Meral Thoms: „Unser Anspruch ist, dass wir in der Demokratie alle mitnehmen und niemanden ausgrenzen“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu Alopecia Areata

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haarausfall kann für die Betroffenen eine erhebliche psychische Belastung darstellen. Das gilt für erblich bedingten Haarausfall und den hier erwähnten kreisrunden Haarausfall.

Kreisrunder Haarausfall ist selbstverständlich eine Erkrankung, die wir ernst nehmen. Gleichwohl regelt das Fünfte Sozialgesetzbuch – das haben wir eben schon gehört –, dass Medikamente, bei denen die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Das sind zum Beispiel Appetitzügler, Arzneimittel zur Raucherentwöhnung, wie hier zur Verbesserung des Haarwuchses, zur Behandlung von Erektionsstörungen oder zur Steigerung der sexuellen Potenz.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat den gesetzlichen Auftrag, Einzelheiten zu diesen Arzneimitteln zu bestimmen. Das hat Kollege Haug eben auch schon angeführt. Wie eben erwähnt, liegen die Zuständigkeiten also nicht bei uns, sondern auf der Bundesebene.

Ich möchte Ihnen Auszüge aus dem Antrag vorlesen. Bitte hören Sie zu, da müssen Sie jetzt durch.

Ich zitiere:

„Baricitinib hemmt die Janus-Kinasen 1 und 2, die für die intrazelluläre Signalfortleitung von sowohl IFN-γ als auch IL-15 benötigt werden. IFN-γ ist das primäre Zytokin, über das es zum Kollaps des Immunprivilegs des Haarfollikels kommt, während IL-15 eine wichtige Rolle in der Aktivierung der T-Zellen spielt. Somit hemmt Baricitinib zwei wichtige Mechanismen in der Entstehung der Alopecia areata.“

Alles klar? Haben Sie das jetzt verstanden?

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Sehr geehrte AfD, glauben Sie ernsthaft, dieser Text im Antrag ist für Nicht-Medizinerinnen verständlich? Oder ist es Ihnen vielleicht auch einfach egal, ob der verständlich ist oder nicht?

(Zuruf von Dr. Christian Blex [fraktionslos])

Unser Land ist vielfältig. Unser Anspruch ist, dass wir in der Demokratie alle mitnehmen und niemanden ausgrenzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dazu gehört auch, dass die Menschen in NRW unsere parlamentarischen Debatten und deren Beiträge verstehen – auch ohne Studium, auch wenn Einschränkungen vorhanden sind und auch wenn das Deutsch nicht perfekt ist.

(Andreas Keith [AfD]: Das ist ja Realsatire! Was Sie tun, versteht sowieso niemand mehr!)

Alles andere ist ausgrenzend und eine Hürde für unsere Demokratieprozesse.

(Zurufe von Markus Wagner [AfD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Der eben zitierte Abschnitt ist auch noch aus einem anderen Grund sehr bemerkenswert. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum, den Abschnitt eben nicht zu 100 % verstanden haben, dann ist das kein Wunder, denn Sie sind nicht die Zielgruppe. Wenn Sie den Text verstanden haben, weil Sie vielleicht Medizin studiert haben, dann haben Sie sich vielleicht gewundert, warum in einem politischen Antrag Wirkmechanismen eines Medikaments so im Detail beschrieben werden.

Hier kommt die Aufklärung: Eine einfache Google-Recherche zeigt, dass dieser Abschnitt wirklich eins zu eins übernommen wurde. Der Originaltext wurde in „hautnah“ veröffentlicht, und zwar in der zweiten Ausgabe dieses Jahres, Seite 104. Das ist eine Beilage zur „Ärzte Woche“, einer Fachzeitschrift, die sich an Ärztinnen und Ärzte wendet.

(Thorsten Klute [SPD]: Alles nur geklaut! – Gegenruf von Andreas Keith [AfD]: Das ist ja auch angegeben!)

In der Wissenschaft nennt man so etwas ein Plagiat. Und mit diesem Hinweis beende ich meine Rede. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von Andreas Keith [AfD] und Tim Achtermeyer [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

Mehr zum Thema

Gesundheit