Michael Röls-Leitmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ein Neustart für die Energiewende ist eine Forderung, die einem in der aktuellen Debatte immer wieder begegnet. Diese Debatte ist geprägt von Buzzwords, von steilen Thesen und teilweise von fragwürdigen Behauptungen. In relevanten Teilen reiht sich auch der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion in diese Debatte ein.
Zu den hohen Energiekosten. Die hohen Energiepreise sind mit Sicherheit ein großes Thema, wenn wir uns die aktuelle wirtschaftliche Lage anschauen. Sie sind aber nicht – da herrscht, glaube ich, große Einigkeit – das Ergebnis der Energiewende. Das wurde zuletzt jedoch immer häufiger so dargestellt.
(Christian Loose [AfD]: Ja, ja! Oh Mann!)
Je länger Putins Angriffskrieg läuft, desto eher ist das aber ein Narrativ, das bemüht wird.
(Weiterer Zuruf von Christian Loose [AfD])
Es ist so, dass wir eine fossile Energiepreiskrise haben, die genau durch diesen Angriffskrieg Putins – auch wenn es der AfD nicht passt, dass ich das hier sage –
(Zuruf von Christian Loose [AfD] – Zuruf von Simon Rock [GRÜNE])
und durch unsere hohe Abhängigkeit von russischen Gasimporten ausgelöst wurde. Es ist der Merit-Order-Effekt, der dafür sorgt, dass teure Gaskraftwerke, wenn sie in Betrieb sind, auch den Strompreis setzen. Deswegen ist nicht das Bremsen der Energiewende oder der Bau von möglichst vielen Gaskraftwerken die Lösung für günstige Energiepreise, sondern das genaue Gegenteil. Im schnellen Ausbau erneuerbarer Energien, in Flexibilisierung und im fortgesetzten Netzausbau liegt die Lösung für langfristig günstige, bezahlbare Strompreise in unserem Land.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Behauptung, die Versorgungssicherheit stehe zunehmend infrage, ist schlicht falsch. Der in Ihrem Antrag zitierte Bericht der Bundesnetzagentur aus dem letzten Monat weist zwar einen Bedarf an zusätzlichen steuerbaren Kapazitäten aus, aber stellt weiterhin ein sehr hohes Niveau an Versorgungssicherheit fest.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Aus aktuellem Anlass: Der Bedarf an steuerbaren Kapazitäten ist eben nicht mit Gaskraftwerken gleichzusetzen. Da gibt es noch deutlich mehr.
Der eben schon angesprochene Monitoringbericht zur Energiewende, den Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche als Realitätscheck für die Energiewende bei zwei wissenschaftlichen Instituten beauftragt hat, legt keinen Bedarf für einen Neustart der Energiewende dar. Vielmehr bestätigt er die grundsätzliche Entwicklung der Energiewende und gibt wichtige Hinweise für weitere Schritte. Warum Punktepläne dann andere Erkenntnisse haben und von welchen Schriftsätzen sie sich tatsächlich ableiten, ist vielleicht etwas, was andere erklären müssen.
Ihr Antrag enthält aber auch Punkte, über die wir reden können. Ein Kapazitätsmechanismus muss klimaneutral funktionieren, aber auch technologieneutral aufgestellt werden.
(Christian Loose [AfD]: Also Kernkraftwerke! Cool!)
Das sehen wir genauso, wenn wir über Speicher- oder Lastverschiebungen sprechen, die an diesem Kapazitätsmechanismus teilnehmen sollten. Wenn es Ihnen aber tatsächlich darum geht, sich gegen Vorgaben zu stellen, dass Flexibilitäten auch künftig klimaneutral sein müssen, dann stehen wir in Opposition dazu.
Dann ist da noch das Thema „CCS“, die Abscheidung und Speicherung von CO2. Ja, für bestimmte Industrieprozesse ist das Teil der Lösung. Aber zu CCS für Gaskraftwerke sagt sogar der bdew: Es gibt kein Interesse daran. Das ist keine realistische Option, sondern nur fossiles Wunschdenken.
(Beifall von den GRÜNEN)
Besonders überrascht hat uns die perspektivische Forderung nach einem Nodal Pricing, also nach unterschiedlichen Strompreisen von Netzknoten zu Netzknoten, in ihrem Antrag.
Das ist ein interessanter Vorschlag, der in der Fachwelt sehr engagiert diskutiert wird. Aber er widerspricht doch sehr deutlich der bisherigen FDP-Linie, die, wenn ich das in meinen Worten sagen kann, in starker Anlehnung an die Industrieverbände operiert hat, die in starker Ablehnung zu einem solchen Preissystem stehen. Woher Ihr Sinneswandel an der Stelle kommt, können wir aber nicht im Ausschuss vertiefen, weil Sie eine direkte Abstimmung durchführen möchten. Vielleicht können wir es bilateral besprechen, weil mich das aufrichtig interessiert.
Hinter vielen Beiträgen, die einen Neustart der Energiewende fordern, steckt der tatsächliche Wunsch nach einem fossilen Rollback in der Energiepolitik. Auch dieser Antrag reiht sich in Teilen da ein. Dass Sie als SPD dem zustimmen wollen, finde ich tatsächlich krass. Das hätte ich nicht gedacht.
Die Energiewende braucht keine Kurskorrektur, sondern sie braucht Rückenwind. Sie braucht Investitionen, sie braucht Planungssicherheit, und sie braucht Innovationen. Sie braucht Netzausbau, und sie braucht politische Verantwortung statt ideologischer Rückwärtsgewandtheit. Genau dafür setzen wir uns als Koalition hier in Nordrhein-Westfalen ein – mit der Realität im Blick und mit dem Ziel vor Augen, ein klimaneutrales, ein sicheres und ein bezahlbares Energiesystem für unser Land zu haben. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)
