Meral Thoms: „Der Fokus liegt immer noch auf dem Mann als Norm und noch viel zu wenig auf der Frau mit ihren eigenen Symptomen und Erkrankungen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN zu Endometriose

Portrait Meral Thoms

Der Antrag „Die Situation von Endometriose-Betroffenen verbessern – Aufklärung, Versorgung und Forschung stärken“

Meral Thoms (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem Endometriosefallbeispiel starten, dargestellt im Onlinemagazin Good Impact. Es geht um eine 31‑jährige Frau. Ich zitiere:

„Für meine Ärzt*innen war ich immer eine Hypochonderin. Es hieß, meine Menstruationsschmerzen seien normal, ich solle mich nicht so anstellen. […]

Mit 14 wurden die Schmerzen so schlimm, dass ich anfing die Pille zu nehmen. Das hat es etwas besser gemacht. Trotzdem musste ich jeden Monat Schmerzmittel nehmen. Das Schmerzmittel Buscopan habe ich geschluckt wie Smarties. […] während der ersten Tage der Blutung […], ich hatte krampfartige Schmerzanfälle: Ich konnte mich kaum bewegen, dann half nur liegen, atmen und warten, bis es besser wurde. Manchmal bin ich ohnmächtig geworden oder musste mich übergeben. […]

Erst als ich 27 war, entdeckte man bei einem MRT zufällig eine acht Zentimeter große Zyste an einem Eierstock. Ich ging daraufhin zu meiner neuen Frauenärztin, die direkt den Verdacht Endometriose äußerte.“

Wir haben es eben schon gehört: Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen und ist dennoch weitgehend unerforscht. Betroffene leiden oft wie in diesem Fallbeispiel unter chronischen Schmerzen, starken Regelblutungen, Übelkeit und Kreislaufschwäche. Nicht selten ist der ganze Alltag der Betroffenen durch Schmerzen geprägt. Sie sind stark eingeschränkt. Und Betroffene leiden überdurchschnittlich oft an Unfruchtbarkeit. Wir wissen, was das bei Kinderwunsch bedeuten kann: 10 bis 15 % aller Frauen und Menschen mit Uterus im fortpflanzungsfähigen Alter sind von Endometriose betroffen. Allein in NRW sind das über 400.000 Personen.

Es braucht im Schnitt sieben bis zehn Jahre ab dem ersten Symptom, bis die Betroffenen eine Diagnose erhalten. Viele Menschen kennen die Krankheit gar nicht, auch weil Themen rund um Menstruation zwar im Schulunterricht behandelt werden, aber in der breiten Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen, häufig noch ein Tabu sind. Mädchen und Frauen mit starken Menstruationsschmerzen werden wie in unserem Fallbeispiel viel zu oft nicht ernst genommen. Vielmehr wird dies normalisiert, und Betroffene werden so davon abgehalten, sich medizinische Hilfe zu suchen.

Doch auch wenn die Diagnose dann endlich gestellt ist, sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Eine Chance auf Heilung besteht bisher nicht. Die Ursachen der Krankheit sind bis heute unbekannt. Einzelne Symptome können zwar behandelt werden, doch auch hier stehen Betroffene häufig vor einem beträchtlichen Aufwand, bis sie die passende Behandlung erhalten. Klar ist – das haben wir eben schon gehört –: Hier müssen wir für Verbesserung sorgen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Franziska Müller-Rech [FDP])

In unserem Antrag setzen wir deswegen mit einem breiten Maßnahmenpaket an. Unsere Ziele sind:

Erstens: mehr Aufklärung rund um Endometriose und die damit einhergehenden Symptome.

Zweitens: die gesundheitliche Versorgung verbessern. So muss der aktuelle Wissens‑ und Forschungsstand in die Aus‑ und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte und natürlich auch des anderen medizinischen Fachpersonals einfließen.

Drittens müssen wir dringend die Datenlage zu Endometriose durch Forschung verbessern. Der Bund hat hierfür bereits mehr Gelder bereitgestellt. Ein besonderer Fokus soll hierbei auf interdisziplinären Forschungsansätzen liegen, damit neben einer Schmerztherapie auch die psychosoziale und psychotherapeutische Betreuung der Patientinnen weiterentwickelt und sichergestellt werden kann.

In der Medizin herrscht weiterhin ein Gender Bias und ein Gender-Data-Gap. Zur Erläuterung: Der Fokus liegt immer noch auf dem Mann als Norm und noch viel zu wenig auf der Frau mit ihren eigenen Symptomen und Erkrankungen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es gilt als übergeordnetes Ziel, dieses Ungleichgewicht im Sinne einer geschlechtergerechten Medizin endlich abzubauen.

Endometriose ist eine schwere chronische Krankheit, die Tausende Frauen und Menschen mit Uterus in unserem Land betrifft. Ihr Leid wird viel zu häufig nicht ernst genommen. Sie werden viel zu oft nicht unterstützt und alleingelassen. Wir senden heute aus dem Landtag ein wichtiges Signal an die Betroffenen: Wir sehen das Leid.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir sehen, dass der Handlungsdruck hoch ist. Deswegen freuen wir uns ungemein, dass wir gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen diesen wichtigen Antrag heute einbringen. – Vielen Dank.

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