Monika Düker: „Ich finde die Aufnahmequote von 1000 syrischen Flüchtlingen in NRW erbärmlich wenig.“

Antrag der Piraten zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über 6 Millionen Syrerinnen und Syrer sind mittlerweile zu Flüchtlingen geworden – 2 Millionen in den Nachbarstaaten und über 4 Millionen im eigenen Land. Das ist fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Die Tendenz ist leider steigend. Die Nachbarländer sind völlig überfordert. Herr Marquardt hat die Zahlen hier genannt.
Daher teile ich auch die Auffassung, die von den Vorrednern von den Piraten und insbesondere von der SPD vertreten wurde, dass das, was Deutschland mit den beschlossenen Aufnahmequoten hier an Solidarität zeigt, tatsächlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein und eigentlich erbärmlich wenig ist.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
5.000 hat der Bund festgelegt. Davon kommen 1.000 in Nordrhein-Westfalen an. Die Aufnahmequote ist durch eine eigene Landesanordnung im September …
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU] – Gegenruf von Marc Herter [SPD])
– Ich finde das erbärmlich wenig, Herr Sieveke. So bewerte ich diese Dinge. Sie können da zu einer anderen Auffassung kommen. Ich finde das erbärmlich wenig – ganz klar.
Am 26. September 2013 hat das Land diese Aufnahmequote für Nordrhein-Westfalen durch eine eigene Anordnung um 1.000 erhöht und damit verdoppelt. Das Kontingent ist bekannt. Bei der Hotline sind inzwischen über 4.000 Meldungen eingegangen.
(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU] – Gegenruf von Sigrid Beer [GRÜNE])
Wo stehen wir zwei Monate später? Schauen wir uns die Situation zwei Monate später an, stellen wir fest, dass zwei Monate später – ich habe mich erkundigt; es sind nicht die ganz aktuellen Zahlen, glaube ich – erst ca. 20 Visa ausgestellt worden sind. 400 Personen haben Bedarf angemeldet. Erst ungefähr fünf Personen – das war die letzte Zahl, die ich auf Nachfrage erhalten habe – sind zwei Monate nach diesem zusätzlichen Kontingent von 1.000 Personen angekommen.
Liebe Piratinnen und Piraten, wir müssen uns doch fragen, warum das so ist, um da auch ein bisschen den Finger in die Wunde zu legen; denn die Auslandsvertretung – ich habe mir von Flüchtlingsorganisationen vortragen lassen, wie die Erstellung dieser Visa funktioniert bzw. nicht funktioniert – ist völlig überlastet. Man bekommt keine Termine bei den Botschaften im Libanon und in Jordanien. Auch das, Herr Minister, meine ich, müsste auf der Innenministerkonferenz dringend angesprochen werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ähnlich sieht es mit der Aufnahme aus diesem Kontingent von 5.000 aus. Von den 1.000, die NRW aus diesem Kontingent aufnehmen will, sind erst knapp 200 hier angekommen. Das ist auch aufgrund all dieser bürokratischen Hürden so. Deswegen begrüße ich einerseits die Initiative aus Nordrhein-Westfalen bei der Innenministerkonferenz, dass das Kontingent von 5.000 aufgestockt wird. Gleichzeitig aber – das müssen wir immer wieder sagen – ist es notwendig, die Hürden für die Menschen abzubauen, die letztlich bei den Auslandsvertretungen – nicht bei den Ausländerbehörden – vorhanden sind.
Ich schaue nach vorne: Ein Zuständigkeitszwist zwischen Bund und Ländern darf nicht auf dem Rücken der betroffenen Menschen, die in größter Not sind, ausgetragen werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deswegen müssen Bund und Länder hier zusammenarbeiten. Auf beiden Ebenen muss Verantwortung übernommen werden. Perspektivisch aber wird sich – das kann ich für meine Fraktion hier sehr deutlich erklären – Nordrhein-Westfalen nicht verschließen. Wir stehen auch dafür, dass Nordrhein-Westfalen dies nicht tut, sondern vielmehr das Kontingent aufstockt und eine neue Anordnung trifft. – Es darf hier nichts auf dem Rücken der Menschen ausgetragen werden.
Zweitens. Wir brauchen – auch perspektivisch – möglichst auf EU-Ebene dauerhafte Aufnahmequoten im Rahmen des sogenannten Resettlement-Verfahrens für besonders Schutzbedürftige. Wenn das aber nicht absehbar ist – das ist leider der Fall – brauchen wir das zumindest auf nationaler Ebene. Was heißt das? Es werden Quoten ausgeschrieben, sodass Menschen aus Krisenregionen ohne große bürokratische Hürden möglichst schnell hierher kommen können. Es ist herzlich wenig, was die Innenministerkonferenz 2011 dazu geschlossen hat. Sie hat ein institutionalisiertes Resettlement – jedoch lediglich mit einem jährlichen Aufnahmekontingent, befristet von 2012 bis 2014, für 300 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge – beschlossen
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Düker, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Herrmann?
Monika Düker (GRÜNE): Gerne.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Herrmann.
Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank für die Zulassung der Zwischenfrage. – Wir müssen das trennen: Wir haben 5.000 wirklich notleidende Flüchtlinge. Weiter gibt es die 1.000 Menschen, die im Rahmen des Familiennachzugs – dabei handelt es sich um eher wohlhabende Familien – nach NRW kommen, wo das Land NRW eigentlich überhaupt keine Kosten hat. Sie haben gerade gesagt, dass erst 5 Visa erteilt worden sind.
Monika Düker (GRÜNE): Nein, 5 Personen sind eingereist.
Frank Herrmann (PIRATEN): Oder 5 Personen sind eingereist. Okay! Entschuldigung! – Sie haben die Komplexität und Kompliziertheit der Aufnahmeanordnung sowie des Verfahrens bemängelt. Ich möchte Sie fragen: Wer ist dafür zuständig, dass diese Verfahren so kompliziert sind? Wer könnte da für Vereinfachung sorgen?
Monika Düker (GRÜNE): Danke für die Frage! – Ich habe dargestellt, dass ich mit Flüchtlingsorganisationen und Betreuern bzw. Rechtsanwälten gesprochen und gefragt habe: Warum kommen die hier nicht an? – Die Antwort war leider immer wieder: Weil die Botschaften bzw. die Auslandsvertretungen in den Fluchtländern Libanon, Jordanien und Türkei die Bearbeitung der Visa – obwohl eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde vorliegt – nicht vornehmen. Zum Teil bekommt man keinen Termin. Man kommt telefonisch nicht durch. E-Mails werden nicht beantwortet. Die Botschaften sind überlastet. Oder aber sie machen so schwachsinnige Dinge, wie zu sagen: Wir können die Legalisierung der Kinder nicht vornehmen. Die müssen wieder zur Botschaft nach Syrien zurück. – Solche Antworten bekommen die Menschen dort. Ich könnte hier lange darüber erzählen. Das sind die Probleme in den Auslandsvertretungen in den Fluchtländern. Das wurde mir so vorgetragen. Deswegen bitte ich den Innenminister, genau diese Probleme beim Bundesminister des Inneren vorzutragen. Das sind seine Auslandsvertretungen, und das ist seine Verantwortung.
Trotzdem meine ich, wir können es nicht darauf schieben. Das meine ich damit, wenn ich sage, dass das nicht auf dem Rücken der Leute ausgetragen werden darf. Wir müssen gucken, was wir hier als Land machen können, damit Menschen, die Verwandte in Nordrhein-Westfalen haben, vor Verfolgung und Not geschützt sind, indem sie hierher kommen. Das werden wir auch tun. Dieser Verantwortung werden wir uns auch stellen.
Die Innenministerkonferenz 2011 beschloss ein institutionalisiertes Resettlement. Das betrifft für die Zukunft 300 Personen pro Jahr. Auch das ist, Herr Sieveke, erbärmlich wenig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das bezeichne ich ebenfalls mit diesem Begriff. Es kann nicht sein, dass wir als Deutschland sagen: Wir verkraften nur ein Resettlement in Höhe von 300 Menschen pro Jahr. – Zusätzlich kommen aber noch Menschen im normalen Asylverfahren zu uns. Das dürfen wir bei allen Debatten nicht vergessen: In diesem Jahr sind bereits 10.000 Menschen nach Deutschland gekommen. Das sind Syrerinnen und Syrer, die ein Asylverfahren durchlaufen und in der Regel erst einmal vor Abschiebung geschützt sind.
Das habe ich zu den Perspektiven gesagt.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Oder Sie gestatten noch eine Zwischenfrage.
Monika Düker (GRÜNE): Ja, immer gerne.
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Marsching hatte sich gemeldet. Bitte schön.
Michele Marsching (PIRATEN): Frau Düker, unser Antrag zielt eigentlich einzig und allein darauf ab, die Grenze von 1.000 zu kappen. Mit dem, was Sie gesagt haben, haben Sie nicht Unrecht. Im Gegenteil: Die Verfahren müssen vereinfacht werden. Da muss etwas getan werden; das ist überhaupt keine Frage. Nur stellt sich mir die Frage: Inwiefern hindert unser Antrag, der einzig und allein auf die Kappung abzielt, daran, diese Verfahren trotzdem noch zu ändern? Dann könnte sogar noch als klares Signal gesagt werden: NRW will es verbessern. – Dass das nicht geschieht, verstehe ich nun wirklich nicht.
Vizepräsident Oliver Keymis: Diese Frage haben Sie jetzt Frau Düker gestellt. – Bitte schön.
Monika Düker (GRÜNE): Das eine schließt das andere nicht aus. Wir dürfen nicht nur auf die Zahl gucken, wir müssen auf die Verfahren gucken.
(Michele Marsching [PIRATEN]: Dann kann man doch hier zustimmen!)
– Ja, wir brauchen eine perspektivische Lösung. Man sollte auch ab und zu in die Zukunft gucken. Wir sollten nicht mehr darum zanken, sondern die Aufnahmequoten festschreiben. Wir müssen die Verfahren beschleunigen, und wir müssten, wenn wir in Nordrhein-Westfalen mehr aufnehmen wollten – ich will hier nicht technisch, sondern politisch argumentieren –, die Anordnung verändern. Technisch könnten wir diese Anordnung gar nicht verändern, sondern technisch müssten wir als Land Nordrhein-Westfalen eine neue Anordnung erlassen. Diese neue Anordnung – der Minister muss mich korrigieren, wenn das falsch ist – müsste auch wieder mit Zustimmung des BMI erfolgen. Das heißt, um mehr Menschen in Nordrhein-Westfalen aufnehmen zu können – wir sind dazu bereit –, können wir nicht so vorgehen, wie Sie es vorschlagen. Wir müssten eine neue Anordnung machen.
Politisch sind wir da auf einer Linie. Wir sind dazu bereit, eine neue Anordnung zu erlassen, um dann auch eine neue Zustimmung vom BMI zu bekommen. Politisch geht das in diese Richtung. Von daher meine ich: Deutschland und auch Nordrhein-Westfalen sollten sich hier etwas solidarischer zeigen als bisher. Nordrhein-Westfalen wird sich hier der Verantwortung nicht entziehen. Aber auch der Bund muss handeln. Schaut man auf die Herkunftsländer und die hohe Belastung in den Nachbarländern der Krisenregion – Libanon und Jordanien – oder aber auch auf andere Länder, wohin die Flüchtlinge in erster Linie fliehen, erkennt man, dass wir – das finde ich – perspektivisch feste Resettlement- bzw. Aufnahmequoten brauchen. Das wäre mein Wunsch. Das wäre mein Wunsch.
Ich stimme dem Kollegen Kruse ausnahmsweise mal zu.
(Zurufe von der SPD: Ui!)
– Ja, Herr Kruse, ab und zu muss das sein.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, Sie kommen in dieser Runde jetzt aber zum Schluss.
Monika Düker (GRÜNE): Genau! – Man kann diese Dinge wirklich nicht in fünf Minuten Redezeit abarbeiten. Denn es geht um Fragen wie: Wie gehen wir weiter vor? Wie operationalisiert man? Wir ziehen da an einem Strang. Ich bin insofern dankbar für den Redebeitrag von Herrn Kruse. Im Ausschuss hätten wir aber an der Sache orientiert weiterdiskutieren können. Das wollen Sie aber offenbar nicht. Sie wollen nach jeweils fünf Minuten Redezeit über einen Sachverhalt abstimmen, der vielleicht etwas schwieriger zu erörtern ist. Das finde ich schade, das bedauere ich. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mehr zum Thema

Geflüchtete Menschen