Monika Düker: „Nicht nur die Zugewanderten müssen sich in unsere Systeme integrieren, sondern auch wir müssen die Bereitschaft haben, unsere Systeme zu öffnen“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein Teilhabe- und Integrationsgesetz - erste Lesung

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist bereits von meinen Vorrednern erwähnt worden: Das Einwanderungsland NRW hat seit 20 Jahren die gute Tradition, im Bereich der Integrationspolitik den Konsens der demokratischen Fraktionen zu suchen. Das ist auch gut so.

Ich freue mich, dass diese gute Tradition mit der Einladung zu Beratungen über diesen Gesetzentwurf auch von dieser Koalition fortgesetzt wird. Das hat in der Vergangenheit nicht immer gut geklappt; das muss man der Fairness halber hinzufügen – aber geschenkt. Herr Yetim hat die Verdienste des Integrationsministers Schneider hervorgehoben, Frau Wermer die Verdienste des Integrationsministers Laschet – geschenkt. Das darf hier jeder und jede auch so tun.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration)

– Richtig, es gibt noch einen Integrationsministers Stamp. Aber offenbar sind Sie bei der Erwähnung heute nicht …

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Das wollten wir Ihnen überlassen!)

– Okay. Das könnte ich ja jetzt machen. Dann bedanke ich mich – damit sie alle einmal genannt wurden – ausdrücklich beim Integrationsminister Stamp, dass auch er die Tradition fortsetzt.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich will aber ganz klar sagen, dass dieses Bekenntnis 2001 – ich glaube, ich bin eine der wenigen, die damals an dieser Integrationsoffensive mitgearbeitet haben – nicht selbstverständlich war. Ich fürchte, das wäre im Jahr 2021 noch schwieriger, als es damals war. Deswegen ist es gut, dass diese gemeinsam getragene Offensive weiterhin Bestand hat und sich bis jetzt alle Fraktionen darauf beziehen und dass gerade in Zeiten der üblen Hetze von rechts, die wir gleich wieder hören werden, die demokratischen Fraktionen zusammenstehen.

Integration erfolgt vor allem vor Ort. Der wichtigste Ansatz der Landespolitik muss es daher sein – das ist auch kontinuierlich erfolgt –, die Arbeit vor Ort in den wichtigen integrationspolitischen Bereichen zu unterstützen; in Bildung, Arbeit und Wohnen.

Erfolgreiche Integrationspolitik betrachtet Integrationspolitik nicht als Einbahnstraße. Auch darüber besteht ein Konsens, und das ist gut so. Nicht nur die Zugewanderten müssen sich in unsere Systeme integrieren, sondern auch wir müssen die Bereitschaft haben, unsere Systeme zu öffnen.

Das bedeutet: Unsere Regelsysteme wie Beratungsstellen, das Schulsystem, öffentliche Stellen, die Arbeitsagentur – all das muss sich interkulturell öffnen. Für die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz braucht es Unterstützung. Auch dies ist Bestandteil des Gesetzentwurfs, und das ist auch gut so.

Auch der Schutz vor Diskriminierung und Rassismus gehört dazu, wenn wir über erfolgreiche Integration sprechen. Hier könnten wir uns an der einen oder anderen Stelle mehr vorstellen, zum Beispiel eine Landesantidiskriminierungsstelle, ein verbindlicheres Landesantidiskriminierungsgesetz. Aber auch das ist im Gesetz enthalten.

Konkret begrüßen wir – das will ich ausdrücklich sagen –, dass neben den Projektmitteln eine verlässliche Grundfinanzierung für eine Integrationsinfrastruktur gesetzlich verankert wird. Das hat der Minister gesagt, und es ist wichtig, dass das verankert ist. Wir dürfen uns bei der Integrationsarbeit nicht immer nur von Projekt zu Projekt hangeln. Es ist eine Daueraufgabe, und die braucht eine dauerhafte Absicherung. Deswegen begrüßen wir diese Verankerung besonders.

Und wir begrüßen besonders, dass bei dem Integrationsmanagement weiterhin nicht nach Status unterschieden wird. Auch das war nicht selbstverständlich. Das Gesetz aus 2012 – damals von Rot-Grün eingebracht, aber von der Opposition mitgetragen – besagte, dass Integration von Anfang an ein Wert für alle ist.

Das heißt, diese Maßnahmen beziehen sich ausdrücklich auch auf Geflüchtete im Asylverfahren, auf Geduldete, denn es profitieren am Ende alle, wenn nicht zwischen Migranten mit sicherem Status und Geflüchteten mit befristetem oder unsicherem Status unterschieden wird. Das war viele Jahre lang nicht selbstverständlich und wird von der Koalition fortgesetzt.

Es ist mir wichtig, diese beiden Punkte herauszustellen.

Wir werden natürlich in die Debatte noch Punkte einbringen, die uns noch nicht klar sind oder zu denen wir Zweifel haben. Das gehört dazu. Dies betrifft zum Beispiel den Grundsatz der Subsidiarität. Da sind wir etwas misstrauisch.

Ich weiß es aus dem Haushalt- und Finanzausschuss, die Kritik wird aber nicht nur in diesem Bereich vorgetragen, dass sich Wohlfahrtsverbände – das wird auch Sie erreicht haben – nicht mehr so sicher sind, ob der Grundsatz der Subsidiarität von dieser Regierung verfolgt wird, ob also die Beratungsstellen der Verbände, die gute Arbeit machen, weiterhin Bestand haben und es nicht auf Behörden übertragen wird. Das werden wir ansprechen und sicherlich im Verfahren diskutieren.

Zur Antidiskriminierungsarbeit habe ich schon etwas gesagt.

Zum Schluss komme ich zu einem Punkt, der gestern hier streitig diskutiert wurde: Bildung für Flüchtlingskinder. Im Gesetz gibt es nur ein schulnahes Bildungsangebot für die Kinder in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes. Die Aufenthaltsdauer der Kinder in den Einrichtungen beträgt, ob Sie das wollen oder nicht, mehr als ein halbes Jahr, zum Teil zehn Monate. Wir haben in den Asylverfahren immer noch diese langen Verfahren bei bestimmten Ländern.

Insofern brauchen diese Kinder auch in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen ein verbindliches und nicht nur ein schulnahes Bildungsangebot. Darauf haben sie einen Anspruch. Das kommt uns in diesem Gesetz auch etwas zu kurz.

Aber das alles werden wir sicherlich im Verfahren konstruktiv diskutieren. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)