Meral Thoms: „Wir brauchen bessere Datenquellen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Abwassermonitoring

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mittlerweile – das wissen wir alle – im dritten Jahr der Pandemie. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei rund 300, aber die Dunkelziffer in NRW – da sind sich alle Expertinnen und Experten einig – ist deutlich höher.

Ganz klar ist – das haben wir eben schon gehört –: Wir brauchen bessere Datenquellen, um das Infektionssgeschehen bei uns in NRW und im Verbund gut und präzise einschätzen zu können. Hier kommt das Abwassermonitoring ins Spiel. Es hat den großen Vorteil, dass bereits mehrere Tage vor den ersten Krankheitssymptomen Coronaviren im Abwasser nachweisbar sind. Umgekehrt deutet die Abwesenheit des Virus im Abwasser darauf hin, dass weniger Infektionsgefahr besteht.

Wichtig ist auch: Im Abwasser wird das Erbgut der Viren nachgewiesen. Das heißt, die Viren leben nicht mehr, vom Abwasser geht keine Infektionsgefahr aus. Das muss man wissen.

Ja, wir sind uns alle einig: Abwassermonitoring hat sehr viele Vorteile. Infektionsherde können sehr früh und regional – das haben wir eben schon gehört – sehr differenziert erfasst werden, viel früher als mit den Inzidenzen des RKI. Das Abwassermonitoring funktioniert unabhängig von den Tests der Bevölkerung. Auch ganz wichtig: Neue COVID-19-Varianten und deren Verbreitung können sehr frühzeitig erkannt werden.

Wir Grünen – das möchte ich hier betonen – haben das Potenzial des Abwassermonitorings schon sehr früh erkannt. So haben wir einen entsprechenden Antrag bereits im Juni 2021 hier ins Plenum eingebracht. An dieser Stelle können wir festhalten: Damals hat die FDP, die heute den Antrag einbringt, unserem Antrag leider nicht zugestimmt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir begrüßen ganz ausdrücklich die Pläne der Bundesregierung zur Ausweitung und zur Weiterentwicklung des Abwassermonitorings im aktuellen Entwurf des Infektionsschutzgesetzes. Seit Februar 2022 – wir haben es eben gehört – läuft ein großes Bundespilotprojekt in 20 Städten und Kommunen, um ein Abwassermonitoring aufzubauen. Darunter sind drei NRW-Städte oder -Kommunen: Köln, Bonn und Dinslaken. Das Pilotprojekt läuft nicht mehr lange, nur noch bis Februar 2023.

Am Rande sei erwähnt: Jetzt schon nehmen 16 Standorte in NRW am Abwassermonitoring teil. Hiermit decken wir heute schon knapp 30 % der Bevölkerung ab.

Vor einer jetzt geforderten kurzfristigen flächendeckenden Ausweitung dieses Bundespiloten oder einer Ausweitung in NRW steht noch die Klärung wichtiger methodischer Fragen. So mangelt es an der Vergleichbarkeit der Proben in unterschiedlichen Gebieten und Kläranlagen. Man muss sich fragen: Welche Standards brauchen wir überhaupt für die Qualität der Probenentnahme, für die Laboranalyse und final für die Datenauswertung? Wie können wir – auch das haben wir eben gehört – Starkwetterereignisse wie Regen in die Dateninterpretation einfließen lassen?

Wichtig ist ebenso: Was machen wir eigentlich mit den Ergebnissen des Abwassermonitorings? Welche politischen Schlüsse werden wir daraus ziehen, wenn die Inzidenzen deutlich höher sind?

Kurz: Der Bundespilot ist auch eine Evaluierung des Abwassermonitorings. Er ist eine Prüfung auf Machbarkeit, Nutzen und Verstetigung. Ein unabgestimmtes Vorpreschen aus NRW in Form eines Vorstoßes kann zu Einbußen in der Datenqualität bzw. am Ende zur fehlenden länderübergreifenden Vergleichbarkeit, zu einem erhöhten Aufwand führen. Es kann zu Doppelarbeiten kommen, und – ganz klar – auch zu Unsicherheiten in Bezug auf die Interpretation der Ergebnisse.

Wir sind uns alle einig: Das Abwassermonitoring ist eine sehr wichtige Datenquelle und schon heute ein grobes Frühwarnsystem im Katalog unserer Systeme. Es ist für uns in eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Corona eingebettet, über die wir morgen hier debattieren werden.

Zudem sollten wir die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes auf Bundesebene erst mal abwarten und dann im Anschluss überlegen: Welche Auswirkungen kann dies für die Landesförderung in NRW haben?

So sehr ich das Abwassermonitoring befürworte und mir den Ausbau wünsche, ist ein unabgestimmter Schnellschuss aus NRW nicht zielführend. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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