Meral Thoms: „Ein Angriff auf die weibliche Selbstbestimmung“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zur ärztlichen Ausbildung

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schwangerschaftsabbrüche sind eine gesellschaftliche Realität und gehören zur Gesundheitsversorgung von Frauen ganz selbstverständlich dazu.

Die Notwendigkeit, eine Schwangerschaft auf Wunsch zu beenden, ergibt sich aus dem fundamentalen Menschenrecht auf körperliche Selbstbestimmung. Eine Pflicht zur Austragung einer Schwangerschaft ist unzumutbar und ein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre der Schwangeren.

Daher wird es höchste Zeit, dass § 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird. Dieses Gesetz hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass bundesweit in immer weniger Praxen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt wurden. So gab es 2003 noch 2.050 Praxen, an die sich Betroffene in ihrer Not wenden konnten.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Heute, 20 Jahre später, hat sich die Zahl fast halbiert.

Hinzu kommt: Viele Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, stehen kurz vor dem Ruhestand.

Gleichzeitig haben die vielen Einschüchterungsversuche radikaler Abtreibungsgegnerinnen und -gegner in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Das wirkt sich abschreckend auf die betroffenen Schwangeren aus, aber auch auf jene, die die entsprechenden Eingriffe vornehmen.

Als Land sind wir verpflichtet, ein ausreichendes Angebot zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen. So haben wir es im Koalitionsvertrag auch richtigerweise vereinbart.

Die Abschaffung des § 219a auf der Bundesebene war ein richtiger Schritt.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Unsere Bemühungen müssen jedoch weitergehen. Angehende Medizinerinnen und Mediziner sollen in ihrem Studium frühzeitig mit den medizinischen und auch mit den ethischen Aspekten von Schwangerschaftsabbrüchen vertraut gemacht werden und nicht erst dann, wenn sie sich für eine bestimmte Facharztkarriere entscheiden.

Demzufolge sind die Pläne der Bundesregierung, derartige Inhalte in einen verpflichtenden Teil des Medizinstudiums zu integrieren, genau richtig. Sie sind ein Beitrag dazu, mehr medizinischen Nachwuchs für diese wichtige Aufgabe zu gewinnen. Schwangerschaftsabbrüche sind schlichtweg Teil der basalen Gesundheitsversorgung, die wir brauchen.

(Christian Loose [AfD]: So was von menschenverachtend! Unglaublich!)

Der vorliegende Antrag hingegen ist vor allem ein Angriff auf die weibliche Selbstbestimmung. Ihr patriarchalisches Frauenbild verraten Sie vor allem in dem folgenden Satz – ich zitiere aus dem Antrag –:

„Der verantwortungslose Umgang in der Gesellschaft mit dem Thema Geschlechtsverkehr und Verhütung darf nicht zulasten der moralischen Wertevorstellungen der Medizinstudenten abgewogen werden.“

Dadurch wird deutlich: Sie geben den Betroffenen selbst die Schuld an ungewollten Schwangerschaften. Sie versuchen, weibliche Sexualität mit alten und längst überholten Schuld- und Schamkomplexen aufzuladen und zu disziplinieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Der Antrag unterstreicht einmal mehr: Sie gehören wirklich zu den Ewiggestrigen.

Wir Grüne stehen fest an der Seite all jener Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollen, und wir werden auch weiterhin dafür kämpfen, dass Frauen selbst über ihren Körper bestimmen.

(Beifall von den GRÜNEN, vereinzelt von der CDU, der SPD und der FDP)

Wir machen uns selbstverständlich dafür stark, dass das Medizinstudium alle relevanten Inhalte der Gesundheitsversorgung für Frauen umfasst. Diesen Antrag lehnen wir selbstverständlich ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

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