Monika Düker: „Es fehlt ein Gesamtkonzept für alle Sektoren“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Frage steht im Raum: Reicht das sogenannte Klimapaket der Großen Koalition in Berlin aus, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen? Die Antwort lautet schlicht und einfach: Nein, das tut es nicht.
Acht Monate nach Vorlage des Berichts der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – das ist einen Monat mehr, als die Kommission selber brauchte, um ein Ergebnis zu erarbeiten – haben wir zwar kein Gesetz, das eigentlich notwendig wäre, aber zumindest ein Ergebnis des sogenannten Klimakabinetts. Acht Monate nach Vorlage des Kommissionsberichts kann man dieses Paket nur als Dokument des Politikversagens bezeichnen, denn es ist zulasten der nachfolgenden Generation, und wir werden damit die Klimaschutz- ziele krachend verfehlen. Das sieht auch eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland so. 53 % der Menschen in Deutschland sagen: Das ist unzureichend!
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch die Wissenschaft ist sich ziemlich einig. Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut sagte bei Anne Will am Sonntagabend danach: Die Klimaziele werden nicht erreicht. Politik ist zwar die Kunst des Möglichen, hat aber versäumt, das Notwendige möglich zu machen. – Das ist an Deutlichkeit nicht zu überbieten.
Bemerkenswert ist, dass an dem Tag, an dem das Klimakabinett das entschieden hat, 1,4 Millionen Menschen in Deutschland auf der Straße standen. Beim Kampf gegen die Atompolitik waren es nicht so viele. Das hat selbst der Kampf um den Atomausstieg nicht geschafft. 1,4 Millionen Menschen auf der Straße setzen sich für mehr Klimaschutz ein. Dieser Rückenwind war eine einmalige Chance, genau das, was von der Wissenschaft und den Menschen im Land erwartet wird, möglich zu machen. Natürlich hat Angela Merkel recht: Es geht um nicht weniger als um eine Menschheitsherausforderung. – Sowohl die Große Koalition in Berlin als auch Schwarz-Gelb hier im Land sind an ihren eigenen Ansprüchen krachend gescheitert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Weil die Redezeit nicht ausreicht, all das aufzuzählen, was fehlt, nur das aus unserer Sicht Relevanteste:
Erstens und vor allem Richtung SPD: Das Ganze ist nicht sozial gerecht. Wenn durch eine CO2-Bepreisung eine Mehrbelastung entsteht, dann muss zwingend eine Pro-Kopf-Rückerstattung erfolgen, um erstens Akzeptanz, zweitens Anreize für eine Einsparung zu schaffen und drittens soziale Brüche zu verhindern. Hier ist etwas konzeptionell grundfalsch angelegt. Im Übrigen hat das Gutachten, das die Regierung selbst in Auftrag gegeben hat, genau das festgestellt, aber es wurde nicht umgesetzt.
Und dann kommt die Pendlerpauschale. Erstens ist die Pendlerpauschale eine Überkompensation und zweitens profitieren die falschen, nämlich die Besserverdienenden, und nicht diejenigen, die wenig Geld in der Tasche haben. Das ist der größte strukturelle Fehler an diesem Klimapaket.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zweitens. Es ist völlig wirkungslos und ambitionslos, (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
mit einer Bepreisung von 10 Euro an den Start zu gehen. Herr Brockes, Sie kennen doch die Berechnungen. Eine Tonne CO2 wird vielleicht nicht Sie und mich, aber unsere nachfolgenden Generationen 180 Euro Folgekosten kosten. Deswegen sind 10 Euro ein völlig falscher Einstieg in die CO2-Bepreisung. Das reicht auf keinen Fall aus.
Drittens. Ein ganz großer Fehler ist, dass hier mit der Neuausrichtung der Verkehrspolitik nicht begonnen wurde. Es ist ein Sektor, der bei den Klimazielen nicht nur nichts erreicht hat, sondern in dem die Emissionen sogar noch steigen. Gerade in diesem Sektor ist es völlig unzureichend, lediglich eine Mehrwertsteuersenkung im Bereich der Bahn vorzunehmen und die Kfz-Steuer irgendwie an die CO2-Emissionen zu koppeln, und das in dieser Pauschalität. Das ist ja nicht verbranntes CO2, sondern das wird auch für ein Auto bezahlt, das vielleicht nicht fährt. Das reicht bei Weitem nicht aus für das, was wir brauchen, um eine Mobilitätswende zu erreichen.
Selbstverständlich braucht es Anreize – davon gibt es viel zu wenige in dem Paket –, aber gerade bei der Mobilitätswende braucht es auch einen ordnungsrechtlichen Rahmen mit einem klaren Fahrplan zur Beendigung des Verbrennungsmotors. Auch hier lautet das Fazit: zu wenig, zu unverbindlich, zu viel Klein-Klein. – Die Bevölkerung und die Wissenschaft sagen zu Recht: Das reicht nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schön, dass die SPD heute unsere Kritik im Wesentlichen teilt. Unverständlich, liebe Kollegen von der SPD, ist, warum Sie das als Regierungspartei in Berlin nicht umsetzen. Geradezu unverständlich, Herr Pinkwart, finde ich Ihre Äußerung und die des Ministerpräsidenten nach der Vorstellung, dass Sie das alles zu ambitionslos fänden, da fehlten konkrete Impulse, das sei nicht ausreichend. Dann sagen Sie uns doch bitte heute, was Sie im Bundesrat tun, um daran etwas zu ändern. Dem Antrag der Koalitionsfraktionen konnte ich das nicht entnehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Düker, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Monika Düker (GRÜNE): Bitte.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Deppe, Sie haben das Wort.
Rainer Deppe (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Düker, Sie haben sich eben mit der Pendlerpauschale auseinandergesetzt. Ich hoffe nicht, dass Sie wie Herr Harbeck auch nicht wissen, wie die zustande kommt.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wie kommt die denn zustande?)
Sie sind ja Düsseldorferin. Ein Großteil der Menschen wohnt jedoch nicht in Kernstädten und in Großstädten. Können Sie dem Haus einmal erklären, warum Menschen, die weite Wege zur Arbeit pendeln, nach Ihrer Aussage zu den Besserverdienenden gehören? Hier verweise ich nur auf das Bergische Land, in dem ich wohne und wo ich sehe, welchen Siedlungsdruck von Menschen wir haben, die sich das Wohnen in Köln nicht mehr leisten können und deshalb weiter von der Stadt wegziehen. Wie kommen Sie zu dem Ergebnis, man würde damit ausgerechnet die Besserverdienenden unterstützen? Die Frage an Sie: Haben Sie nicht zu sehr einen Blick aus der Sicht der besserverdienenden Großstädter?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Deppe. Ich empfehle an der Stelle die Lektüre der Geschäftsordnung bezüglich einer kurzen Zwischenfrage. – Jetzt hat Frau Kollegin Düker die Möglichkeit zur Beantwortung.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Deppe, die Antwort für die Pendler im ländlichen Raum – ich bin im ländlichen Raum groß geworden, habe dort meine Jugend verbracht und weiß, was dort das Auto bedeutet –
(Rainer Deppe [CDU]: Das haben Sie wohl vergessen!)
ist eine bessere ÖPNV-Anbindung an ihren Arbeitsplatz – das ist doch die zentrale Antwort –
,
(Beifall von den GRÜNEN)
damit man ihnen eine Möglichkeit des Umstiegs gibt.
Was die Besserverdienenden angeht, das ist eine andere Debatte.
Wenn ich auf der einen Seite mit einer CO2-Bepreisung für die Menschen eine Belastung vorsehe – wir wollen alle nicht die Gelbwesten, die es in Frankreich gab, bei uns auf der Straße haben –,
(Marc Herter [SPD]: Aha!)
dann muss es eine Eins-zu-eins-Erstattung und eine Pro-Kopf-Erstattung geben, ob es nun eine Klimaprämie ist, wie es die Kollegen der SPD sagen, oder ein Bürgergeld ist, wie wir sagen. So muss eine Rückerstattung erfolgen.
(Zuruf von Marc Herter [SPD])
Aber wenn man eine Kompensation dieser Mehrbelastung über eine Pendlerpauschale macht, dann passt das nicht zueinander. Dann bekommen nämlich diejenigen, die unter Umständen mit der CO2-Bepreisung hoch belastet sind, weniger Geld zurück als diejenigen, die niedrig belastet sind, die mit der Pendlerpauschale dann eine Überkompensation haben.
Das ist nicht die Steuerung, die wir brauchen. Das heißt, selbstverständlich müssen die Menschen im ländlichen Raum eine bessere Anbindung an ihre Arbeitsplätze haben und dürfen nicht schlechter gestellt werden. Aber wir brauchen vor allen Dingen eine sozialverträgliche akzeptierte CO2-Bespreisung, die – noch einmal – Anreize schafft, CO2 einzusparen und vor allen Dingen akzeptiert wird, weil durch sie keine sozialen Brüche erfolgen. Das ist das strukturelle Hauptproblem dieses Klimapakets.
(Beifall von den GRÜNEN)
Da sind zwei Instrumente übereinandergebracht worden, die nicht übereinander gehören.
Und das fehlt diesem Klimapaket: Es fehlt ein Gesamtkonzept für alle Sektoren. Ich habe noch nicht den Sektor Landwirtschaft erwähnt. Dass die industrielle Massentierhaltung auch etwas mit Klimaschutz zu tun hat, hat Frau Klöckner, glaube ich, bis heute noch nicht verstanden. Ich habe ebenfalls noch nicht den Gebäudebereich erwähnt – auch hier geht es um Sozialpolitik –, wo die energetische Sanierung selbstverständlich stärker steuerrechtlich angerechnet werden muss. Denn das bezahlen dann nämlich die Mieterinnen und Mieter.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Auch hier müssen wir für einen sozialen Ausgleich sorgen, auch hier fehlt es an entscheidenden Stellschrauben.
Also zusammengenommen: Wenn wir die Sektoren ansehen, sind überall kleine Rädchen gedreht und hier ein Förderprogramm und da ein Anreiz gesetzt worden. Aber insgesamt ergibt das doch kein Gesamtkonzept, wie wir miteinander in eine klimaneutrale Zukunft gehen können. Nichts weniger brauchen wir, und nichts weniger gibt uns das Pariser Klimaschutzabkommen auf. Deswegen sage ich: Dieses Konzept hat seine Ziele verfehlt. Die GroKo ist an ihren Ansprüchen gescheitert.
Herr Pinkwart, wenn Sie vor der Haustür weiter an Ihrer Sabotage bei dem Ausbau der erneuerbaren Energien festhalten
(Heiterkeit von der SPD)
– das haben Sie auch schwarz auf weiß –: Mit der Halbierung der Flächen für Windenergie werden Sie keine Verdoppelung erreichen.
(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Nichts weniger als eine Verdoppelung brauchen wir aber, um das 65-%-Ziel des Anteils erneuerbarer Energien zu erreichen. Das heißt: Hören Sie auf, hier Bekenntnisse abzugeben. Handeln Sie endlich hier in NRW; lassen Sie Ihren Worten endlich Taten folgen!
(Beifall von den GRÜNEN)
Die GroKo in Berlin braucht Gegenwind. Ich hoffe, dass der Gegenwind auch aus Nordrhein-Westfalen kommt. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Energie & Klimaschutz