Meral Thoms: „Gute Geburtshilfe heißt, Schwangere ernst zu nehmen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Geburtshilfe

Portrait Meral Thoms

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geburtshilfe, über die wir heute Morgen sprechen, ist viel mehr als eine medizinische Leistung. Sie ist ein zutiefst menschlicher Bereich, gerade für Frauen im Moment größter Verwundbarkeit und im Moment größter Hoffnung für Familien. Geburtshilfe entscheidet darüber, ob Schwangere sicher, gut informiert und vor allem selbstbestimmt gebären können und wie der Start für Neugeborene ins Leben aussieht.

Eine gute Geburtshilfe ist zentraler Bestandteil einer guten Gesundheitsversorgung – nicht nur für die Mütter, sondern für die werdenden Eltern, für Kinder und für Familien. Sie braucht Vertrauen, sie braucht Zeit, sie braucht Beziehungen, und sie braucht vor allem Rahmenbedingungen, die das ermöglichen. Genau deshalb ist eine Debatte über Geburtshilfe so viel mehr als eine Debatte über Strukturen und über Vergütung. Denn gute Geburtshilfe heißt auch, Schwangere ernst zu nehmen, ihren Willen zu respektieren, Gewalt während der Geburt zu verhindern, psychische Belastungen zu reduzieren und die Selbstbestimmung zu stärken.

Die aktuelle öffentliche Debatte über den Hebammenhilfevertrag – das wissen wir –, über Beleghebammen, über mögliche Versorgungslücken ist sehr emotional; sie verunsichert Menschen in ganz NRW. Eines ist unstrittig: Hebammenarbeit ist unverzichtbar.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Rodion Bakum [SPD])

Deswegen ist es gut und wichtig, dass wir heute über dieses Thema diskutieren.

Gleichzeitig müssen wir festhalten: Die Landesregierung arbeitet schon intensiv daran. Schon längst wird an die Ergebnisse der Studie HebAB.NRW angeknüpft. Hebammenkreißsäle werden gefördert. Die Stillförderung wird weiterentwickelt. Stillfreundliche Strukturen werden gestärkt und Humanmilchbanken aufgebaut. Auch Bundesmittel für kleine Geburtsabteilungen werden explizit eingesetzt und genutzt.

Beim Antrag möchte ich auf verschiedene Dinge eingehen. Ein Beispiel ist das Thema „Bürokratieabbau“. Viele Hebammen berichten, wie sehr Bürokratie sie belastet. Wir wissen, dass jede Minute fehlt, die diese Frauen nicht bei den Schwangeren sind. Sie fehlen also dort, wo sie am meisten gebraucht werden, wenn sie sich mit Bürokratie beschäftigen.

Bürokratie entsteht auf verschiedenen Ebenen: beim Bund, in der Selbstverwaltung und in den Kliniken. Um wirksam zu entlasten, müssen wir genau unterscheiden, über welche bürokratischen Prozesse wir hier reden, wo sie entstehen und welchen Hebel wir als Land haben.

Zur Forderung nach Beratung für freiberufliche Hebammen: Hier greift der Antrag tatsächlich einen Bedarf der freiberuflichen Hebammen auf. Aber Beratung zu rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen leisten bereits die Berufsverbände. Unser Ziel sollte es doch sein, bestehende Strukturen zu stärken und vielleicht mehr über bestehende Angebote zu informieren. Wir wollen aber keine Parallelstrukturen aufbauen. Zum Hebammenhilfevertrag …

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage von der Abgeordneten Schneider. Würden Sie die zulassen?

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr gerne im Nachgang. Ich bin auch gleich am Ende angelangt.

Zum Hebammenhilfevertrag. Ich will noch einmal auf die Unsicherheit eingehen; die ist groß. Auch die Kritik der Berufsverbände – das will ich ausdrücklich sagen – ist nachvollziehbar.

Viele Hebammen, Beleghebammen sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft, und diese Sorgen nehmen wir sehr ernst, denn das betrifft unmittelbar auch die Versorgung der Schwangeren.

Gleichzeitig müssen wir sagen, dass wir die tatsächlichen Effekte des Hebammenhilfevertrags sorgfältig auswerten und gezielt dort einschreiten müssen, wo Verschlechterungen möglicherweise eintreten. Wenn sich zeigt, dass Beleghebammen durch den Vertrag benachteiligt werden, dann ist für uns klar, dass wir uns auf der Bundesebene dafür einsetzen werden, dass notwendige Anpassungen vorgenommen werden.

Der Antrag greift ein aktuelles Thema auf; er greift ein wichtiges Thema auf, das gerade viele Frauen bewegt. Aber er vermischt Ebenen, er lässt Fragen offen. Deswegen ist es gut, dass wir diesen Antrag in den Fachausschuss überweisen, offene Fragen klären und noch intensiver darüber diskutieren können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: So, wir befinden uns jetzt im Nachgang. Dann hat jetzt die Frau Kollegin Schneider für ihre Zwischenfrage das Wort. – Bitte schön.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Lieben Dank, Frau Kollegin Thoms, dass Sie die Zwischenfrage im Nachgang zulassen. Sie haben jetzt einiges ausgeführt, was die Landesregierung vermeintlich an Wohltaten tut, unter anderem die Humanmilchbanken. Ich möchte nur daran erinnern, dass diese die FDP gemeinsam mit der CDU vor Jahren auf den Weg gebracht hat.

Was mich jetzt konkret interessiert: Was gedenken Sie zu tun, um die Situation der Hebammen zu verbessern? Ich habe nicht einen einzigen Vorschlag gehört. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der SPD – Rodion Bakum [SPD]: Wir auch nicht!)

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Frau Kollegin Thoms.

Meral Thoms (GRÜNE): Vielen Dank. – Ich kann gerne noch einmal wiederholen

(Rodion Bakum [SPD]: Bitte nicht!)

– aber ich glaube, Sie wollen das nicht noch einmal hören –,

(Rodion Bakum [SPD]: Bitte mal was Neues!)

was die Landesregierung schon macht, nämlich Hebammenkreißsäle zu fördern – auch das haben wir im Koalitionsvertrag definiert –,

(Rodion Bakum [SPD]: Ohne Hebammen ist schlecht!)

Stillförderung weiterzuentwickeln, stillfreundliche Strukturen auszubauen.

Darüber hinaus habe ich auch deutlich betont, dass wir uns die Lage rund um die Beleghebammen und auch die Auswirkungen dieses neuen Vertrags, wie der wirken wird, anschauen müssen. Ich bin mir sicher, liebe Frau Schneider, dass wir das intensiv im Ausschuss diskutieren werden, und dort ist auch der Platz dafür. Ich freue mich auf die Debatten im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Zuruf von Rodion Bakum [SPD])

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