Monika Düker: „Ihre Bilanz ist mehr als ernüchternd“

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Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Es gibt nur einen Weg zur Glaubwürdigkeit in der Politik: Man muss sagen, was man tut, und tun, was man sagt“, sagte Johannes Rau 1999. Dieser politische Leitsatz wurde nirgendwo mehr missachtet als in der Finanzpolitik dieser Regierung.

Das ist nicht nur schlecht für nachhaltige Finanzpolitik, sondern schadet unserer politischen Kultur insgesamt. Der daraus resultierende Vertrauensverlust in Politik wird uns am Ende alle treffen.

Was wurde von dieser Landesregierung vor der Wahl oder zu Beginn der Legislaturperiode nicht alles versprochen?

Ein Drittel aller Mehreinahmen sollten in Schuldenabbau, Investitionen und Steuersenkungen fließen, sagte Armin Laschet.

Mehrausgaben, so las man noch in den Wahlprogrammen, sollten durch Einsparungen kompensiert werden.

Der Haushalt sollte – so steht es im Koalitionsvertrag – durch ein neues Beschaffungsmanagement konsolidiert werden.

Aufgabenkritik, Stellenabbau sowie Konsequenzen aus der Reform der Lehrerausbildung mit der Angleichung der Besoldung für Lehrkräfte in Grundschulen und der Sekundarstufe I wurden ebenfalls versprochen.

Kredithilfen für besonders belastete Kommunen wurden von Frau Scharrenbach angekündigt.

Und dann das große Digitalisierungsversprechen! Mit der Digitalisierung der Verwaltung zur Konsolidierung sollte eine – Zitat – nachhaltige Dividende erzielt werden.

Außerdem wurde die Attraktivitätsoffensive im öffentlichen Dienst angekündigt.

Mit dem letzten Haushalt dieser Legislaturperiode haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Lienenkämper, auch Ihre allerletzte Chance verspielt, hier Glaubwürdigkeit zu zeigen und den Ankündigungen endlich einmal Taten folgen zu lassen.

(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Zimkeit [SPD])

Ihre Bilanz ist mehr als ernüchternd.

Ihre angeblich verstärkten Investitionen: Schauen wir einmal auf die Investitionsquote. Sie starteten mit 9,6 % im Jahr 2018. 2022, so Ihre Planung, soll sie auf 10,2 % steigen. Das sind homöopathische Dosen, die den Ansprüchen, die wir angesichts des Investitionsstaus in unserem Land – mithin 27 Milliarden Euro – haben, in keinster Weise gerecht werden.

Dass es anders geht, zeigt ein Blick in den Süden. Sie vergleichen sich doch immer so gerne mit den Bayern. Die Bayern schaffen es, in einem Krisenjahr wie 2021 eine Investitionsquote von 14,1 % zu erreichen. Warum schaffen wir das nicht? Es ist doch dringend nötig.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Dieses Versprechen bleibt für unsere Lehrkräfte mehr als leer. Das ist ein großer Vertrauensbruch. Aus meiner Sicht ist das eigentlich der größte Vertrauensbruch dieser Landesregierung und der mit den fatalsten Auswirkungen. Die unbesetzten Stellen insbesondere im Grundschulbereich und in der Sekundarstufe I sprechen da für sich.

Trotz Einnahmerekorden bei der Grunderwerbsteuer bekommen die Menschen nicht etwa, wie von Armin Laschet versprochen, etwas zurück. Sie bekommen gar nichts zurück.

Schauen wir auch hier mal auf die Zahlen: Gestartet mit 3,1 Milliarden Euro bei der Grunderwerbsteuer im Jahr 2017 verfügen Sie inzwischen – mit der Ergänzung in 2020 – über 4,1 Milliarden Euro Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. Kumuliert sind dies mehr als 3 Milliarden Euro. Keinen einzigen Euro davon haben Sie den Menschen zurückgegeben.

Dieses Versprechen von Armin Laschet ist Schall und Rauch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Versprechen von Frau Scharrenbach, die Kredithilfe für die Altschulden in dieser Legislaturperiode zu schaffen, ist eine komplette Fehlanzeige, was die Unterstützung unserer Kommunen angeht. Auch lässt die Regierung die Kommunen mit den Coronalasten allein.

Es gibt außer im Jahr 2020 keine Kompensation für die Gewerbesteuermindereinnahmen. Im Finanzausgleich gibt es nur Kreditierungen. Mit dieser Politik treiben Sie die Kommunen weiter in die Schuldenspirale, anstatt ihnen da herauszuhelfen. Die Kommunen brauchen keine weiteren Schulden, sondern echtes Geld, damit sie die großen Herausforderungen vor Ort meistern können.

Für mich ist sehr klar: Die Kommunen sind die ganz großen Verlierer dieser Regierung und dieser Finanzpolitik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hinzu kommt das aufgeblasene Digitalisierungsversprechen von Armin Lindner.

(Heiterkeit bei der FDP – Zuruf von der FDP: Armin Lindner? Den gibt es nicht!)

Ich höre ihn noch: Wir schaffen 1 Milliarde Digitalisierungsdividende mit der Vorstellung des Koalitionsvertrags. – Wo ist sie denn geblieben?

Schauen wir in den Bericht des Landesrechnungshofs.

(Zuruf)

– Ja, Herr Lindner und seine Versprechen, die er mit der Unterschrift unter diesen Koalitionsvertrag …

(Dietmar Brockes [FDP]: Aber er heißt nicht Armin! – Herbert Reul, Minister des Innern: Sie haben Armin gesagt!)

– Armin Laschet. Armin Lindner? Oh Gott, nein.

(Heiterkeit von der FDP)

Sie waren ja bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages fast wie siamesische Zwillinge. Dazwischen passte kein Blatt Papier.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Etwas mehr Distanz zum Koalitionspartner ist also immer gut, da haben Sie schon recht.

Was ist aus diesen Versprechen geworden? – Schaut man in den Bericht des Landesrechnungshofes vom Juni dieses Jahres, so wird bilanziert – ich zitiere –:

„Nach den Prüfungserkenntnissen stehen die bisher aus dem Programm DVN hervorgegangenen Ergebnisse im Missverhältnis zur Höhe der bewilligten Ressourcen: Das Programm ist durch Verzögerungen geprägt und die messbaren Ergebnisse sind überschaubar.“

Wir haben nach diesen Ergebnissen im Haushalt gefragt. Was bekommen wir als Antwort? – Von der milliardenschweren Digitalisierungsdividende sind im Haushalt nach Aussage der Regierung – Achtung! – Einsparungen in Höhe von 26,5 Millionen Euro zu verzeichnen, die sich aber in der GMA verstecken und eigentlich gar nicht genau darstellbar sind.

Genauso wenig darstellbar sind die angeblichen Ergebnisse der angekündigten Aufgabenkritik und der damit verbundene Stellenabbau. Statt Stellenabbau gibt es ungefähr 1.000 neue Stellen in den Ministerien. Da hat diese Regierung in fünf Jahren mehr geschafft – fast doppelt so viel – als wir in rot-grünen Zeiten, als das Innenministerium angesichts der Flüchtlingskrise sehr viele neue Stellen benötigte. Hier haben Sie sich wirklich einen ganz großen Schluck aus der Pulle genommen.

Auf die Ankündigung von Armin Laschet: „Das werden wir irgendwie wieder einsparen“ – ja, wo denn? – kommt die Antwort: mit der globalen Minderausgabe.

Was aber steckt denn in der globalen Minderausgabe? – Das sind doch die unbesetzten Stellen insbesondere an unseren Schulen.

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer, die Vertretungsunterricht ohne Ende machen dürfen, weil die Stellen nicht besetzt werden, können sich bedanken. Die nicht verausgabten Mittel sorgen dafür, dass in der Staatskanzlei neue Referate und in den Ministerien andere Nettigkeiten geschaffen werden. Dieses Geld wäre besser zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes eingesetzt worden anstatt für neue Ministeriumsstellen. Auch hier also eine komplette Fehlanzeige!

Diese Initiative ist gescheitert. Nichts von den Vorschlägen der Gewerkschaften – ich kann sie aufzählen – wurde aufgegriffen: Es hat sich nichts bei der Reduzierung der Arbeitszeit in Verbindung mit Lebensarbeitszeitkonten getan. Es hat sich nichts bei den Vorschlägen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan, dass eine Stunde von der 41-Stunden-Woche für pflegebedürftige Familienangehörige verwendet werden kann.

Andere Bundesländer wie Hessen haben davon etwas umgesetzt. Hier aber wurde den Gewerkschaften einfach die Rote Karte und die kalte Schulter gezeigt. Es durfte alles nichts kosten. Wir können es uns aber angesichts der nicht besetzten Stellen, die Höchststände erreichen, und im Kampf um die besten Köpfe in diesem Land schlicht nicht mehr leisten, so mit dem öffentlichen Dienst umzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Zimkeit [SPD])

Zum Rettungsschirm, Herr Lienenkämper: Auch hier gibt es verpasste Chancen. Ich habe Ihnen im Haushaltsausschuss bereits gesagt, dass es mir irgendwie so vorkommt, als sei dieser Rettungsschirm ein Wünsch-dir-was-Programm. Für jeden ist etwas dabei, und wer die besten Kontakte zum Finanzminister hat, bekommt etwas.

Hier sitzt ein Kollege, der ordentlich abgesahnt hat. – Herr Reul, Sie haben mal eben 50 Million Euro aus dem Rettungsschirm für die IT-Ausstattung der Polizei bekommen. Herzlichen Glückwunsch! Ich weiß nur nicht, was die neuen Handys der Polizisten und die neuen Back-up-Server mit Corona zu tun haben. Offenbar haben Sie die besseren Kontakte. Hier sind enorme Mitnahmeeffekte zu verzeichnen. Diese Investitionen wären besser woanders getätigt worden.

Zum Schluss zu einer guten Tradition, die Hendrik Wüst in der Nachfolge von Armin Laschet leider fortsetzt, nämlich dass auch er sich als Ministerpräsident wie sein Vorgänger ach so gerne das grüne Mäntelchen umhängt. Hendrik Wüst hat uns hier ganz großartig von der Bewahrung der Schöpfung erzählt, die sein Herzensthema sei.

Schauen wir uns aber mal den Haushalt an – und Haushalt ist Politik in Zahlen –: Frau Ministerin, der Naturschutzetat beträgt 36 Millionen Euro. Er wurde in dieser Legislaturperiode um keinen Euro erhöht, nicht mal nach der Artenschutzinitiative.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: 1,7 Millionen!)

Schauen wir auf das Land Bayern. Mit erfolgreichen Volksbegehren hat Bayern allein 71 Millionen Euro zusätzlich für den Naturschutz aufgelegt. Bei uns gibt es nicht einen Euro mehr. Der Haushalt ist das Stiefkind dieser Landesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Deswegen sind es Lippenbekenntnisse, wenn wir von diesem Ministerpräsidenten hören, dass ihm die Bewahrung der Schöpfung doch ach so sehr am Herzen liegt.

Ebenso wenig, Frau Ministerin, sind in Ihren Einzelplan ausreichende Mittel für das Klimaanpassungsgesetz eingestellt worden.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Das stimmt nicht! – Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Nichts davon ist finanziell hinterlegt.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Doch!)

Sie haben ein schönes Programm aus dem Rettungsschirm bekommen. Herzlichen Glückwunsch! Auch da waren Sie beim Finanzminister erfolgreicher als andere Kollegen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Davon ist aber überhaupt noch nichts verausgabt. Fragen Sie da nicht mal nach? Schauen Sie in die Bilanz, 31.08.: Von den 15 Millionen Euro sind nur einige Hunderttausend Euro verausgabt.

Es ist also noch nichts verausgabt worden. Auch hier Fehlanzeige! Da helfen Ihnen Ihre ganzen Artenschutzkonferenzen nichts, Frau Ministerin. Die Zahlen in diesem Haushalt sprechen eine andere Sprache.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Klima- und Umweltschutz sind nicht gut aufgehoben bei dieser Landesregierung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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