Monika Düker: „Das ist ein faires Angebot an die Kommunen.“

Einbringung des Flüchtling-Aufnahmegesetzes

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesenbach, in einem Punkt muss ich Ihnen heute ausnahmsweise mal recht geben: Das wichtige Thema „Flüchtlingspolitik“ verlangt tatsächlich, auch etwas mehr in der Breite diskutiert zu werden. Ich würde mir auch wünschen, dass wir das öfter tun. Denn in der Tat ist das eine gesellschaftliche Herausforderung, die da vor uns liegt.
45 Millionen Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind derzeit weltweit auf der Flucht vor Krieg, Naturkatastrophen oder Vertreibung, Tendenz steigend, Höchststand seit 20 Jahren.
Der Krieg in Syrien wird dazu führen, dass bis zum Ende des Jahres allein 10 Millionen Syrerinnen und Syrer Flüchtlinge im eigenen Land oder im Ausland sein werden.
Die Prognose des Bundesamtes für Migration und Flucht sagt, dass wir zum Jahresende wahrscheinlich die 10.000-Marke überschreiten, das heißt zum Jahresende mehr als 10.000 Erstanträge auf Asyl in Deutschland haben werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Katastrophe von Lampedusa mit mehr als 300 ertrunkenen Flüchtlingen hat die Asyldebatte wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.
Diese Katastrophen im Mittelmeer offenbaren die Mängel der europäischen Asylpolitik und vor allen Dingen die Unfähigkeit der Innenminister der Europäischen Union, daran etwas zu ändern. Kürzlich trafen sich die EU-Innenminister in Luxemburg. Und was ist dabei herausgekommen? Nichts. Es wird weiter an dem Verschiebebahnhof mit Namen Dublin-II-Verordnung festgehalten, den wir in Europa haben. Das heißt, dort, wo die Flüchtlinge einreisen, sollen sie ihren Asylantrag stellen und bitte schön auch bleiben. Nur: Die EU-Innenminister haben noch nicht gemerkt, dass dieses System inzwischen kollabiert ist. Die EU-Asylpolitik ist gescheitert. Und der EU fehlt derzeit die Kraft, etwas nach vorne zu verändern.
Beispiel: Frontex, die EU-Grenzschutzagentur. Es ist mittlerweile mehrfach durch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt, dass hier gegen Menschenrechte verstoßen wird, weil Flüchtlinge von ihrem Anspruch, ihre Rechte wahrzunehmen, abgehalten werden.
Beispiel: Verteilung Dublin II. Das funktioniert doch alles nicht mehr. Rücküberstellungen aus Deutschland werden inzwischen aufgrund der Situation in den Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen in Italien, Polen oder anderswo gerichtlich gestoppt.
Beispiel: Aufnahmequoten. Deutschland nimmt 5.000 Syrerinnen und Syrer auf. Andere Länder machen sehr viel weniger; das ist schade. Auch hier gibt es eine völlig unabgestimmte bzw. nicht vorhandene europäische Politik.
Beispiel: Gesteuerte Zuwanderung. Völlige Fehlanzeige, eine gemeinsame europäische Arbeitsmigration mit legalen Zugangsmöglichkeiten zu Europa zu erreichen!
All das findet nicht statt.
Von den 45 Millionen Flüchtlingen weltweit landen in diesem Jahr wahrscheinlich 100.000 in Deutschland. Herr Innenminister Friedrich hält das für eine Katastrophe. Ich halte es für eine Katastrophe, dass Herr Innenminister Friedrich in Deutschland solche Sätze sagt.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Marc Olejak [PIRATEN])
Auf 1.000 Einwohner gerechnet liegt Deutschland in der Europäischen Union mit diesen Aufnahmen auf Platz 10 und nicht auf Platz 1.
Von den genannten 100.000 entfallen round about 20.000 auf Nordrhein-Westfalen. Von Januar bis August 2013 gab es fast 14.000 Erstanträge in NRW – bei 18 Millionen Einwohnern. Äußerungen wie Asylfluten oder -überschwemmungen – oftmals werden ja Naturkatastrophen als Bild für die Asyleinwanderung genommen – sind hier völlig fehl am Platze.
Aber wir müssen uns dieser Herausforderung stellen. Das ist völlig richtig; das ist eine Herausforderung. Wir haben auch reagiert. Im Haushalt 2014 – der Minister hat es dargestellt – werden im Asylkapitel insgesamt über 200 Millionen € bereitgestellt, also 67 Millionen € mehr als im Vorjahr,
(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])
um den Kommunen vor allen Dingen bei der Unterbringung und bei der Versorgung unter die Arme zu greifen. Ich finde, das ist ein faires Angebot an die Kommunen. Wir lassen sie hier nicht im Stich.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie steht es denn vor Ort mit der Willkommenskultur, die immer im Mund geführt wird? Das Ganze ist von einem „Ja, aber …“ geprägt. Die Kommunen sagen: Im Prinzip ja, selbstverständlich, aber bitte nicht vor meiner Haustür und bitte nicht in meiner Stadt. – Richtig ist, die Kommunen sind belastet, für sie ist es schwierig, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. Aber bis jetzt haben alle Kommunen, in denen eine Landesaufnahmeeinrichtung eingerichtet werden soll, sehr – um es vorsichtig zu formulieren – ablehnend reagiert,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird den Kommunen das Angebot gemacht, die Zahl der Flüchtlinge, die in einer Aufnahmeeinrichtung des Landes im Ort aufgenommen werden, mit der Gesamtaufnahmequote für Flüchtlinge zu verrechnen. Das ist ein faires Angebot an die Kommunen.
Auch meine Fraktion erhofft sich von diesem Gesetz, von diesem Angebot eine erhöhte Bereitschaft in den Kommunen unseres Landes, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft, eine Willkommenskultur anzubieten. Das wünsche ich mir. – Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Mehr zum Thema

Geflüchtete Menschen