Monika Düker: „Es geht nicht darum, die Menschen gar nicht abzuschieben, sondern darum, im humanitären Einzelfall auch für eine humanitäre Lösung zu stehen“

Antrag der Piraten zu einem Abschiebestopp von Flüchtlingen

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir finden auch, dass die Gründe, warum Menschen aus den Westbalkanländern fliehen, menschlich nachvollziehbar sind. Insbesondere für Angehörige von Minderheiten sind die Lebensbedingungen in den Westbalkanländern sehr schlecht. Diskriminierungen sind an der Tagesordnung. Sie sind nicht flächendeckend in die Gesellschaft integriert.
Ja, das ist alles richtig. Aber wir können diese Problemlage, die dort herrscht – das gehört auch zur Wahrheit dazu, Frau Kollegin Brand –, nicht mit unserem Asylrecht lösen. Das ist so.
(Beifall von Dr. Joachim Stamp [FDP] – Simone Brand [PIRATEN]: Das habe ich nicht gesagt!)
Die Verweigerung von Realitäten und von Wahrheiten hilft diesen Menschen letztendlich auch nicht weiter. Nach unserem Asylrecht hat diese Zielgruppe so gut wie keine Chance, hier eine Anerkennung als Flüchtling zu bekommen. Ihnen zu suggerieren, das gehe schon irgendwie und klappe schon irgendwie, hilft ihnen nicht weiter.
Neulich hatte ich hier vor dem Landtag eine Begegnung mit einigen Hundert Roma-Flüchtlingen. Ich habe offen mit ihnen über die Sache gesprochen. Es ist richtig, offen mit ihnen zu sprechen und ihnen zu sagen, wie man ihre individuelle Problemlage, die ich nicht leugne, lösen kann.
(Frank Herrmann [PIRATEN]: Der letzte Wintererlass ist von den Grünen beantragt worden! Da hat sich anscheinend etwas geändert!)
Da haben wir im Moment drei Ansätze.
Für das, was wir Grüne parteipolitisch fordern, gibt es in diesem Land leider keine politischen Mehrheiten. In unserem Parteiprogramm fordern wir die Aufnahme eines jährlichen Kontingents von Roma aus den Balkanländern. Ich finde, dass es uns angesichts unserer Geschichte gut anstünde,
(Beifall von den GRÜNEN)
hier solche Kontingente von einigen Tausend Menschen aufzunehmen. Das ist derzeit politisch nicht umsetzbar.
Was wir aber umsetzen konnten und was gerade auch für diese Zielgruppe relevant ist, ist die stichtagsunabhängige Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete. Gerade für diese Menschen, die zehn und teilweise über 15 Jahre in Deutschland geduldet sind, konnten wir mit den grün mitregierten Ländern eine Bleiberechtsregelung durchsetzen.
Außerdem haben wir bei dem letzten Asylkompromiss einen Einwanderungskorridor für die Westbalkanländer geschaffen. Das möchte ich hier auch nicht kleinreden; denn das ist im Grunde der Einstieg in eine gesteuerte Zuwanderung jenseits des Asylrechts, das diesen Menschen wiederum nicht weiterhilft. Dieser Einwanderungskorridor ist nicht befristet und nicht an eine Höhe des Verdienstes gebunden. Jeder, der einen Arbeitsplatz mit Tariflohn vorweisen kann, hat einen regulären Einwanderungsanspruch. Das ist ein Paradigmenwechsel. Hier wird in ein neues Einwanderungsrecht umgedacht.
Auf Landesebene – das möchte ich noch einmal betonen; Kollege Körfges hat schon darauf hingewiesen – haben wir mehrere Erlasse auf den Weg gebracht – nicht nur einen Erlass, sondern mehrere Erlasse; neben dem sogenannten Sensibilisierungserlass auch noch andere Erlasse –, die die Ausländerbehörden auffordern, in humanitären Einzelfällen alles zu versuchen: Abschiebehindernisse zu identifizieren, Härtefälle zu berücksichtigen, die Trennung von Familien zu vermeiden, bei Krankheiten genau hinzuschauen usw.
(Beifall von den GRÜNEN – Frank Herrmann [PIRATEN]: Wissen Sie, wie diese Erlasse angewendet werden? Wissen Sie das?)
Zielstaatsbezogene Abschiebehindernisse werden ja durch das BAMF geprüft; aber weitere Abschiebehindernisse sind hier sehr sorgfältig zu prüfen.
Außerdem haben wir – das gehört auch zum fairen Umgang mit diesen Menschen – die Rückkehrberatung ausgebaut. Ja, ich finde es richtig, dann, wenn bei Flüchtlingen von Anfang an klar ist, dass es keine Perspektive gibt, auch ganz klar zu sagen, wie wir Brücken zurück in ihre Herkunftsländer bauen, damit sie dort vor nicht dem Nichts stehen und damit sie nicht zwangsweise abgeschoben werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das hat nämlich eine Wiedereinreisesperre zur Folge. Der Weg, dann mal wieder über ein Visum hier einreisen zu können, ist mit einer zwangsweisen Rückführung ja auch verhindert. Es ist also humanitär und fair, hier eine Rückkehrberatung zu finanzieren und zu organisieren.
Aus meiner Sicht ist es auch falsch verstandene Humanität, den Menschen Dinge vorzumachen, die am Ende in zig Schleifen münden, aber nicht in ein Bleiberecht.
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Düker, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Brand?
Monika Düker (GRÜNE): Im Moment möchte ich zu Ende ausführen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Keine Zwischenfrage.
Monika Düker (GRÜNE): Ein ehrlicher und fairer Umgang mit diesen Menschen und das Ausschöpfen aller rechtlichen Möglichkeiten in humanitären Einzelfällen – das ist Ziel unserer rot-grünen Politik.
An dieser Stelle möchte ich ganz klar etwas ansprechen, was im Petitionsausschuss gerade spürbar ist und was ich aktuell auch wieder mit sehr problematischen Abschiebesituationen in Verbindung bringe. Insbesondere der Landrat des Märkischen Kreises – ich nenne ihn hier auch konkret; Sie haben diesen Fall vielleicht mitbekommen, Herr Innenminister – tut sich nicht gerade damit hervor, diese Erlasse, die Sie herausschicken, dann auch anzuwenden und ernst zu nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)
Es kann nicht sein, dann, wenn es positive Empfehlungen der Härtefallkommission gibt und wenn der Petitionsausschuss mit total engagierten Kolleginnen und Kollegen – denen ich hier noch einmal ausdrücklich für ihren Einsatz danken möchte – Verfahren laufen hat, einfach vollendete Tatsachen zu schaffen und entlang dieser Gremien die Menschen ins Elend abzuschieben. Das kann auch nicht sein.
Hier fordere ich insbesondere die Landräte und die Ausländerbehörden auf, diese Erlasse ernst zu nehmen
(Beifall von den GRÜNEN und Frank Herrmann [PIRATEN])
und die Arbeit dieser Gremien ebenfalls ernst zu nehmen.
Ich bitte den Innenminister dringend, mit Nachdruck in den Kommunen vorzutragen,
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
dass es hier nicht darum geht, die Menschen gar nicht abzuschieben, sondern darum, im humanitären Einzelfall auch für eine humanitäre Lösung zu stehen. Dafür haben wir Instrumente. Sie sollten dann auch angewandt werden. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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