Monika Düker: „Jeder Flüchtling, der hierherkommt, ist ein Zuwanderer, der wichtige Potentiale mitbringt“

Antrag von SPD und GRÜNEN zu Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben wir hier über die steigenden Zahlen von Flüchtlingen vor allem unter dem Aspekt der Aufnahme und der Versorgung und der damit verbundenen Kosten diskutiert. Heute möchten wir mit diesem Antrag hier einen Perspektivwechsel vornehmen und andere Aspekte anführen.
Wir müssen uns – ja, das ist richtig – einerseits der humanitären Verantwortung stellen und eine angemessene Versorgung und Betreuung sicherstellen. Andererseits aber – das kommt in der Debatte viel zu kurz – müssen wir die Potenziale sehen, die diese Menschen mitbringen, und die hohe Bereitschaft dieser Menschen, ihre Potenziale hier auch einzubringen. Auch müssen wir ein ureigenes Interesse haben, diese Potenziale hier zu nutzen.
Leider ist der Fortschritt hier eine Schnecke. Es gibt die Erkenntnis, dass jeder Flüchtling auch ein Zuwanderer ist, der uns in unserer Gesellschaft bereichert und uns auch ökonomisch nützt, sodass eine schnelle Arbeitsmarktintegration von ureigenem Interesse ist. Leider ist diese Haltung in all den Verfahren, die es da gibt, noch nicht angekommen. In Teilen der CDU ist das auch noch nicht angekommen. Das sage ich, nachdem ich hier so einige Beiträge gehört habe.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder fünfte Asylbewerber bringt einen Hochschulabschluss mit. Jeder dritte hat eine Qualifikation, die der eines deutschen Facharbeiters entspricht. Ich lese Ihnen einmal folgendes Zitat vor:
„Damit den Asylbewerbern und Geduldeten der Schritt in den Arbeitsmarkt mit Erfolg gelingen kann, müssen sie durch entsprechende Maßnahmen zur Förderung des Spracherwerbs und der Integration unterstützt und gefördert werden.“
Das ist nicht aus einem grünen Wahlprogramm, sondern aus einem Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Diese Einsicht hat sich also inzwischen überall durchgesetzt. Leider ist das in großen Teilen der Politik nicht angekommen.
Wie ist denn die Realität eines Geflüchteten, der hier ankommt? Er hat jetzt nach drei Monaten einen Arbeitsmarktzugang. Ich finde die Position der FDP hierzu interessant, die besagt: sofort und immer. Sie haben doch im Bund regiert und damals die Position „neun Monate Arbeitsverbot“ vertreten und eine Vorrangregelung für 48 Monate getroffen. – Also, wie Sie da auf einmal zu einer ganz anderen Erkenntnis kommen, finde ich begrüßenswert. Es ist aber erstaunlich, wie schnell sich das bei der FDP wendet, wenn sie denn einmal in der Opposition ist.
Also, der Flüchtling kommt hier an. Er hat nach drei Monaten kein Arbeitsverbot mehr; aber er hat keinerlei Integrationskurse und keinerlei Deutschförderung erhalten. Er schafft es aber, einen Arbeitgeber zu finden, der ihn einstellen möchte. Dann geht er zu seiner Ausländerbehörde, wo er einen Arbeitserlaubnisantrag stellen muss. Dafür muss er seinem Arbeitgeber solch ein Formular mitbringen.
(Frau Düker hebt ein Formular in die Höhe.)
In diesem Formular muss der Arbeitgeber recht viele Dinge ausführen. Es gibt hinter dem Kästchen „Bemerkungen“ den Hinweis „Ausführliche Begründung auf gesondertem Blatt“ etc. – Das macht der Arbeitgeber auch mit, füllt das alles schön aus. Dann geht der Flüchtling wieder zu seiner Ausländerbehörde. Diese Ausländerbehörde schickt das an die ZAV, die Zentrale Arbeitsvermittlung, die die Vorrangprüfung durchführt.
Dieses ganze Verfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann auch schon mal bis zu drei Monate dauern. Dann hat der Flüchtling endlich seine Papiere bereit und geht zurück zum Arbeitgeber. Sie ahnen, was er da erfährt: Der Job ist weg. – Zu diesen Verfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Man braucht – das ist richtig – mehr Geld für Förderung. Es geht aber nicht nur darum!
Ich komme hier noch einmal auf den zuvor behandelten Tagesordnungspunkt zurück. Hier ist tatsächlich einmal Bürokratieabbau und Verfahrensvereinfachung möglich. Ich glaube nicht, dass diese Verfahren so in Beton gegossen sind, dass man das nicht schafft, wenn man sich vor Ort mit den Arbeitgebern – die haben ein hohes Interesse –, der Bundesagentur für Arbeit, den Ausländerbehörden – also allen zuständigen Behörden – zusammensetzt, um diese Prozesse zu beschleunigen. Ich glaube, das ist möglich.
Wir brauchen einerseits mehr Förderung während des Asylverfahrens. Zu Deutschkursen ist etwas gesagt worden. Wir brauchen allgemeine und berufsbezogene Sprachförderung auch nach einer Asylanerkennung; aber wir brauchen eben auch mehr Vernetzung und unbürokratische Verfahren. Das alles sind gut investierte Maßnahmen.
Die Bundesagentur für Arbeit sagt dazu – dem haben wir eigentlich nichts hinzuzufügen –:
„Werden diese sinnvollen und notwendigen Grundinvestitionen nicht getätigt, droht ein Vielfaches an Folgekosten, wenn die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft nicht gelingt.
Für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt ist zudem entscheidend, vorhandene Qualifikationen und Kompetenzen möglichst schnell festzustellen und Verfahren zur Anerkennung beruflicher Abschlüsse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit aller relevanten Akteure – den Arbeitsagenturen und Jobcentern, Ausländerbehörden, Anlaufstellen des Bundesamtes … und insbesondere den Anerkennungsstellen.“
Dies ist eine Pressemitteilung der Bundesanstalt für Arbeit vom Februar dieses Jahres. Ich glaube, damit ist alles gesagt.
Letzte Anmerkung zum Schluss: Herr Kerkhoff, um das dann vor Ort hinzubekommen, braucht man nicht nur mehr Geld und vielleicht einen runden Tisch, sondern man muss einen Perspektivwechsel vollziehen. Man muss seine Haltung ändern. Ich glaube, das ist in weiten Teilen der Politik nicht angekommen. Jeder Flüchtling, der hierherkommt, ist ein Zuwanderer, der wichtige Potentiale mitbringt, die uns nützen. Aus integrationspolitischer, aber auch aus ökonomischer Sicht vertun wir da Chancen. Das ist unglaublich. Wir müssen diesen Perspektivwechsel vollziehen. Ich glaube, dann ist sehr viel mehr möglich. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)