Monika Düker: „Kamerasaufhängen allein reicht nicht. Die Abschreckungswirkung ist begrenzt“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Videobeobachtung stellt einen Eingriff in Grundrechte dar: in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf den Schutz der Privatsphäre. Dafür gelten in unserem Rechtsstaat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßgebot. Der Gesetzgeber ist, bevor er so etwas verlängert, gut beraten, hierzu Stellung zu nehmen.
Herr Lürbke, wieder einmal haben Sie den Anspruch einer Bürgerrechtspartei verwirkt, indem Sie nicht einmal einen Satz zu dieser Abwägung gesagt haben.
(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])
Das heißt nämlich: Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, müssen erstens einen legitimen Zweck verfolgen, zweitens geeignet und erforderlich und drittens angemessen sein. Vom Gesetzgeber wird nun einmal verlangt, dass dazu eine sorgfältige Abwägung stattfindet.
(Marc Lürbke [FDP]: Das ist doch abgehoben!)
Genau deshalb haben wir diesen Paragrafen befristet und eine Evaluierungsklausel ins Gesetz geschrieben. Ich habe den Eindruck, dass wir die Einzigen sind, die den Evaluierungsbericht überhaupt gelesen haben,
(Zurufe von Marc Lürbke [FDP] und Bodo Löttgen [CDU])
denn, Herr Kollege, schauen wir einmal auf die Zusammenfassung. Sie brauchen sich nur die letzten zwei Seiten durchzulesen. Das ist in dieser Debatte zumindest eine Erwähnung wert, denn in der Zusammenfassung steht auf Seite 54 – ich zitiere aus dem Bericht –:
„Der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitätsreduzierenden Effekts der Videoüberwachung konnte bisher allerdings nicht überzeugend geführt werden.“
Jetzt der letzte Satz:
„Einigkeit besteht unter Praktikern auch darin, dass die Einsatz- und Ermittlungsarbeit durch die Videobeobachtung wesentlich erleichtert wird.“
Also wäre es zumindest einen Satz wert gewesen, noch einmal zu bilanzieren: Was kann Videobeobachtung? Sie ist ein Mittel zur Gefahrenabwehr, nicht zur Strafverfolgung, also zur Verhinderung von Straftaten, und sie kann – dieses Wort ist bedeutungsvoll – Kriminalitätsbrennpunkte entschärfen.
Aber – auch dies ist noch einmal wichtig festzuhalten, und auch das sagt der Bericht – Kamerasaufhängen allein reicht nicht. Die Abschreckungswirkung ist begrenzt. Es funktioniert nur, wenn die Einsatzreaktionszeiten tatsächlich gewährleistet sind, das heißt, wenn in weniger als einer Minute jemand da ist, um zu helfen, und wenn die Videobeobachtung in ein Gesamtkonzept mit den Kommunen eingebettet ist.
Der Evaluierungsbericht – auch das gehört dazu, es an dieser Stelle zu erwähnen – kommt zu dem Schluss, dass dieser Effekt, der erzielt werden sollte, nicht überall gelungen ist.
(Marc Lürbke [FDP]: Wie in Düsseldorf!)
In Aachen ergab sich im nicht videobeobachteten Bereich eine stärkere Reduktion der Straf- taten als im beobachteten Bereich, und in Dortmund zeigte sich sogar ein Anstieg des Kriminalitätsaufkommens im beobachteten Bereich.
Alles in allem ist die Bilanz der Videobeobachtung, der § 15 a, sagen wir einmal, also sehr durchwachsen.
In Düsseldorf, meiner Heimatstadt, finde ich das eigentlich gut gelöst und dieses Mittel richtig eingesetzt, denn hier sind diese Differenziertheit und die Rahmenbedingungen gut ausformuliert: Der Einsatz ist in Düsseldorf auf bestimmte Zeiten begrenzt. Die Altstadt hat nicht nur die Kameras, sondern auch eine erhöhte Präsenz von Einsatzhundertschaften.
(Henning Höne [FDP]: Nur durch Videobeobachtung!)
Ich hoffe, Herr Minister, das bleibt Düsseldorf auch erhalten, denn die Kameras wirken nur in dieser Kombination mit einer erhöhten Präsenz von Polizei, und genau das sagen uns auch die Altstadtwirte: Wichtiger als die Kameras sind uns die Polizisten vor Ort.
In dieser Kombination – zu bestimmten Zeiten mit sehr kurzen Einsatzreaktionszeiten – kann das ein Mittel sein, Kriminalitätsbrennpunkte zu entschärfen. Videobeobachtung ist also bedingt – nicht allumfassend und immer – geeignet, an einzelnen Orten Kriminalitätsbrenn- punkte abzumildern.
Wofür Videobeobachtung aber nicht geeignet ist – das steht im Entwurf Ihres neuen Polizeigesetzes –: dass der Anwendungsbereich der Videobeobachtung ausgeweitet wird und sie nicht mehr nur an die konkreten Straftaten, die begangen werden, geknüpft wird, sondern auch an Orten stattfinden kann, an denen Straftaten verabredet oder vorbereitet werden – wie immer man das messen will. Wie wollen Sie das denn messen?
(Zurufe von Henning Höne [FDP] und von Marc Lürbke [FDP])
Straftaten können Sie messen, aber wie wollen Sie solche Orte identifizieren? Es ist also im Grunde eine Ausweitung.
Straftaten – das finde ich besonders verhängnisvoll in Ihrem neuen Polizeigesetz – müssen nicht mehr an die Beschaffenheit des Ortes gekoppelt sein. Was heißt das übersetzt? Dass hier Verdrängungseffekte entstehen können, und genau das ist mit dem Gesetz, so wie es jetzt vorliegt – wir werden die Frist um ein halbes Jahr verlängern und dem zustimmen –, nicht beabsichtigt gewesen.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!
Monika Düker (GRÜNE): Denn niemandem ist geholfen, wenn wir Kriminalität nur an andere Orte verschieben und sie nicht wirksam an einem Ort bekämpfen.
Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu und hoffen, dass das neue Polizeigesetz in diesem Punkt deutlich nachgebessert wird. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)

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