Monika Düker: „Die jetzt vernachlässigten Investitionen werden die Schulden von morgen sein“

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zum Investitionsstau

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen des immensen Infrastrukturbedarfs in unserem Land sind seit Langem bekannt. Die SPD hat sie dankenswerterweise noch einmal aufgeschrieben.

Das Institut der deutschen Wirtschaft fordert ein Investitionsprogramm von 450 Milliarden Euro und sieht allein bei den Kommunen einen Investitionsstau von 138 Milliarden Euro. Die Kommunen haben dabei das breiteste Spektrum von Infrastrukturen für unsere Bürgerinnen und Bürger bereitzustellen: Krankenhäuser, Schulen, Theater, Museen, Sportstätten und im Bereich der Daseinsvorsoge für Abwasser, für Müll, Straßenbeleuchtung usw.

Wir wissen, dass es hier diese Bedarfe gibt. Wir wissen auch, dass die Investitionen in öffentliche Infrastruktur in Deutschland in den letzten Jahrzehnten unglaublich vernachlässigt wurden, und das von allen, also parteiübergreifend, sage ich einmal.

In 20 Jahren hat der Staat insgesamt weniger für neue Kapitalgüter ausgegeben, als für ihre Nutzung abgeschrieben wurde. Bei gleichzeitiger Erhöhung der Einwohnerzahl verkleinerte sich so der Kapitalstock.

Die Auswirkungen dieser abstrakten Beschreibung sind überall spürbar: die maroden Brücken, die Umleitungen, die Schwimmbäder, die Schulen, in die es leider Gottes immer noch durch das eine oder andere Dach hineinregnet. So ist die Situation.

Gleichzeitig liegen in dieser Situation enorme Herausforderungen vor uns, beispielsweise die Bewältigung der Klimakrise und die damit verbundene Transformation der Wirtschaft, die auch mit einem enormen Investitionsbedarf verbunden ist, wenn wir zu einer klimaneutralen Produktion kommen wollen.

Daher kann es ein Weiter-so nicht geben. Die jetzt vernachlässigten Investitionen werden die Schulden von morgen sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Anhaltender Investitionsstau wird weiter eine Abwärtsspirale bedingen.

Und was macht diese Landesregierung? Herr Reuter, das können Sie schönreden, wie Sie wollen. Aber die Landesregierung hat ein Motto, und das lautet: Weiter so. – Von einer notwendigen neuen Schwerpunktsetzung für den Abbau des Investitionsstaus und die Unterstützung der notwendigen Transformation kann keine Rede sein – und das bei denkbar günstigsten Voraussetzungen.

Denn bis zur Coronakrise konnte sich der Finanzminister jedes Jahr – also nicht nur er, sondern wir alle – über höhere Steuereinnahmen freuen. Der letzte rot-grüne Haushalt beinhaltete 2017 vor dem Nachtrag noch Steuereinnahmen in Höhe von 55,1 Milliarden Euro. Der letzte Haushalt 2020 inklusive Nachtrag – aufgrund von Corona kam es dann zu einem Einbruch – umfasste 65 Milliarden Euro. Das bedeutet bei den Steuern eine Steigerung um 10 Milliarden Euro bis zur Coronakrise.

Herr Reuter, ich mache jetzt einmal eine andere Rechnung auf als Sie: Gleichzeitig ist die Investitionsquote um mickrige 2 % gestiegen.

Vom Haushalt 2019 zum Haushalt 2020 sind die Steuereinnahmen stark gestiegen, nämlich von 61,5 auf 65,1 Milliarden Euro. Die Investitionsquote wurde aber nur um läppische 0,1 % erhöht. Das sind homöopathische Dosen. Hier kann man nicht von einer Schwerpunktsetzung reden. Bei diesen sprudelnden Steuereinnahmen wurden enorme Chancen verspielt.

Einmal mehr können wir in der Finanzpolitik beobachten, dass auf das Wort des Ministerpräsidenten dieses Landes kein Verlass ist. Denn er erklärte 2017 in seiner letzten Haushaltsrede ziemlich unmissverständlich, dass Sie das ganz anders machen wollten. Ein Drittel von allen Steuermehreinnahmen sollte nämlich für den Schuldenabbau verwendet werden. Fehlanzeige! Ein Drittel sollte in Investitionen fließen. Auch Fehlanzeige! Das übrige Drittel sollte eine Entlastung der Bürger bringen. Ebenfalls Fehlanzeige! Denn da, wo er das hätte machen können, nämlich bei der Grunderwerbsteuer, hat er es auch nicht gemacht.

Gleichzeitig fordert die CDU auch in ihrem Wahlprogramm, dass die Mehrausgaben durch Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden. Nichts von alledem ist eingetreten.

Ministerin Scharrenbach verspricht dann auch noch einen Altschuldenfonds, den wir bis heute nicht haben – wohl wissend, dass Schulden bei den Kommunen sehr wohl etwas mit ihrer Investitionsfähigkeit zu tun haben.

Schaut man sich im Infrastrukturatlas der Heinrich-Böll-Stiftung den Pro-Kopf-Schuldenstand gegenüber den Pro-Kopf-Investitionen an, sieht man, dass Bayern – gut, das sind immer die Streber; aber ich nehme einmal dieses Beispiel; das haben Sie ja in der letzten Legislaturperiode auch immer gerne gemacht – pro Kopf kommunale Schulden von 867 Euro und im Jahr 2019 pro Kopf Ausgaben von 812 Euro hat. Nordrhein-Westfalen hat einen kommunalen Pro-Kopf-Schuldenstand von 2.597 Euro und weist nur die Hälfte an Investitionen aus, nämlich 415 Euro.

Das zeigt, dass unsere Kommunen, die in ganz besonderer Weise – das habe ich anfangs erwähnt – die Infrastrukturen für unsere Menschen zur Verfügung stellen müssen, überhaupt nicht in der Lage sind, dies zu leisten.

Auch hier bleibt die Landesregierung die notwendige Hilfe schuldig. Damit die Kommunen überhaupt wieder in die Lage versetzt werden können, Investitionen vornehmen zu können, brauchen wir diesen Altschuldenfonds.

Zusammengefasst: Die Antwort auf die Große Anfrage bestätigt eigentlich nur die Defizite dieser Landesregierung beim Infrastrukturausbau. Das ist schlecht fürs Land und schlecht für unsere Bürger, aber auch schlecht für die Zukunft; denn die notwendige Transformation in der Wirtschaft werden wir so nicht schaffen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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