Monika Düker: „Ich finde das nicht nur inhuman, sondern organisatorisch überhaupt nicht umsetzbar“

Antrag der CDU zur Flüchtlingsaufnahme

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Scharrenbach! Ja, Wiederholungen machen Anträge nicht wirklich besser. Sie sollten tatsächlich mal die umfangreichen Vorlagen des Innenministeriums im Innen- und Kommunalausschuss lesen. Sie sind zwar nicht Mitglied im Innenausschuss, aber die Kollegen stellen Ihnen das sicher gerne zur Verfügung. Dann würden wir uns hier, glaube ich, so eine Debatte ersparen.
Der Dreiklang Ihres Antrags beginnt erst einmal, indem Sie – das finde ich schon ziemlich krass – alle Landesbediensteten pauschal beschimpfen, denn Sie loben die Kommunen, die Feuerwehren, die Hilfsorganisationen und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die alle im letzten Jahr Großartiges geleistet haben. Nur alles, was das Land angeht – das muss in die Arithmetik passen –, hat komplett versagt. Frau Scharrenbach, wissen Sie eigentlich, was Sie damit sagen? Wissen Sie, was in diesen Bezirksregierungen, auch in Arnsberg, viel gescholten, im letzten Jahr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geleistet haben, die sich oftmals nachts in Zimmern
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
ein Feldbett aufgestellt haben, 24 Stunden-Schichten geschoben haben und abends um acht nicht wussten, ob Mitternacht wieder ein Zug aus Bayern mit Hunderten von Flüchtlingen kommt, denen sie Obdach gewähren mussten? Ich finde es unverschämt, was Sie hier pauschal gegen alle Bediensteten im Land als Fehlleistung mal ebenso mit einem Federstrich feststellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nach dieser Beschimpfungsorgie … Natürlich sind auch Fehler gemacht worden. Ich bin weit davon entfernt, das alles schön zu reden. Aber so einfach ist die Welt nicht.
Zweitens ausführliches Lamento über zwei Seiten zu Allgemeinplätzen – der Kollege hat es gerade schon einmal ausführlich dargestellt –, die längst umgesetzt werden. Regionalgerechte Verteilung: Ja, wenn Sie das Konzept mal lesen würden, steht das drin. – Es ist Ziel, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen: Selbstverständlich erfüllen wir den. Passive flexible Reserve vorhalten: Das steht auch im Konzept. Flexibilität bei der Zahl der Erstaufnahmeplätze: Haben wir durch ein gestaffeltes System. – Amtshilfeersuchen brauchen wir nicht mehr, das machen wir auch nicht mehr.
Verantwortlicher Umgang mit staatlichen Ressourcen: Ja, nach diesen Allgemeinplätzen, die wir, glaube ich, nicht brauchen, wenn Sie, wie gesagt, einmal darauf schauen würden, was das Land an Konzepten vorlegt.
Dann kommen bekannte Forderungen – alter Wein in neuen Schläuchen –, was auch niemandem weiterhilft. Wir haben Ihren Vorstoß mindestens schon zweimal diskutiert: Asylsuchende mit niedriger Bleibewahrscheinlichkeit – Sie können das auch heute nicht definieren, wer das denn ist – sollen in die Landeseinrichtungen zurücküberwiesen werden. Ist das, Frau Scharrenbach, eigentlich durchdacht? Auch bei Ihrem letzten Antrag, in dem Sie genau dasselbe schon einmal für den Westbalkan gefordert haben, habe ich Sie gefragt – das wollen Sie jetzt noch ausdehnen –, ob das wirklich zu Ende gedacht ist.
Wir haben ungefähr 100.000 Menschen, die nicht wegen des Landes ohne Antragstellung den Kommunen zugeteilt wurden, sondern die wegen fehlender Kapazitäten beim BAMF noch keinen Asylantrag hier in Nordrhein-Westfalen stellen konnten.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Ja, da haben wir auch viele bei mit einer niedrigen Bleibewahrscheinlichkeit. Die leben zum Teil ein Jahr hier, zum Teil warten die Menschen zwei Jahre, bis sie überhaupt einen Antrag stellen können, in den Kommunen. Die Kinder gehen zur Schule. Die Kinder haben Schulfreunde gefunden. Sie sind im Sportverein, spielen in der Fußballmannschaft mit. Da steht Frau Scharrenbach da und sagt: Kofferpacken, ihr geht alle zurück in die zentrale Einrichtung des Landes. Hier ist mal Schluss mit lustig. Sagen Sie mal, haben Sie das eigentlich zu Ende gedacht, was Sie hier fordern?
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)
Ich finde das nicht nur inhuman, sondern organisatorisch überhaupt nicht umsetzbar.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin Düker, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Scharrenbach?
Monika Düker (GRÜNE): Bitte.
Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. Bitte schön, Frau Scharrenbach.
Monika Düker (GRÜNE): Vielleicht hilft es ja weiter, dass wir ja mal Klarheit haben.
Ina Scharrenbach (CDU): Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Frau Düker! Vorab haben wir in dem Antrag die gewaltige Gemeinschaftsleistung von Staat und Bürgerschaft gelobt – das vielleicht zu Ihrer Kenntnis.
Zu dem Zurückholen: Selbst der Rat der Stadt Essen hat kürzlich in diesem Jahr eine entsprechende Resolution verabschiedet, in der er genau das auch fordert. Sie wissen, dass beispielsweise der Kreis Unna eine hohe Belastung hat. Deshalb möchten wir gern von Ihnen wissen: Werden Sie denn den Kommunen insbesondere die Integrationsaufwendungen für Personen, die aus den sicheren Herkunftsstaaten kommen, deren Asylantrag mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt wird, zu 100 % erstatten, oder erwarten Sie, dass die Kommunen das vollständig selbst leisten?
Monika Düker (GRÜNE): Ich stelle Ihnen eine Gegenfrage.
(Zuruf)
– Nein, ich beantworte sie auch, aber ich stelle eine Gegenfrage. Unterstützen Sie auch diese Landesregierung dabei, dass beim Bund die Anträge dieser Menschen dann endlich auch einmal in der vorgegebenen Zeit bearbeitet werden, damit diese Menschen auch Klarheit haben, ob sie bleiben können oder gehen müssen
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
und damit dann auch das, was mit den meisten, die eine Ablehnung bekommen, auch geschieht, eine vernünftige humane, faire, freiwillige Rückkehr organisiert wird. Denn da sind wir noch gar nicht, dass dies das Bundesamt tatsächlich leisten kann. Solange das Bundesamt – das blenden Sie immer komplett aus – hier nicht Entscheidungen genau für diese Länder, für die es eine geringe Bleibewahrscheinlichkeit gibt – die sicheren Herkunftsländer –, trifft, wenn hier der Bund nicht sicherstellen kann, dass das auch innerhalb dieser Zeit passiert, sind selbstverständlich die Kommunen dabei zu unterstützen – das diskutieren wir heute auch noch, das ist über das Flüchtlingsaufnahmegesetz auch geregelt –, mit einer fairen Finanzausstattung zu versorgen, damit die Leute vor Ort nicht nur ein Dach über dem Kopf haben, sondern auch anständig versorgt werden können, ja selbstverständlich.
Damit diese Leute endlich auch Sicherheit darüber haben, was mit ihnen passiert – da ist nicht das Land, da ist der Bund zuständig. Diese Zuständigkeit kennen Sie. Diese Verantwortung blenden Sie komplett aus. Insofern ja, selbstverständlich werden hier die Kommunen fair und vernünftig ausstatten, aber der Bund muss hier auch seine Verantwortung übernehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zweite Forderung, die uns nun auch wirklich überhaupt nicht weiterhilft, das wurde auch schon häufiger gefordert, dass in den Landeseinrichtungen das Taschengeld als Sachleistung herausgegeben wird. Warum, meinen Sie, machen das sehr viele von den anderen Ländern auch nicht? Weil das nicht nur für die Menschen schwierig ist, sondern weil das einfach ein bürokratischer Aufwand ohne Ende ist, wenn Sie bei dem kleinen Taschengeld anteilig ein Viertel Mobilitätsticket oder was auch immer, das in dem Taschengeld per Gesetz festgelegt ist, in eine Sachleistung umwandeln wollen.
Meinen Sie denn, die Betreiber dieser Unterkünfte des Landes haben nichts anderes zu tun, als sich mit umfangreichen Tabellen und mit irgendwie gearteten Sachleistungen, die sie abgepackt vorrätig halten, zu beschäftigen, um das umzusetzen?
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
In den Unterkünften ist weiß Gott etwas anderes zu tun als dies. Deswegen machen das im Übrigen auch die anderen Bundesländer nicht.
Also: Das sind eigentlich die Dinge, bei denen ich gerne noch eine Gegenposition vortragen wollte.
Alles andere ist sehr stark redundant, um es vorsichtig auszudrücken, und aus unserer Sicht komplett überflüssig und hilft im Moment in der Sache überhaupt nicht weiter.
Ich stimme dem Kollegen Christian Dahm – wo sitzt er? – zu: Wir müssen uns darauf konzentrieren, für die Integration in den Kommunen zu sorgen. Da ist noch lange nicht alles in guten Händen und auf einem guten Weg. Das ist das Ziel.
Der Gesamtkomplex „Erstaufnahmeeinrichtung“ ist wohl inzwischen konzeptionell gut aufgestellt, und das Land hat wohl auch die nötigen Konzepte. Dazu brauchen wir diesen Antrag nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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