dieser Zusammenhang, Herr Kuper, ist nicht richtig. Es ist auch fahrlässig, das hier so in den Raum zu stellen.
(Zuruf und Widerspruch von der CDU)
– Schütteln Sie nicht mit dem Kopf, bevor ich das nicht begründet habe. – Die Entscheidung, diese Staaten als sicher einzustufen, ist Ende Oktober 2015 getroffen worden. Da war das Jahr schon fast zu Ende.
Ich komme jetzt auf die Zahlen und darauf zu sprechen, wie sie sich entwickelt haben. Die hohen Zugangszahlen an Kosovo-Zuwanderer hatten wir besonders Anfang des Jahres 2015. Im Februar waren es 6.913. Das war der Höchststand der Zugangszahlen aus dem Kosovo. Sie gingen zurück, ja, aber schon direkt danach, nämlich – wenn Sie sich die Juli-Zahlen ansehen – auf 1.205 und weiter herunter bis Oktober. Herr Kuper, es wäre schön, wenn Sie sich die Gegenargumentation auch einmal anhören würden. Vor Einstufung als sichere Herkunftsländer mit Stand Oktober waren es 619. Das heißt ein Rückgang von 6.913 auf 619 vom Oktober im Laufe des Jahres ohne Einstufung als sichere Herkunftsländer.
(Zuruf von der FDP)
Ihre Schlussfolgerung, dass die Einstufung habe das bewirkt, ist daher faktisch falsch und nicht nur gefühlt falsch.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den PIRATEN)
Im Übrigen war es bei Albanien ähnlich.
Jetzt komme ich auf den tatsächlichen Faktor Beschleunigung und darauf zu sprechen, wie es dazu gekommen ist, dass die Zahlen zurückgegangen sind.
Der Beschleunigungsfaktor im Verfahren selber ist nicht primär die Einstufung als sichere Herkunftsländer, sondern die Ablehnung eines Antrages als offensichtlich unbegründet. Einen Antrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, Herr Dr. Stamp, können Sie auch ohne, dass diese Länder als sicher eingestuft werden. Das wurde bei fast allen Asylverfahren aus Balkanländern bereits vorher schon gemacht, ohne dass sie als sichere Herkunftsländer eingestuft waren. So ist es! Das ist auch nachweislich.
Diese Ablehnung offensichtlich unbegründeter Asylanträge, Herr Kuper, hatte letztlich die Verfahrensbeschleunigung bei den Fristen zur Folge. Das steht im Gesetz.
(André Kuper [CDU]: Quatsch!)
Sie müssen auch einmal aushalten, sich das anzuhören. – Der Rückgang dieser Zahlen ohne Einstufung als sichere Herkunftsländer hat ein Weiteres begründet: Diese Anträge kamen dann tatsächlich oben auf den Stapel, wurden schnell bearbeitet – alle ohne Einstufung –, und die Menschen wurden in ihren Herkunftsländern aufgeklärt, dass sie hier keine Aussicht auf Erfolg haben, dass ihr Asylantrag abgelehnt wird, plus eine gute Rückkehrberatung. All das zusammen hat ganz von selbst ohne diese Einstufung zu dem Rückgang dieser Zahlen beigetragen. So viel zum Thema „Legenden und Faktencheck“.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)
Im Ziel sind wir uns völlig einig: Die Verfahren von Asylsuchenden insbesondere aus Algerien und Marokko, aber auch von allen anderen müssen beschleunigt werden. Eine Verfahrensdauer von zum Teil zwei Jahren kann nicht hingenommen werden. Das gilt auch für die Bleibeberechtigten und ist genauso richtig für diejenigen, deren Antrag abgelehnt wird.
Aber lassen Sie uns abschichten und uns die Maßnahmen ansehen, die tatsächlich dazu beitragen und tatsächlich wirken und die tatsächlich einen Pull-Effekt auslösen; das will hier keiner in Abrede stellen. Das ist erstens, die Verfahrensdauer zu reduzieren. Dafür brauchen Sie keine Einstufung. Das ist zweitens, dass diese Länder ihre Staatsangehörigen wieder zurücknehmen. Das sind die beiden Dinge, die dazu führen, wenn man hier faktenbasiert argumentiert, dass diese Menschen schneller wieder in die Herkunftsländer zurückkommen.
Ich will auch ganz offen eingestehen: Ja, wir haben im letzten Jahr diese Symbolpolitik im Bundesrat, was die Balkanländer anging, mitgemacht. Ich sage: Wir haben das mitgemacht, weil wir im Bundesrat einen Preis zahlen mussten – das ist manchmal so im politischen Geschäft –, damit sich der Bund endlich an den Kosten für die Flüchtlinge beteiligt. Wir haben das im Interesse unserer Kommunen gemacht, damit die Kommunen endlich diese Flüchtlingspauschale des Bundes bekommen. Deswegen haben wir am Ende aus staatspolitischer Verantwortung diesen Kompromiss im Bundesrat mitgetragen. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Aus Überzeugung haben wir den nicht mitgemacht.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Dann macht man das doch nicht!)
Wir haben ihn auch nicht mitgemacht, weil er tatsächlich etwas bewirkt hat. Deswegen finde ich Ihre Argumentationskette komplett falsch. Sie verwechseln Ursache und Wirkung. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, es jetzt mit Algerien und Marokko auch so zu machen, damit morgen die Probleme gelöst sind, ist völlig unlauter.
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Düker.
Monika Düker (GRÜNE): Versprechen Sie hier nicht den Leuten so ein dummes Zeug. Am Ende wird es nicht funktionieren.
(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN)
2. Runde:
Monika Düker (GRÜNE): Herr Stamp, Herr Kuper: Fakt ist, dass Sie die Bevölkerung mit Ihrem Antrag verunsichern, weil Sie – erstens – Behauptungen in den Antrag geschrieben haben, die Ursache und Wirkung verkennen und sachlich falsch sind.
Gemeint ist der kausale Zusammenhang, wonach aufgrund der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu der Forderung, die Balkanstaaten als sicher zu kategorisieren, die Asylbewerberzahlen im Laufe des vergangenen Jahres zurückgegangen sind. Das ist kausal nicht nachweisbar – das sage ich Ihnen noch einmal –; denn die Entscheidung über diese Kategorisierung fiel Ende Oktober letzten Jahres, die Zahlen gingen jedoch bereits vorher zurück.
Ja, Falschbehauptungen verunsichern die Bevölkerung, denn Sie verkaufen die Leute damit für dumm.
Zweitens. Sie verunsichern die Bevölkerung, weil Sie mit Ihrer zweiten Forderung nach einer prioritären Behandlung von Asylsuchenden aus den Maghrebstaaten eine Wirklichkeit einfach komplett ausblenden, die aber existiert. Sie verkennen die Wirklichkeit deswegen, weil diese Menschen derzeit sechs bis acht Monate auf einen Termin warten, und erst dann, wenn sie diesen Termin bekommen …
(André Kuper [CDU]: Das steht doch da! – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das steht doch da drin!)
Jetzt komme ich noch einmal auf Ihre Zahlen zu sprechen. Das Bundesamt kann angesichts der Tatsache, dass diese Menschen überhaupt keine Chance haben, zum Bundesamt zu kommen, überhaupt nicht wissen, in welcher Kommune sich die Menschen aus diesen Ländern überhaupt aufhalten. Deswegen können sie auch gar nicht prioritär behandelt werden.
Die Menschen müssen erst einmal dorthin kommen. So weit sind wir aber noch lange nicht. Da hat der Minister doch recht: Solange das Personal nicht vorhanden ist, können Sie das zwar fordern, aber nicht umsetzen.
Drittens. Sie verunsichern die Bevölkerung und blenden die Wirklichkeit mit einer weiteren Forderung aus.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt die Richtige!)
Herr Kuper hat gerade gesagt, schon morgen könnte umgesetzt werden, dass die Menschen aus diesen Ländern für die gesamte Verfahrensdauer in den Landeseinrichtungen verbleiben. Die gesamte Verfahrensdauer, Herr Kuper, beträgt derzeit aber fast 15 Monate.
(Zuruf von André Kuper [CDU])
Sie wollen doch wohl nicht ernsthaft behaupten, dass wir diesen Schritt vor den anderen unternehmen könnten. Das funktioniert doch nur – wenn Sie sich schon am „Aktionsplan Westbalkan“ orientieren –, wenn auch das BAMF daneben sitzt, das dann auch über diese Anträge entscheidet. Nur dieser Konnex macht Sinn.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Düker, die Redezeit!
Monika Düker (GRÜNE): Das heißt: Wenn Sie immer 50 % der Wirklichkeit ausblenden, verunsichern Sie die Bevölkerung tatsächlich, weil Sie Scheinlösungen suggerieren, die überhaupt nicht umsetzbar sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)