Monika Düker: „In der Finanzpolitik des Landes gilt das Prinzip Hoffnung“

Haushaltsplan 2019

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast zwei Jahre ist es her, dass der Ministerpräsident, damals Oppositionsführer, hier sein haushalts- und finanzpolitisches Regierungsprogramm für den Fall, dass er Ministerpräsident würde, vorgestellt hat. Das war am 14. Dezember 2016.
Was hat diese Regierung damals in der Opposition so alles versprochen? Schauen wir uns das doch einmal an.
Erstens sagte Herr Laschet damals: Ziel sei eine sparsame Landesverwaltung; keine zusätzlichen Beamten in die Ministerien. Die Aufblähung der Apparate von Rot-Grün habe ein Ende. Stattdessen würde man eine grundlegende Aufgabenkritik machen und Stellen konsequent abbauen.
Weiter sagte Herr Laschet – er ist jetzt nicht da, aber es wurde ja breit getragen und beklatscht –, mit den ganzen Förderprogrammen von Rot-Grün müsse jetzt auch Schluss sein. Er sagte wörtlich: Man kann ja nicht jeden Tinnef in Programmen regeln.
Dann wurde waghalsig eine Drittellösung gefordert, die er auch umsetzen wolle. Die Drittellösung hieß für ihn damals: Bei Steuermehreinnahmen geht ein Drittel in den Schuldenabbau, ein Drittel in Investitionen und ein Drittel in die Entlastung der Bürger. Auch die Gewerbesteuer, die Grundsteuer in den Kommunen müssten gesenkt werden usw. usf.
Wie sieht es denn nun im real existierenden Regierungshandeln zwei Jahre danach aus? Die Steuereinnahmen sprudeln, sodass man meinen könnte, man kann diese hehren Ansprüche ja wunderbar umsetzen. – Insgesamt verfügt diese Koalition seit Regierungsübernahme über 6,4 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen gegenüber dem letzten Haushalt von Rot-Grün. Was ist denn nun mit der angekündigten Drittellösung? Rechnen wir das einmal durch.
Erstens wurde nachweislich von diesem üppigen Geldsegen nicht mehr investiert, Herr Lienenkämper. Das ist das größte Problem, denn die Investitionsquote dümpelt auf niedrigem Niveau vor sich hin. Sie sinkt sogar in der mittelfristigen Finanzplanung.
Nehmen wir das nächste Drittel: Schuldenabbau. Auch hier finden wir nur homöopathische Dosen. Ein Drittel von gut 6 Milliarden Euro sind nach Adam Riese 2 Milliarden Euro, die in den Schuldenabbau gehen müssten. Was ist passiert? – Insgesamt 180 Millionen Euro. Ich würde einmal sagen: Da ist noch gut Luft nach oben in Bezug auf das, was Sie den Wählerinnen und Wählern versprochen haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise in den Kommunen ist auch nicht in Sicht. Und was ist aus der sparsamen Landesverwaltung geworden? – Statt Aufgabenkritik und konsequentem Stellenabbau haben wir – mit drei Haushalten, muss man dazusagen – 450 Stellen mehr in den Ministerien. Allein in der Staatskanzlei hat sich Herr Laschet einen ordentlichen Schluck aus der Pulle gegönnt und hat 60 Planstellen mehr zur Verfügung. Niemand kann sagen, wie das denn wieder eingespart werden soll.
Und was ist, last but not least, denn aus diesem „Tinnef“ geworden, den der Ministerpräsident damals abschaffen wollte?
(Beifall von den GRÜNEN)
Was findet sich denn so in den Erhöhungsanträgen der Koalitionsfraktionen? 170 Millionen Euro haben Sie in der zweiten Lesung noch einmal draufgepackt. – Natürlich ist es schön, wenn der Europäische Kulturmarken-Award von Berlin nach Essen geholt wird – der rote Teppich, ein bisschen Glamour fürs Ruhrgebiet, natürlich ist das schön. Oder es ist auch wichtig, die Bewahrung des verkehrshistorischen Kulturgutes mit 500.000 Euro zu finanzieren. Für die Jäger sind die Kühlcontainer für erlegtes Schwarzwild für 600.000 Euro wahrscheinlich auch sehr angenehm.
Ich würde jetzt nicht so weit gehen, wie der Ministerpräsident damals, und das als Tinnef bezeichnen. Nein, alles – aus dem jeweiligen Blickwinkel –nice to have. Aber das Problem ist: Wenn Sie es mit einem Steuermehraufkommen im Jahr 2019 gegenüber 2018 in Höhe von 2,6 Milliarden Euro nicht schaffen, diese 170 Millionen Euro Wohltaten – wo jeder im Wahlkreis vor Ort sicher einen schönen Scheck übergeben kann; ich gönne Ihnen allen das – aus den Mehreinnahmen zu finanzieren, sondern diese mit einer Entnahme aus der Rücklage von 2018 finanzieren, dann ist das ein finanzpolitischer Offenbarungseid, den Sie hier in der zweiten Lesung auf den Tisch gelegt haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das ist nicht die angekündigte Haushaltswende. Dieses selbstgefällige Selbstlob riecht dann nicht einmal mehr streng, Herr Lienenkämper, es ist einfach nur noch Etikettenschwindel.
Statt dieser finanzpolitischen Geisterfahrt braucht NRW aus unserer Sicht ein nachhaltiges Zukunftsprogramm, das zuallererst die Realitäten nicht ausblendet, wie Sie es tun.
Alle führenden Wirtschaftsinstitute, Herr Lienenkämper, prognostizieren ein reduziertes Wachstum. Das hat auch der Bundesfinanzminister in der Haushaltsdebatte des Bundes klar dargelegt. Die Trendwende wird nächstes Jahr kommen. Die fetten Jahre sind langsam vorbei. Offenbar meint der hiesige Finanzminister, an NRW wird das alles vorbeiziehen. Denn die mittelfristige Finanzplanung – man sehe und staune – geht weiter von astronomischen Steuermehreinnahmen aus. So soll das Steuervolumen von derzeit 61,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen laut der Ergänzung bis 2022 – also in drei Jahren – noch einmal um sage und schreibe 10 Milliarden Euro auf 71 Milliarden Euro steigen Herr Minister, das ist nicht Zweckoptimismus, das ist fahrlässige Finanzplanung. Das geben die führenden Wirtschaftsinstitute mit ihren Prognosen eben nicht her.
(Beifall von den GRÜNEN)
Nach dem Realitätssinn muss aus unserer Sicht jetzt, solange die Überschüsse da sind, eine konsequente Investitionsstrategie verfolgt werden. Wir müssen den Investitionsstau jetzt ab- bauen, denn den gibt es bei den Krankenhäusern, bei den Maßnahmen, die wir zur Klimaanpassung brauchen, in den Kommunen, bei der digitalen Infrastruktur, beim ÖPNV, bei der Integration, wo auch immer. Das wäre eine nachhaltige Finanzpolitik. Denn die heute vernachlässigten Investitionen, Herr Minister, sind Ihre Schulden von morgen. Deswegen muss jetzt mehr investiert werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu den Zukunftsinvestitionen gehören für uns aber auch Ausgaben für den Bildungsbereich. Wo bleibt die entschlossene Antwort der Schulministerin auf den zunehmenden Lehrermangel an Grundschulen? Eine Konsequenz wäre jetzt zum Beispiel, die Besoldungserhöhung auf A13 durchzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von der CDU)
Jetzt haben Sie das Geld, Frau Ministerin. Die Besoldungserhöhung könnte man – wir haben ein Konzept dazu vorgelegt – mit Mehrarbeit auf einem Zeitkonto kombinieren, um kurzfristig mehr Lehrerstunden zu schaffen.
Zu den Zukunftsinvestitionen gehören für uns auch und vor allem handlungsfähige Kommunen. Frau Scharrenbach – sie ist gerade nicht im Raum –, die Kommunen rennen mit ihren Hilferufen im Kommunalministerium gegen Mauern. Die Zuschüsse an die Kommunen für Geduldete haben Sie in der Opposition mehrfach gefordert, Kolleginnen und Kollegen. Jetzt wird nicht geliefert. Die Weiterleitung der Integrationspauschale ist auch so eine Trickserei. Von Herrn Stamp wurde vollmundig verkündet, jetzt gehe alles an die Kommunen. Auf die Frage, wie das gedeckt wird, haben Sie gesagt: Das machen dann die Fraktionen. – Die haben es aber nicht gemacht.
(Zuruf: Doch!)
Nein, für die 332 Millionen Euro findet sich keine Deckung im Haushalt.
Das heißt, es wird über das FlüAG finanziert, und am Ende zahlen es die Kommunen. (Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Das stimmt überhaupt nicht!)
Eine Antwort dazu steht aus. Sie können das gern einmal dem Finanzminister erklären. Er konnte uns im Haushalts- und Finanzausschuss keine Antwort darauf geben. Ich glaube, hier werden die Kommunen für dumm verkauft. Das sollten Sie dann aber auch sagen.
Eine zügige KiBiz-Reform – Herr Minister, das sage ich auch in Ihre Richtung – wurde in der Anhörung auch mehrfach durch die Kommunen angemahnt. Statt einer Übergangsfinanzierung, um Löcher zu stopfen, brauchen wir hier eine konsequente Reform.
(Henning Höne [FDP]: Wer hätte die denn vorbereiten können? Seit 2012! – Gegenruf von Wolfgang Jörg [SPD]: Nach zwei Jahren Regierung hätte man das selber machen können!)
Auch der Bedarf bei der Klimaanpassung wurde von den Kommunen angemahnt. Die Klimafolgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssten auch langsam bei Ihnen angekommen sein. Die Kommunen müssen sich durch Frischluftschneisen und Maßnahmen zur Entsiegelung sowie einer Vorsorge gegen Überschwemmungen auf heiße Sommer einrichten. All dies mahnen die Kommunen an. Sie brauchen hierbei Unterstützung vonseiten des Landes. Es gibt nichts. Das gilt auch für die Altlastensanierung und den ÖPNV-Ausbau. Die Liste lässt sich weiter fortsetzen; es gibt keine Antwort auf diese Herausforderungen.
Vor allen Dingen warten wir noch immer auf eine Antwort der Landesregierung zu den Altschulden. Wenn nicht jetzt, wann dann sollte es einen Schuldenschnitt für die Kommunen geben, bei niedrigen Zinsen und sprudelnden Steuereinnahmen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn man zuwartet, wird es immer nur noch teurer. Wenn man die Kommunen hier entlastet, können sie perspektivisch vielleicht auch wieder ihre Steuern senken. Schließlich ist es doch gewünscht, Wirtschaft und Bürger zu entlasten. Aber dafür brauchen sie Unterstützung.
(Zuruf von der FDP: Hört, hört!)
Mein Fazit lautet: In der Finanzpolitik des Landes gilt das Prinzip Hoffnung: Die Party geht irgendwie weiter, die sprudelnden Steuereinnahmen werden schon nicht versiegen, und man kann einfach so weitermachen und verteilt Wohltaten mit der Gießkanne, statt nachhaltig zu investieren.
Zudem gibt es keine Antworten auf die großen Herausforderungen wie die Klimakrise. Umwelt, Natur und Tierschutz haben in dieser Landesregierung eigentlich keine Lobby. Kommunen werden mit den drängendsten Problemen im Stich gelassen. Investitionsstaus und die Probleme mit Kassenkrediten könnten mit einem Altschuldenfonds schnell behoben werden. Auch hierauf gibt es noch keine Antwort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine nachhaltige Finanzpolitik ist das unserer Meinung nach nicht. Sie sind einmal mehr an Ihren eigenen Ansprüchen gescheitert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Präsident André Kuper: Frau Kollegin, es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Moritz von der CDU-Fraktion. – Bitte schön.
Arne Moritz (CDU): Liebe Frau Düker, ich habe vorhin von der simplen Oppositionsstrategie gesprochen, und Sie haben diesen Vorwurf gerade in Ihrer Rede als wahr bezeichnet. Vorhin haben Sie die Kosten in Höhe von 600.000 Euro für die Kühlcontainer für das Schwarzwild kritisiert.
(Zuruf von den GRÜNEN: Hat sie nicht! – Gegenruf von der CDU: Doch!)
Diese Kühlcontainer werden den Kreisen zur Verfügung gestellt, um die Wildschweine zentral zu lagern, und zwar im Rahmen einer Seuchenprävention. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Haben Sie eine Ahnung davon, welcher wirtschaftliche Schaden entstehen würde, wenn hier eine solche Seuche ausbrechen würde?
(Beifall von der CDU und der FDP)

Monika Düker (GRÜNE): Herr Moritz, Sie haben nicht genau zugehört. Ich habe die Kühlcontainer nicht kritisiert.
(Zurufe von der CDU)
Ich habe gesagt, aus Sicht der jeweiligen Bedarfsanmelder mag das alles nachvollziehbar sein. Ich habe auch nicht die Bewahrung des verkehrshistorischen Kulturguts, zum Beispiel das neue Eisenbahnmuseum in Sprockhövel oder wo auch immer, kritisiert. Das mag alles richtig und begründbar sein. Ich habe kritisiert, dass Sie das nicht aus den zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro finanzieren, sondern dass Sie das im Grunde auf Pump finanzieren. Das habe ich kritisiert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie eine nachhaltige und seriöse Finanzpolitik machen wollen – und das doch Ihr Anspruch –, sollten Sie das Geld nicht aus der Rücklage nehmen. Bei den derzeitigen Steuereinnahmen könnten Sie es vielmehr aus den laufenden Einnahmen decken. Das habe ich kritisiert und nichts anderes.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Wer zuhört, ist klar im Vorteil!)

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