Monika Düker: „Dieser Gesetzentwurf ist ein Dokument des Scheiterns Ihrer Politik“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes - erste Lesung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist der letzte TOP in diesem Jahr, und ich bin die vorletzte Rednerin dazu. Herr Witzel, man fragt sich: Warum setzen Sie dieses wichtige und zentrale Thema, bei dem Sie angeblich so viel Gutes tun, in der letzten Plenarsitzung des Jahres spätabends auf die Tagesordnung und nicht an eine prominentere Stelle, bei der die Wahrnehmung vielleicht etwas größer wäre?

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Meine Thesen sind: Erstens. Sie bewerten Ihren Gesetzentwurf – anders, als Sie das gerade hier verkaufen – als so unambitioniert,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

dass Sie ihn offenbar zu einer prominenten Zeit nicht wirklich vorzeigen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zweitens. Sie versuchen, die vorweihnachtliche Stimmung zu nutzen – alle sind milde gestimmt; alle wollen nach Hause gehen –, um möglichst wenig Kritik von der Opposition zu ernten.

(Unruhe)

Wahrscheinlich ist es beides.

Leider kann ich damit aber nicht dienen. Selbst bei Mobilisierung meiner ganzen vorweihnachtlichen Milde und Besinnlichkeit schaffe ich es nicht, zu diesem Gesetzentwurf etwas Lobendes und Positives zu sagen. Denn dieser Gesetzentwurf ist ein Dokument des Scheiterns Ihrer Politik, Herr Witzel.

(Beifall von den GRÜNEN und Frank Müller [SPD] – Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

Er ist das Scheitern Ihrer 2017 gestarteten hoch ambitionierten Attraktivitätsoffensive für den öffentlichen Dienst.

Es ist ja so eine Sache mit der Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung. Sie sagen: Sie reden ständig mit den Gewerkschaften und den Verbänden, die liegen Ihnen zu Füßen und sind Ihnen nur noch dankbar.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das kriegen die nur nicht mit!)

Komisch, Sie müssen mit anderen Leuten reden. In Ihrer Wahrnehmung ist da irgendwas schiefgelaufen. Denn meine Gespräche mit den Gewerkschaften und Verbänden und nachweislich deren Presseerklärung hören sich dann doch etwas anders an. Sie bezeichnen es als Scheitern der Offensive und nicht als Gewinn für den öffentlichen Dienst. Es ist schlicht falsch, wenn Sie auf der ersten Seite des Gesetzentwurfs den Eindruck erwecken, als sei dieser Gesetzentwurf Ausfluss der Gespräche mit den Verbänden und Gewerkschaften.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Herr Minister, wenigstens das hätten Sie nach der Verbändeanhörung in dem Gesetzentwurf korrigieren können; denn das ist nachweislich falsch. Die Verbände und Gewerkschaften distanzieren sich auch davon. Sie hätten es doch wenigstens ehrlich aufschreiben können, dass das nicht Ergebnis dieser Gespräche ist, sondern im Gegenteil.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wiedereinstiegsmanagement, vereinfachte Anerkennung der Laufbahnbefähigung, wenn jemand wechselt – geschenkt! Das ist alles in Ordnung. Aber an dem zentralen Element der Langzeitarbeitskonten mit dem Ziel der Flexibilisierung der Arbeitszeit haben Sie hier ein sehr vergiftetes Angebot an die Beschäftigten des Landes gemacht. Denn Sie nehmen als Basis für diese Arbeitszeitkonten eine weitere Erhöhung der Arbeitszeit.

(Ralf Witzel [FDP]: Nein!)

– Natürlich, es sind drei Stunden.

(Ralf Witzel [FDP]: Nein!)

Noch nicht einmal die bestehenden Überstunden der Polizei, die es ja gibt,

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist falsch!)

selbst den riesigen Überstundenberg dürfen Sie nicht auf dieses Konto einzahlen, sondern nur neue Stunden. Auch alle drei Systeme – Überstunden, Mehrarbeit und mehr zu leistende Arbeit der Arbeitszeitkonten – bleiben nebeneinander stehen.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist falsch!)

Es ist darüber hinaus äußerst verwirrend.

Bis auf einmalige Gutschriften – Geschenk von Corona – muss es eine Mehrarbeit geben, die neben den normalen Überstunden und der angeordneten Mehrarbeit verbindlich ist. Hier haben wir sehr unklare Kriterien – das wird ja auch allerorten kritisiert –, und dazu zählen auch die Gründe, wann es versagt werden soll. Wann wird denn diese Mehrarbeit versagt? Dienstliche Gründe – was ist das denn? Das heißt, der Dienstherr darf mehr oder weniger willkürlich darüber entscheiden – und er muss das auch nicht begründen –, wer so ein Konto bekommt und wer nicht.

Es wird bereits auch öffentlich breit Kritik geäußert. Aus meiner Sicht haben Sie hier eine echte Chance vertan, diese so wichtige notwendige Attraktivität des Öffentlichen Dienstes zu steigern, die wir angesichts der Höchststände bei den unbesetzten Stellen so dringend brauchen.

Sie haben es nicht geschafft, ein paar minimale Schritte auf die Forderung der Beschäftigten zuzugehen.

Als da wären zwei Sachen, die nun wirklich, was den Kostenfaktor angeht, nicht so ins Gewicht fallen: Zum Ersten ist es das hessische Modell, das gefordert wurde und das wir sehr unterstützen, nach dem von der 41-Stunden-Woche eine Stunde auf ein Langzeitkonto eingespart werden kann. Zum Zweiten haben Sie sich noch nicht mal dazu durchringen können – Stichwort: Vereinbarkeit von Familie und Beruf –, den Beschäftigen eine Stunde für die Betreuung für Kinder unter 12 Jahren oder für pflegebedürftige Angehörige zu geben.

Warum können das Bundesbeamte und warum nicht Beamte des Landes NRW? Das nenne ich mal schäbig.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Düker, Sie denken an die Zeit.

Monika Düker (GRÜNE): Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident.

Vizepräsident Oliver Keymis: Sehr gut. Sieht knapp aus.

Monika Düker (GRÜNE): Ja, sieht sehr knapp aus.

Vizepräsident Oliver Keymis: Dann viel Freude daran.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Minister, den Satz muss ich noch loswerden. Da helfen auch keine coolen Influencer mehr. Denn auf der zweiten Seite des Gesetzentwurfs können wir ja lesen, dass Sie eine ganz coole Werbemaßnahme planen, um den Öffentlichen Dienst im Land NRW anzupreisen, und dafür Schülerportale und Influencer nutzen wollen. Die Influencer werden Ihnen bei den Bedingungen, die Sie den Beschäftigten anbieten, auch nichts mehr nutzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Trotzdem ein versöhnliches schönes Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Wir werden uns dann weiter streiten. Tschüs!

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Düker. – Es gibt, von der FDP-Fraktion angemeldet, eine Kurzintervention auf die Rede von Frau Düker. Herr Witzel soll diese jetzt einbringen. Bitte schön, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Düker, ich habe ein professionelles Verständnis vom Umgang mit Gewerkschaften, allein schon vor meinem beruflichen Hintergrund. Deshalb würde ich das, was Sie mir hier unterstellen, überhaupt nicht als Denke praktizieren, Gewerkschaften müssten Verhandlungspartnern zu Füßen liegen. Ich weiß nicht, was Sie da für ein Bild haben. Ich verstehe es so, dass Verhandlungspartner sich respektieren, auf Augenhöhe miteinander verhandeln, aber auch ein professionelles Verständnis dafür haben, der eine für den anderen und für die jeweilige Rolle, die beide spielen.

Deshalb stelle ich nur im Sinne Ihrer Glaubwürdigkeit, Frau Düker, eine ganz simple Frage, bei aller vorfeiertaglichen Milde. Wenn Sie als SPD und Grüne zusammen die 41-Stunden-Woche eingeführt haben und Sie das dann gut finden und das eins zu eins dasselbe ist, was unter Schwarz-Gelb Bestand hat, wieso ist es dann auf einmal böse?

Sie selbst haben mit Ihrer grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann das Motto praktiziert: A12 für alle Lehrkräfte. – Das war gut. Da sahen Sie keinen Veränderungsbedarf. Schwarz-Gelb hat jetzt einen Teil an A13-Stellen eingeführt, also eine Verbesserung für die Betroffenen. Das kritisieren Sie jetzt als moralisch unanständig.

Sie haben den Bediensteten keine Lebenszeitarbeitskonten gegeben. Deshalb sind Überstunden an Kappungsstichtagen verfallen. Wir führen die jetzt ein. Was ist daran so böse, so falsch und so schlecht im Vergleich zu Ihrer Politik?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Düker, bitte schön.

Monika Düker (GRÜNE): Wie viel Zeit habe ich jetzt zum Antworten?

Vizepräsident Oliver Keymis: 1:30 Minuten.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Kollege Witzel, ausnahmsweise habe ich mal gar nichts zu A13 gesagt.

(Ralf Witzel [FDP]: Doch!)

– Nee, A13 habe ich in meiner Rede überhaupt nicht erwähnt. Daher gehe ich darauf jetzt gar nicht ein.

Zum ersten zur Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung. Ich habe kritisiert, dass Sie es in Ihrem Gesetzentwurf und auch in Ihrer Rede so darstellen, als sei dieser Gesetzentwurf Ausfluss Ihrer guten Gespräche mit den Gewerkschaften und den Verbänden. Ich habe gesagt, dass diese es in der Fremdwahrnehmung komplett anders sehen. Denn in diesem Gesetzentwurf ist so gut wie gar nichts von den Vorschlägen der Gewerkschaften und Verbände enthalten, sondern nur das, was die Regierung in den Gesprächen vorgelegt hat.

Kommunikation und Gespräche sind nicht immer nur ein Einbahnprinzip, sondern es geht auch mal zurück. Sie haben von den Vorschlägen aber so gut wie nichts angenommen. Das behaupten Sie auf der ersten Seite Ihres Gesetzentwurfs, und das stimmt schlicht nicht. Darauf habe ich hingewiesen.

Zum zweiten. Dass Sie jetzt hier eine Lösung zum Verfall der Überstunden anbieten, ist auch falsch. Denn die ganze Problematik der Überstunden und Mehrarbeit wird mit dem Gesetzentwurf doch gar nicht aufgegriffen. Das haben Sie doch aus der ganzen Reform komplett ausgeklammert.

Das Lebenszeitkonto, das Sie einführen, berührt nicht – null Komma null – die Problematik der Überstunden der Beschäftigten in diesem Land, die wir häufig diskutiert haben. Das ist eben ein Problem. Es stimmt einfach nicht, dass Sie das damit angehen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Ich könnte jetzt noch sehr viel mehr zu den Vorwürfen sagen, aber die Zeit – Danke für den Hinweis – ist beendet. – Trotzdem schöne Weihnachten!