Monika Düker: „Das ist eine nicht durchdachte Schaufensterpolitik“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zur Belgien-Reise des Ministerpräsidenten

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Laschet, ich weiß nicht, ob das, was Sie uns mit Ihrem Tagesausflug nach Belgien vorgeführt haben, eine Komödie oder eine Tragödie ist. Und gerade weil es – Herr Untrieser – um die Menschen geht, komme ich eher zu dem Schluss, dass das etwas Tragödisches hat.
Deswegen fangen wir einmal mit dem ersten Akt an. Sie verkünden am 16.12.2017 im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vollmundig – Zitat –, Sie seien bereits mit Belgien im Gespräch über eine Abschaltung von Tihange 2 und Doel 3, und präsentieren dann den ultimativen Deal, der zum Verhandlungserfolg führen sollte: Für die Versorgungssicherheit gibt es nun Braunkohlestrom aus dem Rheinischen Revier im Auftrag von RWE.
Wohl wissend erstens: Belgien steht zum Kohleausstieg; die wollen unseren dreckigen Braunkohlestrom gar nicht.
Wohl wissend zweitens: Es gibt gar keine Leitungen dafür, und diese stehen auch perspektivisch – die Kollegen haben es ausgeführt – gar nicht zur Verfügung.
Wohl wissend drittens: Die wegfallenden Kapazitäten können im Falle eines Atomausstiegs in Belgien besser von Gaskraftwerken, zum Beispiel von einem stillgelegten Gaskraftwerk direkt um die Ecke in Maastricht, ersetzt werden.
Wohl wissend viertens, dass es diese behaupteten Gespräche gar nicht gegeben hat. In Ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mussten Sie das kleinlaut zugeben.
Fünftens gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Antwort auf Ihre Schreiben an die Energieministerin sowie an den für die Sicherheit der Kernkraftwerke zuständigen Minister. Diese hatten also noch nicht einmal Ihre Schreiben beantwortet. Das Antwortschreiben – auch das mussten Sie etwas kleinlaut in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage zugeben – lag erst am 22. Januar vor, also vier Wochen nach Ihrer Aussage, dass Sie mit den Belgiern im Grunde schon alles klargemacht hätten.
Herr Laschet, diese Aufschneiderei ist Ihnen heute wieder einmal auf die Füße gefallen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ihre Aufschneiderei – und das ist nicht mehr lustig – war nicht nur peinlich, sondern lieferte zudem zwei fatale Botschaften.
Die erste Botschaft ging an die Menschen in der Region, die an das, was Sie ihnen erzählt haben, wirklich geglaubt haben. Sie haben ihnen glauben gemacht, dass Sie das schon alles irgendwie hinkriegen, dass Sie den Belgiern einfach ein bisschen Braunkohlestrom mitbringen und die das dann schon mitmachen werden. Die Menschen haben daran geglaubt, weil Sie ihnen den Eindruck vermittelt haben, dass ein zeitnahes Abschalten tatsächlich möglich ist. Sie haben im höchsten Maße die Glaubwürdigkeit der Politik verspielt, und das werfen wir Ihnen heute vor.
Die zweite fatale Botschaft ging in Richtung der Belgier. Mit dem absurden Braunkohledeal – der war von vorne bis hinten absurd; es wäre schön, wenn Sie das heute eingestehen würden – haben Sie den Kernkraftbefürwortern auf der belgischen Seite doch in die Hände gespielt, und denjenigen, die die „Bröckelreaktoren“ abschalten wollten, haben Sie einen Bärendienst erwiesen, Herr Laschet. Auch das werfen wir Ihnen heute vor.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nach dem Auftakt folgt nun der zweite Akt, den ich einmal mit dem Titel „Halbherziger Rettungsversuch“ versehen möchte. Hier handeln Sie ganz nach dem Motto: Na ja, das mit dem Braunkohlestrom, das war auch gar nicht so gemeint; man könnte ja auch noch ein bisschen Ökostrom beimixen, und dann bekommen sie irgendeinen Energiemix angeboten. – Kein Wort zu den Leitungen und den Gaskraftwerken!.
Dritter Akt. Das nennt man wohl eine Abfuhr erster Klasse. Die Überschriften in den Zeitungen des nächsten Tages waren an Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Die „Bild“-Zeitung schrieb: „Belgier lassen Laschet bei Tihange auflaufen“. In der „WAZ“ hieß es: „Belgien lässt Laschet abblitzen“, im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Laschet scheitert in Brüssel“, bei „WDR“ hieß es online: „Ernüchternde Ergebnisse“ und so weiter und so fort.
(Martin Börschel [SPD]: Das ist ja schrecklich!)
Letztendlich haben Sie den Belgiern die Sicherheitsbedenken, die namhafte Sicherheitsexperten geäußert haben, nicht vermitteln können.
Eigentlich könnte man jetzt sagen: Was für eine Steilvorlage für die Opposition! Diese peinliche Posse mit Ansage – es war von vornherein klar, dass das so nicht gelingen konnte –, dieser missglückte Ausflug steht leider sinnbildlich für Ihre Amtsführung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Laschet, das ist eine nicht durchdachte Schaufensterpolitik, die auf diplomatischem Parkett scheitern muss. Ihr „Schauen wir mal, und dann sehen wir weiter“ taugt für die Talkshows, aber nicht für solche ernsten Gespräche.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Gleiches haben wir gestern auch in der Aktuellen Stunde zum Dieselfahrverbot feststellen können: Auch dazu kam nichts an konkreten Vorschlägen. Diese Haltung des Nichtzuendedenkens in der Politik, insbesondere vor dem Hintergrund eines solchen Themas wie in der gestrigen „AkS“, ist geradezu fahrlässig für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte.
Wir könnten noch weiter über Sie herfallen, Herr Laschet, aber Häme und Schadenfreude machen mir ehrlich keinen Spaß.
(Daniel Sieveke [CDU]: Ach! – Zuruf von der CDU: Das merkt man ja!)
Ich hätte Sie heute lieber gelobt.
(Lachen von der CDU)
Es geht nämlich um einen ziemlich ernst zu nehmenden Sachverhalt, und das ist die Sicherheit von Tausenden von Menschen in der Region Aachen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Deswegen hätte ich Sie heute lieber gelobt. Wir haben interfraktionell immer zusammengearbeitet und an einem Strang gezogen, wenn es um Tihange ging.
Nein, Schadenfreude ist heute nicht angebracht. Es geht nämlich für uns alle auch um das Vertrauen in die Politik, Herr Laschet, das Sie hiermit verspielt haben. Sie haben Hoffnungen enttäuscht, indem Sie zu hohe Erwartungen mit dieser Reise verbunden haben, und Sie haben unverantwortlicherweise auf diplomatischem Parkett versagt. Das werfen wir Ihnen heute vor.
Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen der SPD nicht ganz verschonen und Folgendes an die Adresse der Antiatomkraftaktivisten von CDU und SPD sagen: Lieber Herr Kollege Römer, sosehr ich und wir Grüne bei dem gemeinsamen Einsatz für das Abschalten von Tihange und Doel an Ihrer Seite stehen – das begrüße ich sehr –, fehlt es SPD und CDU letztendlich an Glaubwürdigkeit, wenn man nicht gleichzeitig zu einem vollständigen Atomausstieg im eigenen Land steht. Dazu gehört die rechtssichere und verbindliche Schließung der Urananreicherungsanlage in Gronau, die nämlich Brennstoff in unsichere Reaktoren auf der ganzen Welt liefert, nicht nur nach Belgien.
(Beifall von den GRÜNEN)
Schaut man in den Koalitionsvertrag, findet man lediglich ein mutloses und halbherziges „Wir prüfen mal, und dann schauen wir mal.“
Auch hier könnte etwas mehr Glaubwürdigkeit nicht schaden, vor allem, wenn man dann nach Belgien fährt und sich dort für das Ende der Atomkraft einsetzt.
Am Schluss bleibt nach Ihrem denkwürdigen Tagesausflug, Herr Ministerpräsident, die bittere Bilanz: Es war gut gemeint – das möchte ich Ihnen nicht absprechen –, aber das ist in der Regel das Gegenteil von gut. – Danke schön.