Michael Röls-Leitmann: „Wer Klimaschutz je nach konjunktureller Lage hoch- und wieder runterfährt, bezahlt dies am Ende doppelt“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der FDP-Fraktion zur Wirtschaftspolitik

Portrait Michael Röls

Michael Röls-Leitmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Eingangs kann ich, glaube ich, erst mal ganz nüchtern festhalten, dass es beiden Oppositionsfraktionen außerordentlich schwergefallen ist, zu erklären, worin eigentlich das Problem liegt,

(Gordan Dudas [SPD]: Nö! – Kirsten Stich [SPD]: Nicht zugehört, oder was?)

dass sich die Landesregierung gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern bei der Europäischen Kommission für die Standortinteressen und die Rahmenbedingungen für die NRW-Wirtschaft stark gemacht hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Selten habe ich in den drei Jahren, die ich hier im Landtag bin, eine Aktuelle Stunde wahrgenommen, die derartige Probleme hatte, Fahrt aufzunehmen, weil man alles so konstruieren musste. Ich glaube, das spricht Bände.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die NRW-Wirtschaft hat eine überragende Bedeutung für die Europäische Union. Der Besuch hat das unterstrichen. Kernaussage: Die EU und die Wirtschaft in der EU sind nur erfolgreich, wenn die Rahmenbedingungen auch für die Wirtschaft in NRW passen.

Was für die Europäische Union stimmt, muss sachlogisch auch für Deutschland gelten. Doch von der neuen Bundesregierung kommen Störfeuer. Mit dem Wortbruch bei der Stromsteuer haben Merz und Klingbeil nicht nur weiteres Vertrauen verspielt, sie haben auch der NRW-Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen. Wärmepumpe statt Heizöl, Elektrobus statt Diesel – Transformation hin zur Klimaneutralität bedeutet in ganz vielen Fällen Elektrifizierung, und das klappt schneller, wenn der Strompreis stimmt.

Langfristig schaffen wir in NRW durch die Vorreiterrolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien beste Voraussetzungen für günstigen Strom. Kurzfristige Impulse sind aber eine wichtige Ergänzung, damit die Elektrifizierung weiter an Tempo aufnimmt.

Wieso jetzt eine Bäckerei entlastet wird, aber für E-Busse oder für meine Kfz-Werkstatt um die Ecke keine Entlastung bei der Stromsteuer kommt, kann man kaum jemandem erklären. Auch Privathaushalte auszunehmen hat negative wirtschaftliche Auswirkungen. 0,1 % weniger Wirtschaftswachstum sei zu erwarten, sagt zum Beispiel das ifo Institut. Der Vertrauensverlust wegen des Wortbruchs dürfte aber noch größer sein.

Begründung der Bundesregierung: Es gebe kein Geld für die Entlastung aller bei der Stromsteuer. – Die Prioritäten dabei sind vielsagend. Steuerentlastungen überwiegend für das reichste Prozent der Bevölkerung und die Subventionierung von fossilem Gas führen dazu, dass der Klima- und Transformationsfonds geplündert wird. Bei der Stromsteuer soll das aber nicht funktionieren. Das zeigt, wem sich diese neue Bundesregierung verpflichtet fühlt. Es sind die Interessen der Gas-Lobby und nicht die der Kfz-Werkstatt und auch nicht derer, die in der Kfz-Werkstatt arbeiten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die NRW-Wirtschaft stabilisiert sich gerade langsam wieder, aber die Situation ist nach wie vor herausfordernd. Es braucht Klarheit bezüglich der Rahmenbedingungen und Beharrlichkeit beim gemeinsamen Ziel Transformation. Das gilt für die Verlässlichkeit von Zusagen – siehe Stromsteuer –, aber das gilt auch für die großen Linien beim Klimaschutz.

Mir ist nicht entgangen, dass am Rande des Besuchs in Brüssel in Abgrenzung zur Landesregierung einige CEOs der Versuchung nicht widerstehen konnten, laut auch über weniger Ambitionen beim Klimaschutz nachzudenken. Motiviert werden sie dazu sicherlich auch von einer Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, die öffentlich mit einem Aufschub beim Klimaziel kokettiert und mit überbordenden CCS-Gedanken spielt. Es sind Äußerungen zur Kraftwerksstrategie, wobei von der Umstellung auf Wasserstoff bei diesen Gaskraftwerken aktuell keine Rede mehr ist. All das sind Punkte, die den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, ob bewusst oder unbewusst, infrage stellen. Aussagen wie die, erneuerbare Energien müssten unattraktiver werden, sorgen für weitere Verunsicherung.

All das ist nicht nur klimapolitisch verantwortungslos, es ist auch wirtschaftspolitisch kurzsichtig. Die Bundesregierung leitet mit Worten und ersten Taten einen massiven Rollback beim Klimaschutz ein.

Rückschritte beim Klimaschutz sind aber nicht nur schlecht für den Klimaschutz, sie vernichten auch Arbeitsplätze. Wir erinnern uns an den Niedergang der Solarindustrie in Deutschland infolge des letzten Rollbacks bei der Energiewende. Klimaschutz hat aber nicht nur einen Wert, wenn er der Wirtschaft nutzt. Die Offenheit, mit der in der bundespolitischen Debatte Klimaschutzambitionen und Klimaschutzverpflichtungen angegriffen werden – das geschah letzte Woche parallel zu dieser enormen Hitze –, hat nicht nur bei mir einen sehr bitteren Beigeschmack hinterlassen.

Die akuten Herausforderungen mit Blick auf die wirtschaftlichen Lage nehmen wir ernst. Sie erfordern Rahmenbedingungen, die Transformation gelingen lassen. Dafür war der Besuch in Brüssel ein wichtiger Baustein. Wer aber Klimaschutz je nach Agenturmeldung oder konjunktureller Lage hoch- und wieder runterfährt, bezahlt dies am Ende doppelt teuer: mit einer Wirtschaft, die den Anforderungen ihrer Zeit künftig nicht mehr gewachsen ist, und mit einem überhitzten Klima, in dem wir als Menschen nicht mehr gut leben können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)