Monika Düker: „Es reicht nicht, dass man eine Haltung nur ablehnt“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Roten Hilfe e.V.

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Worüber reden wir heute? Lassen Sie es uns noch einmal auf den Kern zurückführen. Wir reden darüber, ob, wie und wann man eine Vereinigung oder einen Verein verbieten kann.
Jetzt haben wir schon mehrfach gehört: Das entscheidet nicht dieser Landtag. Wenn es eine NRW-Organisation ist, entscheidet das Herr Reul, und wenn es eine bundesweit agierende Vereinigung ist, entscheidet das der Bundesinnenminister.
Aber schauen wir uns – das halte ich für wichtig, um das Ganze wieder auf eine rationale Ebene zu bringen – noch einmal die Rechtsgrundlage an. Was sind denn die Voraussetzungen, damit ein Verein in Deutschland verboten werden kann? In Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz steht erst einmal:
„Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.“ Die Schranke, die durch Art. 9 Abs. 2 gesetzt wird, ist folgende:
„Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“
Was heißt das genau? Einem Verein müsste man zum Beispiel nachweisen, dass er strafbares Handeln fördert. Oder man müsste ihm nachweisen können, eine kämpferisch-aggressive Haltung gegen die Verfassungsgrundsätze einzunehmen. Es reicht nicht, wie Herr Wagner und andere es eben erwähnt haben, als Organisation im Verfassungsschutzbericht zu stehen. Das Gesetz verlangt vielmehr diesen Nachweis, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv untergraben zu wollen oder Terrorismus zu propagieren und zu fördern.
Für alles das brauchen Sie Belege und Nachweise, und zwar unabhängig davon, aus welchem Spektrum diese Organisation kommt, egal ob von rechts, von links oder aus dem Salafismus. Sie müssen genau diese Dinge, die im Grundgesetz stehen und die im Vereinsrecht ausgeführt sind, belegen und nachweisen.
Schauen wir einmal in Ihren Antrag und auf das, was Sie vorgetragen haben. Sie haben über das hinaus, was man über die Rote Hilfe allgemein weiß, auch keine Belege bringen können. Ganz im Gegenteil! Kollege Wolf hat darauf hingewiesen, dass in Bremen ein oberstes Gericht zuletzt festgestellt hat – darüber kann man sich ärgern oder freuen; das ist egal –, dass die Rote Hilfe im Verfassungsschutzbericht von Bremen nicht mehr als gewaltorientiert bezeichnet werden darf.
Sie müssen dann einfach auch einmal akzeptieren, dass es dafür handfeste Belege braucht und nicht so einen hingeschmierten dreiseitigen Antrag.
(Beifall von Sven Wolf [SPD])
Jetzt schauen wir uns einmal an, welche Aussagen Sie im Feststellungsteil treffen. Sie schreiben doch allen Ernstes – Kollegen vor mir haben dankenswerterweise schon darauf reagiert –, freiheitlich-demokratische Kräfte dürften jetzt keine gemeinsamen Aufrufe mehr zu Demonstrationen oder Solidaritätsbekundungen zugunsten von Extremisten machen.
Herr Wagner, wenn Sie das nur ein bisschen ernst meinen oder sich selbst ernst nehmen würden, hätten Ihre Kollegen hier aus der Fraktion sich nicht in Chemnitz bei der Demonstration Seite an Seite mit Pegida-Chef Lutz Bachmann gezeigt:
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
ein Krimineller, der wegen Einbruchdiebstahls, Drogenhandels, Körperverletzung und jüngst 2016 – wegen Volksverhetzung rechtskräftig schuldig gesprochen und verurteilt worden ist. Wenn Sie oder Teile Ihrer Fraktion mit solchen Leuten auf die Straße gehen und demonstrieren, kann niemand mehr einen solchen Satz ernst nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schauen wir uns darüber hinaus mal an, was Ihr Bundesvorsitzender so von sich gibt. In dem bekannten „FAZ“-Interview vom September letzten Jahres propagiert Ihr Bundesvorsitzender, dass das politische System im Sinne des Parteiensystems weg müsse. Gleichzeitig findet er natürlich, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung erhalten bleiben müsse. – Herr Wagner, man kann nicht das eine beseitigen, ohne das andere anzutasten.
(Andreas Keith [AfD]: Sie haben das Gutachten nicht gelesen!)
Das hat er dabei leider vergessen. In Art. 21 Grundgesetz – Stichwort: Parteienprivileg – steht, dass die Parteien – also das System, das Sie entsorgen wollen – an der Willensbildung des Volkes mitwirken. Genau das meint Ihr Parteivorsitzender, wenn er davon spricht, dass dieses System sich überholt hat und weg muss.
(Zuruf von der AfD: Das meinen Sie! Das hat er nicht gemeint!)
Solange Sie von der AfD die Grundpfeiler unserer Verfassung, das Parteiensystem, so verleugnen – im Übrigen ist auch die Pressefreiheit grundgesetzlich geschützt – und dann noch Seite an Seite mit verurteilten Volksverhetzern und übelsten Rassisten auf die Straße gehen,
(Andreas Keith [AfD]: Da können Sie ja ein Lied von singen!)
bleibt Ihr Einsatz für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in diesem Parlament in höchstem Maße unglaubwürdig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. Auch bei Ihnen hat Herr Wagner eine Kurzintervention angemeldet. – Herr Wagner, ich schalte Ihnen das Mikro frei.
Markus Wagner (AfD): Vielen Dank. – Frau Düker, Sie haben zunächst gesagt, dass der Landtag nicht beschließt, einen Verein zu verbieten. – Richtig. Auf die Idee sind wir auch schon gekommen.
Deswegen haben wir unter Punkt III.1 gesagt:
„Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf, sich gegenüber der Bundesregierung und auf Bundesebene nachdrücklich für ein bundesweites Verbot der Roten Hilfe e.V. ein- zusetzen.“
In keinem Satz unseres Antrags ist die Rede davon, der Landtag möge den Verein verbieten. Das wäre ja völliger Unsinn.
Darüber hinaus bin ich einmal mehr begeistert, wie elegant Sie die Bezüge Ihrer eigenen Kollegen zum Linksextremismus umschifft haben. Sie selbst haben hier vor dem Landtag anlässlich einer Demonstration zum Erhalt des Hambacher Forsts eine Rede gehalten, bei der ganz offensichtlich – weil im Wind flatternd und als Banner aufgestellt – die DKP mit von der Partie war. Also: Werfen Sie bitte nicht mit Steinen, wo Sie doch mitten im Glashaus sitzen! Das würde ich mal unterlassen.
Wenn vorher noch gesagt wurde, wir würden glauben, dass der Linksextremismus in Nordrhein-Westfalen unterschätzt würde, dann muss ich sagen: Ja, das stimmt. – Dafür gibt es aus Köln auch Beispiele, die mit Karneval schon gar nichts mehr zu tun haben. Da wird im Rat beschlossen, Karl Marx in Köln sichtbar zu machen. Die Leichenberge des Kommunismus werden nicht erwähnt.
Henriette Rieker läuft mit einem T-Shirt rum, worauf steht, dass das Autonome Zentrum zu erhalten sei. Dieses Zentrum beherbergt unter anderem die Interventionistische Linke, die maßgeblich hinter denjenigen steckt, die mit Stahlkugeln auf Polizeibeamte im Hambacher Forst geschossen und diese Beamten mit Exkrementen beworfen haben.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Zeit.
Markus Wagner (AfD): Und ein Ratsherr in Köln, der dummerweise aus der CDU kommt, erklärt dieses Autonome Zentrum sogar noch zu einem Teil von Köln. Ja, wir glauben, dass der Linksextremismus in Nordrhein-Westfalen unterschätzt und kleingeredet wird.
(Beifall von der AfD)
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Wagner. – Das Mikro ist frei.
Monika Düker (GRÜNE): Ihnen geht es in Ihrem Antrag darum, die Rote Hilfe zu verbieten. Das Ganze klang gerade so, als ob Sie jetzt die Grünen auch noch verbieten wollten, weil Sie sich nur an uns abgearbeitet haben.
(Zuruf von Markus Wagner [AfD])
Zurück zu Ihrem Antrag. Wenn Sie hier ein Verbot fordern – und das tun Sie, wenn Sie schreiben, dass sich die Landesregierung für ein Verbot einsetzen solle –, dann müssen Sie zumindest ansatzweise herleiten können, wie Sie die Voraussetzungen aus dem Grundgesetz und aus dem Vereinsgesetz herleiten.
Noch einmal: Einem Verein – egal ob links, rechts oder salafistisch – muss nachgewiesen werden, dass er strafbares Handeln fördert und eine kämpferisch-aggressive Haltung gegen die Verfassungsgrundsätze einnimmt. Es reicht nicht, dass er sie nur ablehnt, sondern er muss versuchen, sie aktiv zu untergraben oder Terrorismus zu propagieren oder zu fördern.
Das ist, kurz zusammengefasst, die Voraussetzung für ein Verbot. Aus der Debatte habe ich jedenfalls nicht vernommen, dass Sie irgendwelche Belege liefern könnten. Das Ganze liegt beim BMI. Wenn er Belege hat, erfolgt ein Verbot. Ich gehe von einer sorgfältigen Prüfung aus.
(Beifall von den GRÜNEN und Sven Wolf [SPD])

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