Monika Düker: „Dieses Land braucht eine mutige, eine glaubwürdige, eine wahrhaftige und eine ehrliche Politik“

Entwurf der Landesregierung zum Haushalt 2020

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Brauchen wir mehr öffentliche Investitionen, ja oder nein? Meine Antwort ist ganz klar: Ja, wir brauchen sie. Und das Fehlen dieser öffentlichen Investitionen ist aus unserer Sicht das zentrale Problem dieses Haushalts, Herr Lienenkämper.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn eines ist klar: Die jetzt vernachlässigten Investitionen sind die Schulden von morgen. Auch im Deutschen Bundestag wurde in der letzten Woche der dritte Haushalt der Legislaturperiode diskutiert, und auch dort stand die Investitionen im Mittelpunkt der Debatte. Das hat nichts, Herr Kollege Löttgen – lieber Bodo Löttgen, ist er noch da? Ja, da ist er –, …
(Zuruf von der SPD – Bodo Löttgen [CDU] führt ein Gespräch.)
–  Lass ihn reden, ich erkläre es ihm nachher.
… mit Geldausgeben zu tun, sondern es kommt darauf an, wofür man Geld ausgibt. (Christof Rasche [FDP]: Das stimmt!)
Auch immer mehr Ökonomen in dieser Republik, Herr Rasche, die Ihnen nahestehen, fordern angesichts schwächelnder Konjunktur, stockender Weltwirtschaft, zurückgehender Wachstumsprognosen – wir haben es schon gemerkt, die Steuern werden weniger –, drohender Handelskonflikte lang angelegte öffentliche Investitionsprogramme oder Investitionsfonds, Sondervermögen und drängen die Politik zu Entscheidungen.
Herr Lienenkämper, das hat nichts mit Panikmache oder mit Untergangsszenarien zu tun, sondern das ist einfach Realitätssinn, den Sie sich vielleicht auch einmal aneignen sollten. Denn wir müssen uns auf das, was auf uns zukommt, vorbereiten. Nichts anderes mahnen Ökonomen an.
Da sind wir noch nicht beim Schuldenmachen und bei der Debatte um die schwarze Null. Denn schaut man in die Zahlen des NRW-Haushalts, dann sehen wir gegenüber 2019 ein um 2 Milliarden Euro größeres Haushaltsvolumen.
Dann schauen wir uns die Investitionsausgaben an. Diese steigen um mickrige 100 Millionen Euro von 7,9 auf 8 Milliarden Euro. Da kann ich Ihren gerade vollmundig angekündigten Investitionsschwerpunkt nun wirklich nicht erkennen.
(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von Bodo Löttgen [CDU])
Schaut man in die mittelfristige Finanzplanung, dann fasst man es nicht. Bis 2023 sollen die Investitionsmittel sogar auf 7,8 Milliarden Euro sinken bei gleichzeitig weiter steigendem Haushaltsvolumen.
Von einem Finanzminister, Herr Lienenkämper, der seit Amtsbeginn über 7 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen in der Kasse hat, können die Menschen in diesem Land erwarten, dass er mit diesem Geldsegen eine Finanzplanung vorlegt, die Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft gibt. Genau das tut dieser Haushalt einmal mehr nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schaut man auf den bundesweit dramatischsten Investitionsstau bei öffentlicher Infrastruktur, dann sind wir gerade in NRW zwangsläufig bei den Kommunen. Denn bundesweit klafft in den Städten und Gemeinden eine Investitionslücke von sage und schreibe 140 Milliarden Euro. Die Auswirkungen sehen wir doch jeden Tag in den Regionen, im Bergischen Dreieck, im Ruhrgebiet oder anderswo. Da sind marode Schulgebäude, da sind Schwimmbäder, die kurz vor der Schließung stehen,
(Henning Rehbaum [CDU]: Alles Rot-Grün! – Lachen von der SPD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
da sind Straßenschäden. Das alles können Sie sich jeden Tag anschauen; da fahren auch Sie, Herr Löttgen, jeden Tag durch.
Mit 1.262 Euro Verschuldung pro Kopf – nur über die Kassenkredite, also den Dispo in unseren Kommunen – sind wir hinter dem Saarland und Rheinland-Pfalz unter den am höchsten verschuldeten Städten und Gemeinden. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg hat jede Einwohnerin und jeder Einwohner 22 Euro Schulden, in Bayern sogar nur 13 Euro.
(Bodo Löttgen [CDU]: Weil Sie 49 Jahre regiert haben! – Weitere Zurufe von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)
Sie und ich, Herr Löttgen, die Menschen in den Kommunen Nordrhein-Westfalens haben hundertmal mehr Schulden als die Menschen in Bayern. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen kann doch da schon längst keine Rede mehr sein.
Jeder weiß, dass es unsere Kommunen aus eigener Kraft schlichtweg nicht schaffen können, die notwendigen Investitionen zu stemmen und gleichzeitig ihre Schulden abzubauen.
(Zuruf von der CDU: Alles Ihr Werk!)
Da sind nicht nur ein paar kaputte Schwimmbäder, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht nur bröckelnder Putz von der Fassade, das sind lebendige Kultureinrichtungen, Stadtbüchereien, Sportstätten, Schulen. Das ist Daseinsvorsorge. Das hat sehr viel mit einer funktionierenden kommunalen Demokratie zu tun.
Schon jetzt gehen die Steuereinnahmen gegenüber den Prognosen merklich zurück. Wann, wenn nicht jetzt, Frau Scharrenbach, lösen Sie endlich Ihr Versprechen gegenüber den Kommunen ein? Wann legen Sie uns endlich ein Konzept für den Altschuldenfonds vor, den diese Kommunen so dringend brauchen?
(Beifall von den GRÜNEN)
Anstatt ein Förderprogrämmchen hier und dort mal ein bisschen mehr für Klimaschutz (Zuruf von Henning Höne [FDP])
wäre für den Klimaschutz und die Klimafolgeanpassung – auch ein großes Thema in den Kommunen – jetzt ein langfristig angelegtes Investitionsprogramm nötig.
Aus unserer Sicht könnte hier das Programm „Gute Schule 2020“ ein Vorbild sein. Das ist ein erfolgreiches Programm, das durchaus verlängert werden müsste, wie wir meinen. Auch dazu heute von Ihnen kein Wort.
(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD] – Zuruf von Henning Höne [FDP])
Ich sage Ihnen, Herr Höne, es ist längst Zeit für ein Programm „Gutes Klima 2030“. Denn es kann nicht sein, dass sich nur reiche Kommunen Klimaschutz leisten können.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Henning Höne [FDP])
Das Problem lösen Sie auch mit den ganzen Förderprogrammen nicht. Da geht es um Frischluftschneisen, um Entsiegelungen, um energetische Gebäudesanierungen, Dachbegrünungen usw. usf. Düsseldorf kann sich das leisten, andere Städte nicht. Also brauchen wir nach „Gute Schule 2020“ ein Programm „Gutes Klima 2030“.
(Beifall von den GRÜNEN)
Einen Investitionsstau gibt es im Land auch bei den Hochschulen und bei den Studierendenwohnheimen, von denen die Hälfte dringend sanierungsbedürftig ist. Es drohen bald Schließungen – und das bei der großen Wohnungsnot in unseren Städten.
Die Studierendenwerke beziffern die Mittel für ein Sofortprogramm auf 300 Millionen Euro, langfristig auf 700 Millionen Euro. Zu diesem Investitionsbedarf, Herr Lienenkämper, habe ich heute nichts, aber auch gar nichts von Ihnen gehört. Diese Hilferufe überhören Sie geflissentlich bei Ihren Haushaltseinbringungen.
Und Sie sind gerade dabei, ein weiteres zentrales Wahlversprechen zu brechen. Frau Gebauer, im Wahlkampf wurde von Klaus Kaiser, damals schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, aber auch von der FDP rauf und runter gefordert, die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer endlich mit A13 zu besolden –wie andere Lehrkräfte auch und wie sie es auch verdient hätten.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Angesichts des sich jetzt verschärfenden Lehrermangels bei den Grundschulen kommen Sie in einer Pressekonferenz mit dem Vorschlag, jetzt wieder die verpflichtenden Prüfungen zum Übergang zum Gymnasium zu machen.
(Zuruf von Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung)
Eine zentrale Antwort auf den Lehrermangel an den Grundschulen ist eine anständige Besoldung der Lehrerinnen und Lehrer. Diese Antwort geben Sie mit diesem Haushalt wieder nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Stattdessen gibt es im Kabinett Laschet überhaupt keine Hemmungen, die Ministerialbürokratie weiter aufzublähen – noch einmal 73 Stellen.
Herr Lienenkämper, wird das bei Ihnen einfach abgezeichnet, wenn die Anmeldungen der Kollegen kommen? Hinterfragen Sie mal, wofür die alle jetzt noch mal 73 Stellen mehr brauchen?
Sie haben einen Halbzeitrekord. Ein Halbzeitrekord Ihrer Regierung – unfassbar; denn ich glaube, das ist die einzige Regierung, die das geschafft hat –: zusätzlich 525 neue Stellen in den Ministerien.
Frau Gebauer, wie erklären Sie eigentlich Ihren überlasteten Lehrerinnen und Lehrern, warum diese Stellen beim Finanzminister genehmigt werden und für Ihre Lehrerinnen und Lehrer nichts übrig bleibt?
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Lienenkämper, ein Finanzminister, der so mit der Gießkanne – bei den Ministerien und auch anderswo – über das Land geht und nicht sieht, wo mehr Düngung oder mehr Wasser für ein gutes Wachstum benötigt wird, dem fehlt nicht nur der grüne Daumen, dem fehlt tatsächlich ein Kompass für eine nachhaltige Finanzpolitik.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Fortsetzung des größtmöglichen Gegensatzes zwischen Reden und Handeln findet sich in Ihrer Klimaschutzpolitik, Herr Pinkwart. In nahezu jeder Rede des Ministerpräsidenten und auch bei Ihnen hören wir das Mantra der Eins-zu-eins-Umsetzung des Berichts der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung.
(Henning Rehbaum [CDU]: Das ist ja auch richtig!)
Machen wir mal den Faktencheck: Handelt diese Regierung auch wirklich danach? – Liest man den Bericht, findet man auf Seite 21 folgenden Passus – ich zitiere aus dem Bericht –:
„Für den Ausbau der erneuerbaren Energien auf 65 % ist eine ausreichende Flächenausweisung notwendig.“
Hört, hört!
„Insbesondere müssen für Windenergieanlagen und Freiflächen-PV-Anlagen Flächen in relevanter Größe ausgewiesen, akzeptiert und genehmigt werden.“
Und was macht die Landesregierung? – Sie macht genau das Gegenteil.
(Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Nein!)
Mit der Verabschiedung des LEP reduzieren Sie diese von der Kommission geforderten Flächen um mehr als die Hälfte. Und dann verkünden Sie in Ihrer Energieversorgungsstrategie auch noch vollmundig: Wir verdoppeln mal eben den Strom aus Windenergie bis 2030.
(Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Das machen wir auch!)
Rechnen wir mal. Das bedeutet übersetzt einen Zubau von 700 MW jährlich im Bereich Wind. Im ersten Halbjahr waren es allerdings gerade mal magere 42 MW. Herr Pinkwart, da kann sich doch jeder ausrechnen, dass das mit der Energiewende so nichts wird.
(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Ich weiß: Wenn Sie jetzt antworten könnten, dann käme das Genöle über die langen Genehmigungsverfahren, die bürokratischen Ausschreibungsbedingungen in Berlin, die vielen Klagen und die fehlende Akzeptanz vor Ort. Vielleicht mag all das, worüber Sie immer und gerne jammern, zutreffen, aber ich frage mich erstens: Warum blockieren Sie in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich, also dort, wo Sie es voranbringen können, den Ausbau von Windenergieanlagen wo es nur geht?
(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Und ich frage mich zweitens, warum Sie sich dann nicht auf Bundesebene für bessere Bedingungen einsetzen, anstatt mit zu jammern.
(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Der Ministerpräsident gehört schließlich der Regierungspartei in Berlin an und sitzt sogar im Bundesvorstand. Will oder kann er sich da nicht durchsetzen? Entfesseln Sie doch da mal ein wenig mit!
(Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Werden wir!)
Ich glaube, dann wären wir weiter. (Beifall von den GRÜNEN)
Das Umweltbundesamt rechnet vor: Hätten wir bundesweit einen Mindestabstand von nur 1.000 m – wie gesagt, Sie leisten sich ja sogar 1.500 m – zur Wohnbebauung, würde das gesamte Leistungspotenzial in Deutschland von 80 GW auf 40 bis 60 GW, also mithin um fast die Hälfte, reduziert. Das heißt, mit einer Reduzierung der Flächen, so wie Sie es hier tun, können die Ausbauziele nicht erreicht werden.
(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)
Das bedeutet, Sie setzen den Kohlekompromiss nicht nur nicht eins zu eins um, wie Sie uns immer glauben machen wollen, sondern Sie sabotieren ihn, wo Sie nur können. Damit gefährden Sie die Energiewende in NRW. Und dann glauben Sie auch noch, die Leute sind so dumm, dass sie das nicht merken.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich war vorletzte Woche beim Sommerempfang des Landesverbandes Erneuerbare Energien. Ministerpräsident Laschet war auch dort. Da berichteten Betreiber von Windenergieanlagen, Mittelständler aus dem ländlichen Raum – nicht unbedingt grünes Wählerklientel, um das gleich dazuzusagen – von ihren Problemen, woran es denn nun liege, dass diese Branche stoppt. Die prekäre Situation ist allenthalben bekannt.
Herr Pinkwart, sorry, da kamen genau diese Abstandsflächen wieder auf. Ein Windmüller berichtete, er habe es geschafft, in seinem Bereich eine Akzeptanz zu schaffen auch für Windräder unter 1.000 m Abstand zur Wohnbebauung. Er bietet Konzepte und Hilfe an.
Da werden Hände gereicht für zukunftsfähige Arbeitsplätze und Wertschöpfung, für eine Unterstützung Ihrer Klimaschutzziele und für eine Umsetzung der Ergebnisse der Kohlekommission. Was ich bei all diesen Angeboten und guten Vorschlägen, die da gekommen sind, rational wirklich nicht mal annähernd nachvollziehen kann, Herr Pinkwart und Herr Laschet – der ist jetzt gerade nicht da; diese Angebote richteten sich an ihn –, ist, warum man diese ausgestreckten Hände einfach ausschlägt. Das ist mir nicht verständlich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dann kommt Ihre Begründung: Naja, die Windräder sollen doch im Norden gebaut werden, weil da ja mehr Wind weht.
Herr Pinkwart, dann können Sie die energieintensive Industrie gleich mit an die Küste schicken; denn da wird dann der Strom produziert, den diese Industrie hier bei uns braucht. Mit dieser Strategie vertreiben Sie die Industrie aus unserem Land. Sie verhindern nachhaltige Wertschöpfung und gefährden zukunftsfähige Arbeitsplätze.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das ist wirklich rational nicht mehr nachvollziehbar, das ist irrational. Und das ist ideologisch gesteuerte Politik, die ihre vollmundigen Bekenntnisse zur Umsetzung des Kohlekompromisses Lügen straft.
(Beifall von den GRÜNEN)
Überhaupt nicht glaubwürdig ist das neue grüne Mäntelchen des Ministerpräsidenten in Sachen Umwelt- und Naturschutz. Über den Sommer konnten wir hier eine Strategie, aber keinen Politikwechsel beobachten. Staunend las ich am 10. August das Interview des Ministerpräsidenten in der „BILD am SONNTAG“. Der selbst ernannte Baumschützer Laschet fordert darin sehr fotogen an einen Baumstamm gelehnt zur Rettung unseres geschundenen Waldes eine Baumprämie, damit alles mal wieder aufgeforstet werden kann. Das Foto sah gut aus, aber: Er will dies durch – man höre und staune – eine CO2-Bepreisung finanzieren, die aber mit dem Vorschlag der NRW-CDU auf Bundesebene gar nicht kurzfristig verfügbar ist. Aber man haut schon mal einen Vorschlag raus – das hört sich irgendwie gut an; das Bild ist gut.
(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])
Das Gleiche gilt für den fotogenen Auftritt bei der Artenschutzkonferenz. Da kamen tatsächlich ein paar nette Bilder. Schaut man aber mal hinter diese Bilder: Da ist es nur ein grünes Mäntelchen, das Sie mit Ihrer Politik nicht ausfüllen können.
Machen wir doch mal einen Faktencheck! Denn wenn Sie all das ernst nehmen, was Sie von der Staatskanzlei an Bildern produzieren – Herr Liminski, Sie werden diese fotogenen Auftritte des Ministerpräsidenten mit vorbereiten –, würden Sie nicht gleichzeitig alle Maßnahmen zur Reduzierung von Insektiziden blockieren, mal eben den Nationalpark Senne aus der LEP-Planung streichen, mit dem Landesentwicklungsplan den Flächenfraß vergrößern oder die Massentierhaltung mit den negativen Folgen für Umwelt und Natur erleichtern.
Gerade am Wochenende konnten wir bei „Westpol“ wieder schockierende Bilder sehen. Zwei Jahre nach dem Schweinemastskandal beim Hof Schulze Föcking wieder solche Bilder aus dem Kreis Steinfurth. Was haben Sie denn in den zwei Jahren getan, damit dieses Elend in den Ställen von Nordrhein-Westfalen endlich ein Ende hat?
Sie hätten auch Folgendes in reale Politik umsetzen müsse: Sie hätten zum Beispiel das ökologische Jagdgesetz nicht rückabwickeln, das Klagerecht für Tierschutzverbände nicht abschaffen dürfen.
Herr Ministerpräsident, bevor Sie sich weiter an Bäume im Sauerland lehnen, mache ich Ihnen einen Vorschlag, was Sie morgen in eigener Verantwortung stattdessen für unseren Wald ganz konkret tun können. Legen Sie einen Waldfonds auf, um Waldflächen von Privatbesitzern aufkaufen zu können, um sie anschließend naturnah zu bewirtschaften! Das muss noch nicht mal als Staatsforst passieren, das kann man in Genossenschaftsmodelle überführen. Aber damit haben Sie Waldflächen in die naturnahe Bewirtschaftung rübergereicht.
Das wäre ein Fonds. Das wären Investitionsmittel, von denen Herr Lienenkämper meint, sie nicht zu haben. Genau das sind die Antworten auf die Fragen, die uns gerade gestellt werden, wie wir im Umwelt- und Naturschutz vorankommen. Das hilft wohl mehr als Ihre netten Bilder mit den Bäumen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Thema „Bäume“ bietet eine geschickte Überleitung zum Hambacher Wald. (Ralf Witzel [FDP]: Forst!)
–  Horst? Der Horst hat da, glaube ich, nichts damit zu tun. – Ach, Forst, Herr Witzel. Ich dachte, das wäre ein Witz. Okay.
Beim Hambacher Wald hat diese Regierung Glaubhaftigkeit und Vertrauen gründlich verspielt. Herr Laschet, Sie haben sich willfährig in den Dienst von RWE und nicht des Landes gestellt. Mit dieser einseitigen Interessenvertretung haben Sie den Konflikt vor Ort angeheizt und nicht befriedet, wie es Ihre Aufgabe gewesen wäre. Diese Geschichte ist für uns noch nicht zu Ende erzählt, solange Sie, Frau Scharrenbach, das Märchen der Räumung allein aus dringendem Handlungsbedarf wegen Brandschutz weiter erzählen. Wir werden Sie heute in der Fragestunde da nicht rauslassen und von Ihnen volle Transparenz verlangen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Die Scheintransparenz, die mit den Aktenordnern gegeben zu sein scheint, genügt uns nicht. Am Ende, weil es sonst niemand tut, lobt sich diese Regierung Laschet am liebsten selbst.
(Vereinzelt Heiterkeit von der SPD)
Im ADAC-Podcast am 1. August sagten Sie, Herr Laschet – ich zitiere –:
„Diese Regierung ist die Beste, die es gibt. Weil sie harmonisch zusammenarbeitet, nicht streitet, sich nicht zusammenraufen muss.“
Und jetzt kommt der bemerkenswerte Satz:
„Es existiert in ganz Deutschland keine Regierung, die so gut funktioniert, …“ Wow!
(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)
Bemerkenswert ist, bevor Sie jetzt alle anfangen zu klatschen, dass nur Sie, Herr Löttgen, Herr Laschet, das so bewerten. Schaut man auf die Meinungsumfragen, so hat Ihre Regierung seit der Wahl nicht in einer einzigen Meinungsumfrage bei den Menschen in diesem Land noch eine Mehrheit bekommen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Wir wollen keine Meinungsumfragen gewinnen! Wir wollen Wahlen gewinnen!)
Und, Herr Ministerpräsident, Ihre Beliebtheitswerte sind, gelinde gesagt, sehr bescheiden. Sie sind gerade auf dem vorletzten Platz – immerhin sind Sie nicht Letzter. Das ist auch okay.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ihr Regierungsprinzip ist „Hauptsache Frieden am Kabinettstisch“. Ihre Kaffeekränzchen müssen immer unglaublich nett sein.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU]
Das ist vielleicht ganz nett und gut und schön. Aber regiert man so ein Land, dass „Hauptsache Frieden beim Kaffeekränzchen“ zum Selbstzweck verkommt? Herr Löttgen, dann bleiben wichtige Entscheidungen auf der Strecke. Dann verkommt das Prinzip Harmonie für immer, und überall wird die Soße drüber gekippt. Jeder kriegt etwas. So löst man die entscheidenden Fragen, die sich bei uns stellen, nicht.
Herr Ministerpräsident, eine Ihrer zentralen Wahlkampfslogans, schön groß auf diesen Wesselmännern gedruckt, ist: Zuhören. Entscheiden. Handeln. – Wir sind bei der Halbzeitbilanz angekommen, Herr Ministerpräsident, und dieses große Versprechen verkommt zur hohlen Phrase. Denn bei der Menschheitsherausforderung Klimaschutz – Achtung, ein Zitat von Bundeskanzlerin Merkel – hören Sie nicht denjenigen zu, die zum Gelingen beitragen können und wollen, sondern vor allen den Mahnern und Bremsern.
In der Haushalts- und Finanzpolitik stellen Sie, Herr Lienenkämper, nicht einmal die entscheidenden Fragen, geschweige denn treffen Sie die richtigen Entscheidungen.
Beim Umwelt- und Naturschutz, Herr Ministerpräsident, können Sie noch so viele Bäume in der Eifel, im Sauerland oder im Münsterland umarmen, es glaubt Ihnen niemand Ihre neu entdeckte Empathie für Bäume und Bienen, wenn Sie nicht danach handeln. Und das tun Sie nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn ich Sie jetzt nach der Debatte fragen würde – ich habe Herrn Löttgen und Herrn Lienenkämper zugehört –: „Wie gehen Sie in die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode?“, dann zeigt diese Debatte: Sie haben sich für ein „Weiter so“ entschieden. Wir Grüne sagen dazu: Nein, auf keinen Fall. Ihr Mantra von Maß und Mitte – ich habe es heute gefühlt 20-mal gehört und die Aussage von Herrn Lienenkämper: „Wir machen alles mal ganz gelassen und harmonisch“, zeugen nicht von Haltung, sondern stehen für eine Politik, die den Kopf in den Sand steckt. Das kann dieses Land derzeit nicht gebrauchen. Dieses Land braucht eine mutige, eine glaubwürdige, eine wahrhaftige und eine ehrliche Politik, die sich nicht vor notwendigen und manchmal auch unbequemen Entscheidungen drückt. Das heißt, Herr Laschet, liefern Sie endlich!
(Lebhafter anhaltender Beifall von den Grünen – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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