Meral Thoms: „Einsamkeit betrifft nicht nur die Älteren“

Zu Anträgen der SPD-Fraktion zum Thema Einsamkeit

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einsamkeit ist für jeden Zehnten und jede Zehnte in NRW ein Problem. Ich erlebe Einsamkeit bei mir im ländlichen Raum oft bei älteren Frauen. Es sind allein lebende Frauen, die am Ortsrand leben – häufig in ihren großen Häusern.

Die Infrastruktur bei uns im ländlichen Raum bröckelt. Es gibt immer weniger gemütliche Begegnungsorte wie Cafés für das beliebte Treffen auf einen Kaffee. So bleibt dafür bei uns nur noch der Gang zum Bäcker, der eine kleine Sitzecke mit Selbstbedienung hat.

Aber Einsamkeit betrifft nicht nur die Älteren. Auch junge Menschen sind immer häufiger betroffen – nicht erst seit der Pandemie. Einsamkeit, das hat die Enquete sehr gut herausgearbeitet, ist ein komplexes Problem und Phänomen. Es gibt nicht die eine Ursache.

Es gibt die sozial Abgehängten – so hat es die Enquete beschrieben. Hier ist Einsamkeit an den sozioökonomischen Status geknüpft. Armutsbekämpfung – das betonen wir auch immer wieder – ist hierbei ein ganz wichtiger Schritt im Kampf gegen Einsamkeit. Aber Einsamkeit lässt sich nicht nur auf diese Ursache reduzieren.

Die zweite Gruppe, die die Enquete beschreibt, sind die älteren Alleinlebenden. Hier scheint Einsamkeit mit fehlender Partnerschaft verknüpft zu sein. Im Kampf gegen dieses komplexe Phänomen nutzen wir demzufolge auch zahlreiche Bausteine, die gut ineinandergreifen müssen. Ausgangspunkt sind natürlich die umfangreichen Empfehlungen der Enquetekommission.

Eine zentrale Empfehlung, die wir frühzeitig umgesetzt haben, ist die Einrichtung einer direkt in der Staatskanzlei positionierten Stabsstelle.

Liebe SPD, Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass jetzt gehandelt werden müsse. Ja, natürlich. Das sehen wir genauso, und wir haben auch schon längst gehandelt. Es ist eine gute Nachricht, dass es gerade einmal sechs Wochen her ist – Frau Oellers hat es erwähnt –, seit wir am 4. Mai 2023 im Plenum einen Antrag eingebracht haben, der wichtige Leitplanken festlegt. Zwei Aspekte aus diesem Antrag möchte ich jetzt herausgreifen.

Wir haben die Stabsstelle beauftragt, eine Strategie zur Einsamkeitsbekämpfung samt einem konkreten Aktionsplan zu erarbeiten. Aus den 65 Handlungsempfehlungen werden fünf Säulen abgeleitet. Die erste Säule ist, Einsamkeit noch besser zu verstehen, Forschung voranzutreiben und offene Fragen zu klären.

Eine offene Forschungsfrage ist für mich, inwieweit die Klimakrise und zunehmende Hitzewellen Einsamkeit fördern. Während viele junge Menschen die Hitze im Freibad genießen, erleben Ältere oder Kranke die Hitze als Belastung; meine allein lebende Mutter verlässt bei Hitze kaum das Haus und hat deutlich weniger Kontakt zu ihren Nachbarn. Wir haben also viel Forschungsbedarf.

Zu dieser ersten Säule gehört auch, dass wir eine Studie in Auftrag geben, die das Thema „Einsamkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ untersuchen soll. Das ist gerade nach den vielen Kontakteinschränkungen aufgrund von Corona eine wichtige Signalwirkung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betone noch einmal, dass wir die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission systematisch abarbeiten. Wir machen keine unüberlegten Schnellschüsse; es gibt keinen blinden Aktionismus. Das ist genau der richtige Weg.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte Sie an der Stelle auf die zweite wichtige Empfehlung der Enquetekommission aufmerksam machen, nämlich den Health-in-All-Policies-Ansatz gemäß den Vorgaben der WHO. Der Hintergrund ist, dass Einsamkeit kein rein gesundheitspolitisches Thema ist, sondern es sich um eine intersektionale Aufgabe, um eine Querschnittsaufgabe handelt. Demzufolge sollen auch alle Politikbereiche in die Bekämpfung von Einsamkeit eingebunden werden. Im Rahmen der Stadtplanung und Quartiersentwicklung müssen zum Beispiel Orte für Begegnungen geschaffen werden, damit die älteren Menschen im ländlichen Raum wieder einen Ort haben, um gemütlich ihren Kaffee zu trinken.

Wir tun also bereits einiges, und wir werden weiter konsequent an diesem Thema arbeiten. Ich freue mich auf die Beratung des Antrags im Ausschuss.

Wir tun alles, um Einsamkeit zu bekämpfen und Betroffene zu bestärken, sich aktiv am sozialen Zusammenleben zu beteiligen. Jeder Einzelne und jede Einzelne ist ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft, wird gebraucht und sollte sich angenommen und in unserer Gesellschaft aufgehoben fühlen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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