Monika Düker: „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zur Kriminalitätsrate in NRW

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Präsident! Am 12. Mai titelte die Online-Ausgabe der „Welt“ im Vorgriff auf die Veröffentlichung der PKS von Bundesinnenminister Friedrich am 15. Mai: Frankfurt/Main deutsche Hauptstadt des Verbrechens. Denn bei der oft zitierten sogenannten Häufigkeitszahl – Straftaten pro 100.000 Einwohner – rangiert Frankfurt mit 16.310 Straftaten an erster Stelle, Düsseldorf steht mit 14.966 an zweiter Stelle, und Köln zählt 14.590 Straftaten.
Die PKS und diese Aussage wurden daraufhin zur sogenannten Unstatistik des Monats gekürt, einer Aktion von Wissenschaftlern, die damit dazu beitragen wollen, dass Daten und Fakten korrekt interpretiert werden. Mit der Berechnung der Straftaten auf 100.000 Einwohner – im Übrigen nicht der Verbrechen, Herr Biesenbach, wie Sie mit Ihrer Aktuellen Stunde behaupten, etwas mehr Genauigkeit wäre da sicher hilfreich – werden völlig verzerrte Bilder der wirklichen Kriminalitätsbelastung gezeichnet, weil nur die Einwohner, nicht aber die Menschen berechnet werden, die sich tagtäglich in der Stadt aufhalten.
Beispiel Frankfurt: 150.000 Fluggäste täglich. Und der Flughafen gehört zum Stadtgebiet, anders als in München, wo es auch einen Flughafen mit vielen Fluggästen gibt, aber der Flughafen München gehört nicht zum Stadtgebiet und wird deshalb nicht mit in die Kriminalitätsstatistik einberechnet.
Beispiel Debitkartenbetrug: Debitkartenbetrug wird nicht an dem Ort, wo der Betrug begangen wurde, registriert, sondern am Standort des Kreditunternehmens. Vielleicht ist es in der CDU und FDP schon angekommen: Frankfurt hat die eine oder andere Bank und das eine oder andere Kreditinstitut.
Auch meine Heimatstadt Düsseldorf wird wieder als Hort des Verbrechens bezeichnet. Auch hier zur Sachlage: Wir haben in Düsseldorf 1,4 Millionen Messegäste jährlich, 300.000 Pendler und Pendlerinnen täglich. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten pendelt täglich in die Stadt Düsseldorf. Wir hatten 2012 20 Millionen Fluggäste, also fast 60.000 Fluggäste täglich. Wenn die Straftaten nun auf all diese Menschen bezogen berechnet würden und man ein anderes System nähme, würde sich die Lage völlig anders darstellen. Unter Umständen wäre München immer noch – man muss es sportlich nehmen – im oberen Bereich, aber Düsseldorf würde nicht mehr auf Rang 2, sondern im guten Mittelfeld rangieren.
Auf NRW bezogen dasselbe: Auf 100.000 Einwohner gibt es 8.510 Straftaten. Traditionell und auch nachvollziehbarerweise liegt NRW oben auf der Skala. Auch hier ist der Bund-Länder-Vergleich komplett statistischer Unsinn, da es nirgendwo sonst in Deutschland so viele Großstädte, so viele Ballungsräume mit komplett anderen Deliktsstrukturen als in ländlichen Räumen gibt.
Stichwort „Ländliche Räume“: Schauen wir uns die einmal an. Nehmen wir einmal den Kreis Lippe. Im Kreis Lippe werden pro 100.000 Einwohner 4.524 Straftaten begangen. Jetzt machen wir einen Vergleich mit Bayern, aber den richtigen Vergleich, Herr Biesenbach: Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd hat auf 100.000 Einwohner 4.518 Straftaten registriert. Ich sage mal: Die Lipperinnen und Lipper leben genauso sicher wie die in Oberbayern. Das ist auch richtig so, denn nur so kann man die Dinge miteinander vergleichen. Diese Vergleiche brauchen wir auch nicht zu scheuen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Denselben Äpfel-mit-Birnen-Vergleich gibt es bei der Aufklärungsquote. Die These – hier mehrfach skandalisiert vorgetragen – lautet: Das stagniert auf einem ganz niedrigen Niveau bei derzeit 49,1 %. Stimmt, das ist nicht sehr hoch! Aber Sie konstruieren hier einen Skandal, weil Thüringen doch tatsächlich eine Aufklärungsquote von 64,3 % hat. Angesichts dessen wäre das eine Katastrophe. Wenn Sie redlich wären – Konjunktiv! –, würden Sie nicht Bundesländer mit komplett unterschiedlichen Siedlungs- und Bevölkerungsstrukturen und damit anderen Deliktsstrukturen und anderen Aufklärungsmöglichkeiten vergleichen. Nehmen wir doch einmal Ihre eigene Regierungszeit von 2005 bis 2010. Wir vergleichen einmal NRW mit NRW, NRW Schwarz-Gelb mit NRW Rot-Grün. 2007 betrug die Aufklärungsquote 29,2 %. Tatsächlich war sie 0,1 % höher. „Wow!“, kann ich da nur sagen. Herzlichen Glückwunsch!
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Und 2008 war sie 0,2 % höher. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das macht doch alles keinen Sinn! Ich werfe Ihnen ja auch nicht vor, dass, als Ihre Zahlen bei der Aufklärungsquote niedriger waren, Sie eine schlechtere Sicherheitspolitik betrieben haben. Sie sollten wirklich mit den unwürdigen Statistiktricks und mit dem Klamauk aufhören. Wie schlimm muss es eigentlich um die einstige sogenannte Partei der inneren Sicherheit bestellt sein, Herr Biesenbach, wenn Sie zu Ihrer eigenen Profilierung auf so billige Tricks aus der Mottenkiste zurückgreifen müssen? Platter geht es nicht!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn – auch hier wieder der Konjunktiv –, ja wenn Sie ein ernsthaftes Interesse daran hätten, über Sicherheit zu reden, dann würden Sie erstens andere Diskussionsgrundlagen wählen, nämlich die Dinge, die man miteinander vergleichen kann, und zweitens würden Sie sich mit konstruktiven Vorschlägen den Problemen widmen, die wir in der Tat haben und vor denen man sich auch nicht wegducken darf. Diese Probleme sind ja auch benannt worden.
Ich möchte es noch einmal betonen: In der Tat haben wir bei den Wohnungseinbrüchen eine bundesweit zunehmende Quote. Bundesweit, Herr Biesenbach, Herr Sieveke! Bundesweit steigt diese Quote um 8,7 %, in NRW um 7,5 %. Das ist ein besorgniserregender Trend, dem wir uns widmen müssen.
Auch die Quote im Bereich der Computerkriminalität ist sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene gestiegen. Hier besteht tatsächlich Handlungsbedarf. Ich stimme Ihnen nicht so oft zu, aber Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagt zu Recht: Das gehört in die Innenministerkonferenz, und zwar oben auf die Agenda. – Im Februar hat die Innenministerkonferenz, wie ich finde richtigerweise, beschlossen, zu dem Thema ein bundesweites Lagebild zu erstellen. Denn hier macht es keinen Sinn, wenn jede Kreispolizeibehörde vor sich hin wurschtelt, sondern hier müssen wir gucken: Wie sind die Reisewege angesichts der offenen Grenzen, weshalb es viele Wohnungseinbruchsbanden gibt? Wie sind die Spuren? Wie sind die Tatbegehungsweisen miteinander zu vergleichen? Hier muss koordiniert länderübergreifend vorgegangen werden, da es oftmals nicht um Einzeltäter, sondern um organisierte Banden geht.
Letztes Beispiel, Computerkriminalität: Auch hier sehe ich Handlungsbedarf. Auch hierzu gab es kein Wort von Ihnen, Herr Biesenbach, oder von der FDP, dass hier bereits gehandelt wurde. Wenn Sie sich ein bisschen besser auskennen würden und wenn es Ihnen um die Sache ginge:
(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)
Gehen Sie doch einmal zum LKA und schauen Sie sich das neue Kompetenzzentrum zur Cyberkriminalität an. Denn hier wurde gehandelt, und hier wird hingeguckt.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.
Monika Düker (GRÜNE): Einen Satz noch zu Düsseldorf – das muss ich zur Ehrenrettung meiner Heimatstadt sagen –: Düsseldorf hat es geschafft, durch koordinierte Maßnahmen die Fallzahlen bei den Wohnungseinbrüchen entgegen des Landestrends zu senken. Sie sind um 4,3 % gesunken. Das sind Erfolge, die sich sehen lassen können. Und die sollten hier nicht unerwähnt bleiben. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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