Monika Düker: „Ich glaube, dass hier keine Zeit damit vertan werden soll, auf stabilere Verhältnisse dort zu hoffen.“

Novelle des Flüchtlingsaufnahmegesetz

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktuellen Schätzungen zufolge sind im Irak mehr als 1,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Es sind hauptsächlich ethnische und religiöse Minderheiten, die vor der Gewalt und der barbarischen Verfolgung der IS geflohen sind. Hinzu kommen – das wird oftmals vergessen – weit über 200.000 syrische Flüchtlinge, die über die Grenzen geflohen sind und in dieser Region Schutz gesucht haben.
Die Sicherheitslage stellt derzeit eine ganz große Herausforderung für alle Helfer dar, da die Flüchtlinge und die Vertriebenen nicht stationär in Flüchtlingslagern untergebracht sind, sondern sich sehr stark in der Region bewegen und Korridore und sichere Transportwege zu den Betroffenen sehr schwer herzustellen sind. Die Helfer haben große Schwierigkeiten, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen bzw. sie überhaupt zu erreichen. Die gesamte Region kommt mit diesen Flüchtlingen an ihre Grenzen und ist überfordert.
Als Reaktion darauf hat die Türkei schon die Grenze geschlossen. Mir liegt der Bericht einer Familie vor, die versucht hat, über die türkische Grenze zu kommen, vor der geschlossenen Grenze stand, jetzt im Niemandsland auf der Straße schläft und durch die UN kaum mit dem Nötigsten versorgt werden kann. Berichte über solche Schicksale, auch über Einzelschicksale von Menschen, erreichen uns täglich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen leider davon ausgehen, dass Krieg und Verfolgung im Irak andauern werden. Daher sollten wir nicht den Fehler machen, den die Bundes-regierung bei dem Konflikt in Syrien gemacht hat, nämlich zuzuwarten – vielleicht entwickelt sich das noch, vielleicht entspannt sich die Lage wieder – und sich erst sehr spät, nach sehr langem, zähem Ringen, bereitzuerklären, syrische Flüchtlinge aufzunehmen, und zwar Stück für Stück, in drei Aufnahmeprogrammen: erst 5.000, dann noch einmal 5.000 und jetzt noch einmal 10.000.
Ich denke, es ist richtig – daher die heutige Initiative der rot-grünen Koalition –, schon jetzt die Voraussetzungen für ein Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus dem Irak zu schaffen, auch wenn es aktuell unglaublich schwer ist – der Minister hat es dargestellt; die Informationen erreichten mich auch –, die Menschen aus der Krisenregion herauszuholen, sie mit Papieren zu versorgen, sie zu den Botschaften zu bringen, ihnen Visa zu erteilen und sie tat-sächlich aus der Not herauszubringen. Ich glaube dennoch, dass hier keine Zeit damit vertan werden soll, auf stabilere Verhältnisse dort zu hoffen, sondern wir sollten jetzt eine Initiative starten und ein Angebot machen, Menschen, die in Not sind, aus der Situation herauszuholen.
Schon 2008 sind im Übrigen auf Initiative der Innenministerkonferenz 2.500 Iraker – das dürfen wir nicht vergessen – in Deutschland aufgenommen worden. Das war ein CDU-Integrationsminister. Herr Kruse, wenn Sie sich an die Zeit noch erinnern: Es war Armin Laschet, der damals die Iraker in Nordrhein-Westfalen aufgenommen und gesagt hat: Wir müssen in Nordrhein-Westfalen eine Willkommenskultur für diese Menschen schaffen. – Armin Laschet hat damals recht gehabt. Genauso wichtig ist es, heute hier für diese Menschen eine Willkommenskultur herzustellen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Im Übrigen ist eine gute Integration der Menschen gelungen, die wir damals hier aufgenommen haben. Ein Aufnahmeprogramm in Deutschland – und auch eines der EU – wäre also auch aus unserer Sicht ein wichtiges Signal, nicht nur für die Menschen in Not, sondern auch zur Unterstützung der gesamten Region, die von der Gefahr der Destabilisierung betroffen ist, selbst wenn es, wie gesagt, derzeit schwierig ist, die Menschen hierherzuholen und eine Ausreise zu organisieren.
Zum FDP-Antrag: Herr Stamp, bemerkenswert finde ich immer wieder, dass die FDP erst in Oppositionszeiten – leider, kann ich nur sagen – den Flüchtlingsschutz aus humanitären Gründen entdeckt. Ich habe hier fünf Jahre lang einen Innenminister Wolf erlebt, und ich hätte mir auch einmal in Regierungszeiten solche Signale wie die, die Sie jetzt dankens-werterweise aussenden, von einem Innenminister der FDP in aktueller Verantwortung in ei-ner Innenministerkonferenz gewünscht. Da war fünf Jahre lang Funkstille. Das finde ich sehr schade.
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Abschaffung der Kettenduldung!)
Trotz alledem begrüße ich das und bedanke mich für Ihre Initiative. Man sollte ja nicht zurückschauen, sondern nach vorne, und jedem die Chance geben, die Politik zu verändern. Es ist gut, dass Sie die Politik hier verändert haben.
Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass der Innenminister auch als IMK-Vorsitzender – er hat es ja angekündigt – das Thema in die Innenministerkonferenz einbringt und versucht, das in Abstimmung mit den anderen Bundesländern und dem BMI zu machen; denn nur so funktionieren solche Landesprogramme. Da braucht es die Zustimmung des BMI. Alle Landesprogramme, die es in der Vergangenheit gab, wurden in der Innenministerkonferenz vorabgestimmt, und es ist auch richtig so, dass hier alle Länder an einem Strang ziehen.
Wir haben Ihnen auch das Angebot gemacht, eine entsprechende Formulierung in unseren Antrag aufzunehmen, damit Sie dem zustimmen können. Leider haben Sie dieses Angebot abgelehnt und auf Ihrem eigenen Antrag beharrt. Das finde ich schade.
Aber ich gehe davon aus, dass sich dieser Innenminister dieses Bundeslandes auch weiter-hin in der Innenministerkonferenz für die Aufnahme von Flüchtlingen einsetzt, so wie er es auch für die syrischen Flüchtlinge getan hat.
Um es noch einmal abschließend zu sagen: Es war die Initiative aus NRW, die maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir ein drittes Bundeskontingent mit weiteren 10.000 Flüchtlingen aus Syrien tatsächlich umsetzen können. Dafür gebührt Ralf Jäger auch mal ein herzlicher Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz gehen wir zwei Dinge an.
Der eine Punkt ist die Entlastung der Kommunen, indem wir den Kommunen 32 Millionen € mehr wegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz zur Verfügung stellen. Damit hat das Land NRW in insgesamt vier Jahren 74 Millionen € über die im Flüchtlingsaufnahmegesetz ausgewiesenen Pauschalen hinaus an die Kommunen geleistet.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Achten Sie bitte auf die Zeit, Frau Kollegin.
Monika Düker (GRÜNE): Das ist das Eine, was wir mit diesem Gesetz möchten.
Das Zweite ist die Anrechnung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge unter 16 Jahren auf die Quote von aufzunehmenden erwachsenen Flüchtlingen, da die Versorgung der Minderjährigen gerade in den Grenzregionen die Kommunen vor besondere Herausforderungen stellt. Auch hier möchten wir sie entlasten.
Schönen Dank. Morgen haben wir ja noch weitere Debatten dazu.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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