Monika Düker: „Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung stellt kein angemessenes Instrument für die Strafverfolgung dar.“

Antrag der Piraten zur Vorratsdatenspeicherung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gleichung, dass mit der Menge von angehäuften Daten über unsere Bürgerinnen und Bürger die Sicherheit in unserem Land steigt, ist als Dogma vieler Sicherheitspolitiker erstens im Grundsatz nicht zu belegen, Herr Golland, und zweitens verfassungsrechtlich auch nicht gedeckt.
Genauso falsch – um das gleich dazuzusagen – finde ich im Übrigen die Forderung, dass Grundrechtseingriffe, die mit Speicherung von persönlichen Daten und Zugriffen von Sicherheitsbehörden verbunden sind, grundsätzlich nicht stattfinden dürfen.
(Zuruf von den PIRATEN: Anders herum!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders in Situationen konkreter Bedrohung oder vor dem Hintergrund schrecklicher Straftaten oder terroristischer Anschläge wird die Debatte über dieses Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit irrational. Einen Vertreter dieser Irrationalität haben wir gerade gehört. Kollege Golland tut sich da ja immer sehr hervor.
(Gregor Golland [CDU] breitet beide Arme aus.)
– Herr Golland, Sie möchten doch, dass man sich mit Ihnen beschäftigt, sonst sind Sie ja schwer enttäuscht.
(Gregor Golland [CDU]: Oh!)
Wir Grüne im Landtag verstehen uns als genau das Gegenteil, nämlich als politische Stimme für Rationalität. Und das bleibt auch so.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, entschuldigen Sie. Würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schatz von den Piraten zulassen?
Monika Düker (GRÜNE): Ich würde gern erst zu Ende vortragen, vielleicht dann am Ende per Intervention.
Unser Grundgesetz definiert rechtsstaatliche Leitplanken, das heißt Grund- und Freiheitsrechte als Abwehrrechte gegen staatliche Überwachung. Und – das hat sich die Legislative bei jedem Gesetzgebungsverfahren vorzunehmen –: Grundrechtseingriffe müssen verhältnismäßig und erforderlich sein. Der Gesetzgeber hat diesen Nachweis zu führen und immer wieder zu evaluieren, ob das nachher auch noch zutrifft.
Diese Abwägung haben viele Gesetzgeber in unserem Land – das muss man leider sagen – in den letzten Jahren nicht getroffen. Sie sind über das Ziel hinausgeschossen. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit diesen verfassungswidrigen Grundrechtseingriffen leider sehr viel zu tun.
Grüne meinen – um das hier zum wiederholten Male darzustellen –: Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung stellt kein angemessenes Instrument für die Strafverfolgung dar. Das steht auch in unserem Wahlprogramm; das kann jeder nachlesen. Teile der SPD sehen das übrigens auch so. Und die Bundestagsfraktion hat das kürzlich im Bundestag auch noch mal eingebracht.
Gerne, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, können wir das hier alle paar Wochen wiederholen. Aber es ändert nichts daran, dass wir das – erstens – im Landtag gar nicht zu entscheiden haben, denn das ist ein Bundesgesetz.
Zweitens. Wenn mal ein Gesetz in den Bundesrat kommen sollte, zu dem wir im Kabinett kein Einvernehmen erzielen können, dann enthält sich NRW. Dazu gibt es eine klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag – wie im Übrigen auch in den Koalitionsverträgen der anderen Länder. Dieses Verfahren hat sich bewährt.
Aber da sind wir ja noch lange nicht. Die Große Koalition hat nämlich, wie ich finde, zu Recht angekündigt: kein Gesetz vor der EuGH-Entscheidung. Und je Ausgang wird unter Umständen die Richtlinie neu diskutiert, neu verfasst. Dann wird es einen Kabinettsbeschluss geben, danach wird sich der Bundestag damit befassen. Zwischendurch wird es, denke ich, wieder auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz stehen. Da gilt das Ressortprinzip: Die Fachminister der Länder dürfen sich da eigenständig eine Meinung bilden.
(Minister Ralf Jäger: Gut so!)
Das ist auch ihr gutes Recht.
Und dann wird es vielleicht spannend. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Piraten, dann sollten Sie es auf Wiedervorlage legen. Denn dann, wenn es denn mal so weit ist, wird es im Bundesrat – davon gehe ich aus – ein zustimmungspflichtiges Gesetz. Und im Bundesrat – wir können alle zählen – hat die Große Koalition derzeit keine eigene Mehrheit.
Was machen wir dann? Wir werden natürlich versuchen – das kann ich Ihnen auch zusichern –, unseren geschätzten Innenminister mit guten Argumenten von unserer Position zu überzeugen.
(Minister Ralf Jäger: Und umgekehrt!)
Genauso wird er versuchen – wie es in einer guten Demokratie Brauch ist –, uns von seiner Position zu überzeugen. Dann werden wir uns verhalten. Und wenn wir uns nicht einigen können, gibt es demokratische Spielregeln, die im Vertrag festgelegt sind.
Dann kommt die spannende Frage: Was machen die anderen Bundesländer? Herr Lindner, ich gucke Sie mal an: Was ist denn dann mit den sächsischen Kollegen von der FDP? Stehen die dann auch im Bundesrat? FDP in Länderregierungen haben wir oft genug erlebt –
(Christian Lindner [FDP]: So ein Quatsch! Das stimmt gar nicht!)
siehe Innenminister Wolf. Der hat auch einige Bundesverfassungsgerichtsurteile einkassiert. Die Frage ist also: Steht dann da jemand wie Sachsen und andere?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie kann eine ganz spannende Sache sein. Ich bin auch gespannt, wie diese Geschichte weitergeht und ausgeht.
Liebe Piraten, es ist natürlich Ihr gutes Recht, die Vorratsdatenspeicherung – gleich wird der Innenminister sagen: Mindestspeicher …
(Minister Ralf Jäger: … dauer!)
– Entschuldigung, Mindestspeicherdauer –, …
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Achten Sie auf die Redezeit, bitte!
Monika Düker (GRÜNE): … die Mindestspeicherdauer jeden Monat im Landtag zu thematisieren. Das ändert aber nichts an dieser Lage. Ich freue mich auf die weiteren Debatten mit Ihnen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)