Monika Düker: „Hier werden tatsächlich Leben und Gesundheit von Menschen potenziell gefährdet“

Antrag der Piraten zum Asylpaket II

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Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat hat Kollege Körfges recht: Erstens. Das Gesetzgebungsverfahren ist nun abgeschlossen. Zweitens. Im Bundesrat kann das Bundesland NRW gar nicht mit Nein stimmen, weil im Bundesrat gar nicht darüber abgestimmt worden ist. Es war ein Einspruchsgesetz. Am Ende wird nur noch gefragt, ob Einsprüche bestehen und der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Insofern hat dieses Gesetz eigentlich keine Grundlage mehr, hier beraten zu werden.
Trotzdem möchte ich auch für meine Fraktion noch einmal sehr deutlich sagen: Wir haben das Asylpaket II als Bundestagsfraktion in Berlin sehr klar und deutlich abgelehnt. Ich will hier kurz darstellen, warum wir das getan haben. Ich glaube, dass die Einschränkung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte integrationspolitisch kontraproduktiv und auch menschenrechtlich nicht zu akzeptieren ist. Das lehnen wir auch nach wie vor ab. Wir finden es schade, dass die Kollegen von der Sozialdemokratie hier nicht mehr in den Verhandlungen herausholen konnten.
Ein Ausschluss vom Asylverfahren sieht dieses Gesetz auch vor, wenn dem Asylsuchenden unterstellt werden kann, er würde sein Asylverfahren nicht betreiben.Das wird schon dann angenommen, wenn der Asylsuchende gegen die Residenzpflicht verstoßen hat.
Diese geplante Regelung halten wir auch für einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; denn hier wird ein Verstoß gegen die Residenzpflicht mit einer Grundrechtseinschränkung verbunden. Insofern kann sie von uns keinesfalls unterstützt oder gar gebilligt werden.
Nächster Punkt: Erleichterung der Abschiebung kranker Menschen. Das wird in der Berichterstattung oft geschlabbert. Diesen Punkt finde ich besonders schäbig; denn hier wird der neue Tatbestand eingeführt, dass eine schwerwiegende Erkrankung nicht mehr automatisch zu einem Schutz führt. Ganz schnell wird auch mal die posttraumatische Belastungsstörung nicht mehr darunter gefasst. Auch an dieser Stelle müssen wir doch genau hinsehen. Hier zählt immer noch der Einzelfall. Im Einzelfall kann aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung unter humanitären Bedingungen eben tatsächlich ein Abschiebeschutz notwendig sein. Das wird hier erschwert. Menschenrechtlich halte ich das für katastrophal. Hier werden tatsächlich Leben und Gesundheit von Menschen potenziell gefährdet.
Nächster Punkt: die pauschale Leistungskürzung für alle Asylsuchenden von bis zu 10 €. Was soll dann denn, bitte schön? Wir wollen doch, dass die Menschen in die Integrationskurse gehen. Ihnen jetzt pauschal etwas für einen Integrationskurs abzuziehen, der überhaupt noch nicht flächendeckend angeboten wird und den sie nicht alle besuchen können, ist nicht unbedingt ein Anreiz für die Menschen, in die Integrationskurse zu gehen. Man sollte, bevor man über Sanktionen oder über Gebühren nachdenkt, dafür sorgen, dass überhaupt ein Angebot vorhanden ist. Daher tragen wir auch diesen Punkt nicht mit.
Was nicht drinsteht – das ist fast noch viel schlimmer –, ist die gesamte Umsetzung der EU-Asylverfahrensrichtlinie und der EU-Aufnahmerichtlinie. Das wird komplett geschoben und geschoben. Die Umsetzungsfristen sind im Juli 2015 abgelaufen. Die Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das wären einmal Dinge, die die Rechtsposition für besonders Schutzbedürftige stärken würden. Es wird einfach ignoriert, dass hier auch EU-rechtlich pflichtige Schutzstandards nicht aufgenommen wurden.
Was ebenso wenig Einlass gefunden hat, ist ein schlüssiges Gesamtkonzept für Integration. Hier gibt es die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, in der von den Ländern wieder mühsam Unterstützung für die Integration – wir haben es heute Morgen diskutiert – erreicht werden muss.
Was auch nicht drinsteht, ist ein kleiner Punkt, bei dem ich trotzdem denke: „Mein Gott! Warum geht nicht so viel Vernunft?“, nämlich die sogenannte Drei-plus-zwei-Regelung. Sie wird von der Wirtschaft, vom Handwerk, von allen gefordert. Bei jeder Veranstaltung vor Ort werde ich gefragt: Warum geht das nicht? – Lehrlinge, die hier ihre Lehre machen und sie erfolgreich abschließen, verlieren danach ihren Aufenthaltsstatus und werden unter Umständen abgeschoben. Alle Unternehmen sagen: Wenn ich dem jungen Mann eine Lehrstelle gebe und ihn erfolgreich übernehmen will, dann lasst ihn mir wenigstens noch ein paar Jahre hier, damit sich meine Investition auch lohnt. – Das ist, glaube ich, in der Großen Koalition schon grundsätzlich vereinbart. Noch nicht einmal das haben Sie geschafft, in diesen Gesetzentwurf zu schreiben.
Insofern finde ich in der Bilanz, dass uns das Ganze bei den bestehenden Problemen nicht wirklich weiterhilft. Es schadet aber viel. Deswegen haben wir das im Bundestag auch abgelehnt. Im Bundesrat war es nicht zustimmungspflichtig. Deswegen gehört es heute nicht hierhin, so etwas im Nachgang zu diskutieren. Trotzdem finde ich es richtig, das noch einmal deutlich zu machen und darauf hinzuweisen, was da gerade im Bund an Politik, die auch von uns Grünen nicht unterstützt wird, beschlossen wird.
(Beifall von den GRÜNEN)

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